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July 4, 2023

„Meine Mutter war bei einer Wahrsagerin“

Anna Tröger
L’art pour l’art – oder doch anders? In dieser Portraitreihe habe ich Südtiroler Künstler*innen interviewt. Dabei war es mir ein Anliegen, sie persönlich kennenzulernen und etwas über ihre Person auch jenseits ihres Tätigkeitsbereiches zu erfahren. Daher auch der Titel: Die Kunst, die durch diese Menschen entsteht, soll für die Gesellschaft zugänglicher werden.

Auf Fabian Mair Mitterer, Jahrgang 2001, aus Meran, bin ich durch reinen Zufall gestoßen: Während ich mit Victoria Angerer das Interview geführt habe, hat er sich zu uns gesellt. Dabei hat er seine Gedanken in unser Gespräch einfließen lassen und in mir die Idee aufkommen lassen, mit ihm ein separates Interview zu führen. Aufgrund der Entfernung habe ich mit ihm ein sehr interessantes Gespräch über das Handy – nicht Skype, Zoom, Teams oder anderes – ein „normales“ Telefonat geführt. Er studiert seit 2022 an einer der renommiertesten Schauspielschulen im deutschsprachigen Raum, der „Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch“ in Berlin. Vor kurzem stand er neben Thomas Prenn und Laurence Rupp für den Kinofilm „Zweitland“ vor der Kamera.

Wie bist du auf die Idee gekommen, diesen Weg einzuschlagen?

Das ist eine lustige Geschichte: Meine Mutter war bei einer Wahrsagerin, als ich noch ein Baby war. Diese meinte damals zu ihr, wenn ich meine Schüchternheit überwinden würde, würde aus mir mal ein bekannter Schauspieler werden. Und so kam es. Ich habe als Kind schon begonnen Theater zu spielen und wollte irgendwie schon an die „Ernst Busch“. Zum Glück hat es gleich geklappt. Ich hätte nämlich nicht gewusst, was ich sonst machen sollte.

Was steht in deinem Studienalltag auf dem Plan?

Es gibt viele unterschiedliche Fächer wie Akrobatik, Tanzen, Fechten, Bewegung, Ballett, Bogenschießen, Theatergeschichte, Steppen, Pantomime. Dazu kommt noch Sprech- und Gesangunterricht. Alle fünf Wochen arbeiten wir an einem neuen „Szenenstudium“. In unserem Hauptfach erarbeiten wir mit unterschiedlichen Dozierenden Szenen aus Stücken. Als letztes habe ich „Kabale und Liebe“ mit Prof. Steffi Kühnert erarbeitet.  

Was unterscheidet eine staatliche Schauspielschule wie deine von einer privaten?

Jede Schule bringt einen gewissen Ruf mit sich. Je nachdem, wo man war, hat man bessere Chancen im Beruf. Ich denke auch, dass wir mit der Qualität unser Dozierenden und unserer Ausbildung sehr beschenkt sind, mit der Anzahl an Unterrichten ebenfalls. Außerdem sind staatliche Schulen finanziell viel besser abgesichert. Wir haben eine tolle Schulstruktur mit zwei großen Bühnen, vielen Probebühnen, Schneiderei, Fundus, Technik etc. Zudem kosten private Schulen Unmengen an Geld und leider wird man dort auch selten gut ausgebildet.  

Wie sieht das Aufnahmeverfahren aus?

Ich habe damals die Corona-Variante erlebt: Da musste ich zwei Monologe, einen aus einem klassischen und einen aus einem zeitgenössischen Theaterstück/-text und ein Lied vorbereiten, wobei es weniger darum geht, Töne zu treffen, als eher um den Liedinhalt. Es gibt zwei bis drei Runden, einmal nur vor zwei Dozierenden, beim zweiten Mal vor der ganzen Prüfungskommision. Danach wird entschieden, ob man aufgenommen wird oder eben nicht. 

Gab es einen Tiefpunkt?

Es ist grundsätzlich eine intensive Ausbildung. Man merkt schnell, was man nicht kann und an welchen Baustellen gearbeitet werden muss. Im Studium lernt man vier Phasen kennen: die unbewusste Inkompetenz am Beginn, dann kommt man in die Phase der bewussten Inkompetenz. Darauf folgen die Phasen der bewussten Kompetenz, weil man mit den nötigen erlernten Techniken arbeiten kann. Die letzte Phase ist jene der unbewussten Kompetenz: Man wendet die erlernten Fertigkeiten an, ohne sich dessen bewusst zu sein.

Was brennt dir unter den Nägeln?

Ich bin einfach sehr dankbar, wie alles gekommen ist. Ich darf meinen Traum leben und durfte viel Unterstützung von meiner Familie erfahren. Ich darf in einem Jahrgang voller toller Menschen studieren, die mich inspirieren, fordern und unterstützen. Das ist ein großartiges Geschenk. Ich durfte in den letzten Monaten bereits für einen großen Kinofilm vor dem Kamera stehen und werde in der kommenden Spielzeit als Gast bei den Vereinigten Bühnen Bozen spielen. Ich freu mich auf diese Reise und bin gespannt, wohin sie führen wird.

Foto: Fabian Mair Mitterer © Marco Krueger

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