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November 16, 2023
Frau der Bilder: Mirjam Falkensteiner
Kunigunde Weissenegger
Ihr visuelles Wahrnehmen ist sehr ausgeprägt und ihr großes Interesse gilt dem Raum. Sie denkt in Konstellationen: Wie treffen Objekte aufeinander? Wie entfalten sie für sich ihre Schönheit? Wie verhalten sich Farben zueinander – deren Schichtigkeit und Materialität? Welche Dynamiken können sich aus all dem entwickeln? Wie entsteht Raum im Zwischenraum?Mirjam Falkensteiner ist Bühnenbildnerin, Kostümbildnerin und Malerin und bewegt sich in beiden Feldern, sowohl in der Darstellenden als auch in der Bildenden Kunst. In Düsseldorf hat sie bei Katharina Grosse und Thomas Scheibitz an der Kunstakademie Malerei studiert, wo sie heute auch noch ihr Atelier hat. Zum Theater kam sie über das Rotierende Theater. Die beiden Bereiche sieht sie getrennt, obwohl es sehr wohl Überschneidungen gibt, die für sie aber nicht unbedingt relevant sind.Ausstellungen hatte sie in Italien und Deutschland und kürzlich im Tublà da Nives in Wolkenstein „Hyperballad“, wozu sie das Künstler*innenduo Philipp Putzer und Mischa Sanders sowie die Dramatikerin und Autorin Miriam Unterthiner eingeladen hatte. Für die Dekadenz in Brixen hat sie im Oktober „Über die Naia“ ausgestattet. Bei den Vereinigten Bühnen Bozen ist sie jetzt im Augenblick für die Bühne von „Monte Rosa“ und für die Ausstattung von „Ente, Tod und Tulpe“ verantwortlich.Ihr Denken passiert immer aus dem Raum heraus. Dieses Gefühl für Raum ist extrem ausgeprägt und zieht sich durch all ihre Arbeiten für Bühne, Kostüm und Kunst. Steigen wir in die Gedankenwelt von Mirjam Falkensteiner ein …
Welches Bühnen- oder Kostümbild würde dich mal reizen?
Ich komme aus der Bildenden Kunst und fahre diese beiden – Bildende und Darstellende Kunst – im Augenblick parallel. Ich merke, dass mir diese unterschiedlichen Arbeitsprozesse liegen. Im Augenblick brauche ich aus unterschiedlichen Gründen beides, auch weil ich großes Interesse an den zwei Bereichen habe. Sie überschneiden sich leider weniger, als ich mir wünschen würde, sind sehr unterschiedlich, finde ich – in Aufbau, Funktion, Zielgruppe, wobei ich im Moment keine Notwendigkeit sehe, beides zu verbinden. Ich könnte mir gut vorstellen, das Prozesshafte der Bildenden Kunst ins Theater einzuführen und auf kontinuierliches Zusammenarbeiten zu setzen, weil ich das Denken in einem langen Prozess extrem mag und produktiv finde, auch um den Willen, etwas zu entwickeln, zufriedenzustellen und eine Tiefe zu erreichen. In der Zusammenarbeit interessieren mich vor allem die Arbeitsweise, die Dynamiken, das gegenseitige Vertrauen und Verständnis, das Kommunizieren und Aushalten-Können. Deshalb ist für mich auch die Unterscheidung Bühne oder Kostüm nicht relevant, jeder Bereich ist interessant mit unterschiedlichen Herausforderungen und Qualitäten.
Zum einen stattest du Objekte aus, zum anderen Menschen, was fasziniert dich beim einen und beim anderen?
Beim Auskleiden von Körpern hat man als Mensch viel eher Zugang, weil Kleidung kodiert ist und man daraus viel liest. Bei der Bühne hat man mehr Spielraum, unterschiedliche Räume zu schaffen, Situationen zu bringen, die nicht passen müssen, für mich muss aber trotzdem jedes Objekt eine Benutzbarkeit haben, deshalb geht es wieder viel um Menschen. Der Zugang ist vielleicht ein anderer, aber beides gehört zusammen. Und was mich besonders fasziniert, sind die Möglichkeiten bei der Umsetzung: Materialien, woraus Bühnen und Kulissen sowie auch Kleidung gemacht sind, lassen extrem viel Spielraum zu.Hast du ein Lieblingsmaterial?
… ich denke nicht … Farbe. – Farbe interessiert mich sehr: wie sie funktioniert, was sie kann, wie sie gesetzt und eingesetzt wird, sowohl auf der Bühne als auch am Menschen.
Du arbeitest in großen Theaterhäusern und auch in der Freien Szene: Was sind die Unterschiede?
Dadurch dass die Institutionen unterschiedlich aufgebaut sind und anders funktionieren, auch in den Werkstätten, mit denen ich zusammenarbeite, gibt es natürlich andere Arbeitsabläufe. Als Bühnen- oder Kostümbildnerin mach ich einen Plan, den ich abgebe und der für mich in meiner Begleitung umgesetzt wird. In der Freien Szene ist es so, dass ich es für mich viel prozesshafter gestalte. Ich schätze es da, dass ich während der Entwicklung noch mit daran arbeiten kann und nicht etwas Fertiges abgebe, sondern mit den Regisseur*innen und ihrer Art und Weise sowie den Schauspieler*innen mitgehen kann, dass ich die Richtung greifen und darauf reagieren kann. Das mag ich sehr. Natürlich gilt es da, mehr selbst zu tun, was einfach auch körperlich anstrengend, was manchmal auch einschränkend sein kann, da ich an meine Fähigkeiten gebunden bin. Vor Ort arbeite ich meistens eng mit den jeweiligen Techniker*innen für den Bühnenbau zusammen, streiche selbst auch Wände, was ich nicht ungern tu. In einem großen Haus kann ich vom Fachwissen der Leute in den diversen Werkstätten und deren Ressourcen profitieren. Gleichzeitig fasziniert es mich dort, dass ich währenddessen entwickeln und dass etwas entstehen kann, aus dem, was vor Ort passiert, vor allem wenn ich niemanden kenne, wie jetzt bei „Monte Rosa“ und „Ente, Tod und Tulpe“. Das ist sehr interessant, weil man in etwas hineingeworfen wird und kollektiv arbeitet.Du bist nun bei „Monte Rosa“ für das Bühnenbild verantwortlich und bei „Ente, Tod und Tulpe“ für die Ausstattung (Bühne und Kostüme) – letzteres für Menschen ab 6 Jahren. Die Aufführungen überschneiden sich, sozusagen, und spielen teilweise auf derselben, transformierbaren Bühne … Wie arbeitest du?
Zunächst lese ich immer das Stück und versuche zu verstehen, was es braucht, und wie es aufgebaut ist, rede natürlich mit jenen, die Regie führen, woher sie kommen, um zu verstehen, wie sie funktionieren, versuche das zu greifen und in einen Bühnenraum umzusetzen. Die genannten Stücke der VBB spielen beide im Außenraum, an Schnittstellen – eins am Ufer zwischen Wasser und Land, das andere am Berg zwischen Gipfel und Himmel. Diesen Punkt habe ich gesucht und diesen Raum als Schnittstelle und verbindendes Element bestimmt. Natürlich sind beide total unterschiedlich, was das Publikum und auch die Wirkung betrifft. Der Text von „Monte Rosa“ funktioniert so, dass die Geschichte aus der Konstellation der Figuren entsteht; ich wollte deshalb auch einen Raum schaffen, der aus der Konstellation von Objekten entsteht – also nicht einen Raum im Raum, sondern einen Raum, der in den Zwischenräumen der Objekte entsteht. Bei „Ente, Tod und Tulpe“ habe ich großen Wert darauf gelegt, beispielsweise das Wasser nicht zu verniedlichen, sondern in einer abstrahierten Form als Element greifbar zu machen, so dass die Phantasie von Kindern angeregt wird.
Was ist typisch Mirjam Falkensteiner?
Ich glaube, beschreiben kann ich es besser über die Bildenden Kunst: Die Bilder passieren immer aus einer Konstellation von Farbflächen und deren Materialität. Das ist auch auf die Bühne übertragbar, also dass ich in Konstellationen denke, wobei das unterschiedliche Formen annehmen kann. Festlegen möchte ich mich allerdings noch nicht ganz, da mich immer auch der Rückblick und das Reflektieren von Arbeiten interessiert …
Mirjam Falkensteiner, Jahrgang 1994, aus Brixen, lebt in Rodeneck und in Düsseldorf und ist als freischaffende Künstlerin sowie Bühnen- und Kostümbildnerin tätig. Geprägt von ihrem Studium der Malerei bei Katharina Grosse und Thomas Scheibitz an der Kunstakademie Düsseldorf entstehen Bühnenräume, die ihr Interesse am künstlerischen Eingreifen in den Raum und der dabei entstehenden Irritation an der Wirklichkeit widerspiegeln. Das Denken aus der bildenden Kunst heraus ist in ihrer Arbeit erkennbar – die Auseinandersetzung mit Material und Oberfläche, mit Bild und Bildträger findet auf verschiedenste Art und Weise Ausdruck im Raum, Werke von Künstler*innen aus verschiedensten Kunstepochen werden zitiert und die damit einhergehenden Bedeutungsebenen neu codiert.
Fotos: (1) Mirjam Falkensteiner © Frederic Bahr; (2) Hyperballad, MirjamFalkensteiner, Tubla da Nives © MirjamFalkensteiner; (3) Bloom, Die genialen Zonen © Frederic Bahr; (4) Wir im Berg, Dekadenz © AndreasTauber; (5) Die Freiheit einer Frau, Theater Praesent © Daniel Jarosch; (6) MonteRosa, Vereinigte Bühnen Bozen © LucaGuadagnini; (7) Mirjam Falkensteiner © Frederic Bahr.
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