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October 3, 2016
Nostalgisch, frei, persönlich: Modedesigner Michael Klammsteiner
Irina Angerer
Die Geschichte ist so alt, wie sonst kaum eine: junge Südtiroler und Südtirolerinnen, die es ins Ausland verschlägt, die dort studieren möchten, die ihren Wunsch vom Traumberuf verwirklichen wollen. Innsbruck, Wien, München, Berlin – keine Stadt ist ihnen zu groß, kein Weg zu weit. Einige schaffen es, ihren Traum zu leben, andere nicht.
Auch der gebürtige Bruneckner Michael Klammsteiner (25) wählte diesen Weg. Ihn verschlug es nach seinem Abschluss an der Werbegrafik Brixen für’s Studium nach München. Von da kam er nach Berlin, weiter nach Portugal, gewann dort verschiedene Preise. Dann brach er nach London auf, wo er für ein halbes Jahr bei einem Modelabel arbeitete. Eine Geschichte eines jungen Südtirolers also, an deren Ende die Verwirklichung seines ganz persönlichen Modetraums fernab von der Heimat steht. Fast: denn Michael ist nach Südtirol zurückgekehrt – um dort seinen Traum weiterzuleben:
Michael, wie bist du auf die auf die Idee gekommen, Modedesigner zu werden?
Mein Opa war Schneider, der Duft seiner dampfgebügelten Stoffe liegt immer noch in den Räumen. Außerdem haben mich meine jungen, wilden Jahre stark geprägt. Ich war damals immer schon bei den verrücktesten Projekten mit Künstlern dabei, immer auf der Suche nach etwas Neuem, das ich kreieren kann. Bereits als ich als Schlosser tätig war, wollte ich mich persönlicher und kreativer ausdrücken. Also eher Richtung Goldschmiedearbeiten, einfach etwas ästhetischer und gefühlsstärker arbeiten. Ich fing dann an, mit Stoffen und Textilmaterialien zu experimentieren und diese dann mit Metallstücken zu verzieren – daraus ist dann meine erste Design-Kreation entstanden. Als ich die Nähmaschine meiner Mutter geschenkt bekommen habe, war ich wie verzaubert – mich hat das Nähfieber gepackt. Dieser Zauber hat bis heute angehalten und verstärkt sich immer mehr. Ich liebe es einfach, etwas mit meinen Händen zu kreieren, eine Hülle für den Körper zu schaffen und damit verschiedene Gefühle zum Ausdruck zu bringen.
Erinnerst du dich noch an deinen ersten Modeentwurf?
Mein erster Modeentwurf waren Stöckelschuhe aus Karbon, Holz und Aluminium für eine Modenschau von Patrick Mohr in München. Das erste Kleidungsstück, das ich designt habe, war ein heller Filzblazer mit breiten Schulterpolstern im 80er-Jahre-Stil.
Wenn du so zurückdenkst, was war deine schlimmste Modesünde?
Die schlimmste Modesünde habe ich vor neun Jahren begangen. Damals bin ich wie Bill Kaulitz, der Sänger der Band Tokio Hotel, herumgelaufen. Man nennt diese Szene „Emo“. Ich hatte schwarzblonde Haare, die vorne über das Gesicht hingen und trug hautenge Hosen voller Löcher sowie eine Jeansjacke voller Broschen und Sticker. Außerdem trug ich Make-up und benutzte Eyeliner. Obwohl ich heute eher darüber lachen muss, bin ich damals durch diesen Stil erst richtig aufgeblüht. Ich musste viel Kritik über mich und mein Äußeres ergehen lassen. Die hat mich nach einiger Zeit aber auch stärker und selbstbewusster als andere gemacht.
Warum bist du, um deinen Traum zu verwirklichen, ins Ausland gegangen?
In Südtirol gibt es keine Modeschule, außer die Schule für Schneiderei in Meran. Ich wollte aber Modellismus und Stilismus verbinden, einfach künstlerischer arbeiten. Da bleibt einem nichts anderes übrig, als mal Erfahrung außerhalb von Südtirol zu sammeln.
Gibt es denn überhaupt so etwas wie eine Modedesignszene in Südtirol?
Eine wirkliche Modeszene gibt es hierzulande nicht. Allerdings gibt es sehr viele alternative, junge Leute, die Musik und Kunst lieben und auch leben. Bei Dimitri in Meran bekam ich zu Beginn meiner Karriere erste Einblicke in die Modewelt. Außerdem kenne ich noch ein paar kleinere Labels – das war es dann aber auch schon. Die meisten Modeschaffenden arbeiten in größeren Metropolen. Ich selbst fühle mich in Südtirol aber pudelwohl und verspüre sehr viel Energie und Freude, seit ich hier bin. Ich werde sicher noch lange hier bleiben.
Gerade als junger Künstler hat man es oft schwer in der Kunstszene. Gab es irgendwelche Momente, in denen du dachtest: „So, das war’s jetzt.“?
Für mich gibt es nichts anderes, als die Gefühle auszuleben, die ich in mir trage. Ich will eine innere Ruhe, eine ausgeglichene Harmonie an die Menschen weitergeben. Ich lasse mich nicht so schnell unterkriegen und versuche, das Leben voller Möglichkeiten und jede Veränderung positiv zu sehen. Sicher, oft gibt es auch Probleme von Seiten der Südtiroler Bevölkerung. Sie sind nicht immer derselben Meinung. Viele lehnen sich nicht über ihren eigenen Horizont hinaus, aber das ist oft auch gut so. Denn: Ein ausgeglichenes und offenes Volk kommt doch erst durch verschiedene Persönlichkeiten zustande – auch in Südtirol. Ich schätze es sehr, wenn Leute am gleichen Strang ziehen, vor allem wenn es darum geht, das gute Arbeitsklima hier in Südtirol beizubehalten.
Und was war das bisherige Highlight deiner Karriere?
Der Abschluss an der Modeschule Esmod in Berlin. Da habe ich den ersten internationalen Jurypreis gewonnen. Dieser hat mir eine neue Welt geöffnet – sowohl für mich persönlich, als auch nach außen hin: viele neue Kontakte, Fotoshootings, Artikel, Modeschauen in Portugal, Maastricht und die Berliner Fashionweek. Mit der Zeit wird man auch selbstbewusster, es zeigt einem einfach, dass man den richtigen Weg geht. Ein Weg voller magischer Augenblicke, der Tore zu sich selbst öffnet. Oft denke ich mir, es wirkt so, als wäre der Weg bereits beschildert – ich muss ihm nur folgen. Es ist einfach ein großartiges Gefühl, wenn man dann neue wundervolle Menschen kennenlernt, die einen ähnlichen Weg gehen und daraus dann ein Netzwerk entsteht.
Wie schwierig ist es eigentlich, als Südtiroler in der Modeszene der Kunsthauptstädte Berlin und London Fuß zu fassen?
In Berlin treffen so viele verschiedene Kulturen aufeinander. Als Südtiroler wird man dort herzlich aufgenommen, da wir als sehr bodenständige Leute gelten. Menschlich sind wir einfach anders als die Großstadtleute, die sind total chaotisch. Meiner Meinung nach hängt es aber eigentlich von der Person an sich ab: wie man sich selbst zurechtfindet. Die Herkunft einer Person hat da nicht so viel zu sagen.
Und warum hat es dich jetzt nach Südtirol zurückverschlagen?
Ich bin eine sehr sensible Person und mir war die große Stadt einfach zu laut, zu schnell und zu chaotisch. Ich liebe die Berge und die Ruhe an sich hier in Südtirol. Es war mir wichtig, eine persönliche Entwicklung in einem gesünderen Umfeld zu durchlaufen. Da gehört das Wandern, die Freiheit, die Natur und natürlich das qualitativ hochwertige Essen hier in Südtirol dazu. Auf längere Sicht, kann ich ohne nicht glücklich werden – ich trage das tief in mir.
Viele Künstler nennen oft verschiedenste Dinge wie Bücher, Musiker, Filme als ihre Inspirationsquelle. Wovon lässt du dich als Designer inspirieren?
Die Inspiration kommt aus meinem tiefsten Inneren, aus der Verbundenheit meiner selbst zur Welt. Bei meinem Schaffensprozess geht es darum, mit Hilfe der Talente, die man geschenkt bekommen hat, sein Inneres voll und ganz auszuleben. Es geht um die Selbstentfaltung des Menschen an sich, sich selbst zu erkennen und daraus seinen Weg zu gestalten. Deshalb erinnern die Themen meiner Entwürfe an das Mystische und Nostalgische, sozusagen an den Ursprung des Lebens, die unentdeckte, verborgene Welt. Mit den Mineralien und Metallen, die ich in die aktuelle Frauen-Kollektion einbaue, versuche ich verschiedene Energien weiterzugeben. Damit sollen Menschen dazu angeregt werden, in sich selbst etwas Neues zu öffnen. Man merkt also: Es geht ins Esoterische und Meditative. Das ist ein Teil von unserem Selbst und will gelebt werden.
Wenn du deine Mode in drei Worten beschreiben müsstet, welche wären das?
Nostalgie. Freiheit. Persönlichkeit.
Zu guter Letzt: Was willst du noch alles erreichen, wovon träumst du?
Zurzeit arbeite ich gerade an meinem eigenen Label Miclee. Die Kollektion ist online erhältlich und wird in verschiedenen internationalen Modegeschäften verkauft. Spezialisieren möchte ich mich aber auf eine persönliche Kundenberatung. Der Kunde kann dann mit seinen Ideen zu mir kommen und ich entwerfe ihm dann ein individuelles Outfit, das seine Persönlichkeit noch mehr zur Geltung bringt, sodass der Kunde mit der äußeren Hülle verschmilzt. Am besten in einem eigenen Atelier mit einer Näherin – alles von Hand also.
Fotos: Michael Klammsteiner
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