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December 5, 2023

Treibende Theaterkraft: Ein Interview mit Regisseurin Tanja Regele

Elisa Barison

„Wenn man mich fragt, warum ich Titus heiße, dann sage ich: Wegen Titus Andronicus, der römische General.“ In Wahrheit ist Titus aber nach dem Lieblingsschwein seines Vaters benannt, der Metzger ist und seinen Sohn ständig vergisst. Seine Mutter hat Titus nie kennengelernt. Jetzt steht er auf dem Dach der Schule und will springen. Alle Blicke sind auf ihn gerichtet und Titus fängt an zu erzählen: Von Tina, seiner ersten großen Liebe, von seiner Oma, die er sehr vermisst, und von einer Krähe, die sich auf seinen Kopf setzt.Titus VBB (c) Anna Cerrato

So wird auf der Website der Vereinigten Bühnen Bozen in ihr aktuelles Klassenzimmerstück Titus eingeführt. Das Stück ist von Jan Sobrie und klassenzimmertauglich wird es im Moment (seit November 2023 und noch bis März 2024, Termine hier checken) unter der Regie von Tanja Regele, welche in Südtirol aufgewachsen ist und in Wien auf Umwegen zum Theater gefunden hat.

Was Titus motiviert, ist in Südtiroler Schulen herauszufinden, wir haben uns für die Motivation der Regisseurin interessiert:

Wie hast du zum Theater gefunden?

Über Umwege. Theater hat lange gar keine Rolle in meinem Leben gespielt. Mit Mitte 20 habe ich mich für einen Jugendclub am Burgtheater beworben und im Jahr darauf für ein Studenten-Theaterprojekt. Beide Projekte, in denen wir als Gruppe an einem Stück gearbeitet haben, gingen einher mit Schauspielunterricht, Tanz, Gesang, Sprechunterricht. Das hat mein Interesse am Theater geweckt, weshalb ich schließlich mehrere Hospitationen in Regie und Dramaturgie absolviert habe, um zu verstehen wie eine Inszenierung von der Konzeption bis zur Premiere erarbeitet wird. Nachdem ich mir eingestanden habe, dass ich mehr Zeit am Theater als auf der Uni und mit meinem Studium verbringe, habe ich mich nach Abschluss des Studiums als Regieassistentin beworben. Und nach mehreren Jahren als Regieassistentin wollte ich irgendwann selber inszenieren.Titus (c) Anna CerratoWie siehst du dein Psychologiestudium in Verbindung zu deiner jetzigen Arbeit als Regisseurin?

Ich habe auf dem Weg zum Inszenieren, im Vergleich zu manchen anderen in diesem Beruf, ein paar extra Runden gemacht. Ich glaube aber, die Verbindung zwischen meinem Psychologiestudium und meiner Arbeit jetzt liegt für mich darin, dass ich schon immer verstehen wollte, warum ein Mensch auf eine bestimmte Art und Weise handelt. Dahinter steckt Motivation, bewusste oder unbewusste. Und in Interaktion mit anderen Menschen können Konflikte entstehen, sobald sich die unterschiedlichen Motivationen nicht vereinbaren lassen. Das interessiert mich eben auch, wenn ich an einem Stück arbeite. Warum handelt die Figur so? Welche Konflikte entstehen daraus, mit anderen oder in der Figur selbst? Das Ganze eingebettet in ein Proben-Setting, in dem man erfinden und kreativ sein kann und in alle Richtungen denken erlaubt ist. 

Wann und warum wurde der Weg in Richtung Jugendtheater eingeschlagen?

Ich inszeniere sowohl im Jugendtheater- als auch im Erwachsenentheater-Bereich. Aktuell hatte ich vorwiegend Anfragen für das Jugendtheater, möchte mich aber nicht auf eines festlegen, weil ich beides total schön und wichtig finde. Kinder- und Jugendtheater finde ich deswegen total wichtig, da es meistens eng mit Schulen zusammenarbeitet und dadurch nahbarer wird. Durch Theaterbesuche von Schulen oder durch Klassenzimmerstücke, in denen umgekehrt das Theater in die Schulen geht, ergibt sich für manche Kinder und Jugendliche die erste, manchmal auch einzige Möglichkeit einer Theatererfahrung, weil sie z. B. aus Familien stammen, die aus unterschiedlichsten Gründen nicht oder nicht regelmäßig ins Theater gehen. Müssen sie auch nicht. Aber so ergibt sich für diese Kinder und Jugendlichen trotzdem die Möglichkeit herauszufinden, ob sie Spaß an Theater haben, und es werden mitunter Berührungsängste abgebaut.randstaendig (c) Petra MoserMacht der Gewohnheit (c) Seraina KellerWelche Herausforderungen bringt ein mobiles Stück mit sich und welchen Eindruck hinterlassen die Klassenräume bei dir?

Die Herausforderung bei einem mobilen Stück ist die, dass es so konzipiert und inszeniert sein muss, dass es theoretisch überall gespielt werden kann. Zusätzlich fällt der Schutzraum Bühne und Bühnenbild weg. Die Zuschauer*innen sind nicht zu Gast im Theater, sondern wir sind zu Gast in der Schule. Bei „Titus“ steht der Schauspieler René Dalla Costa völlig pur in einem Klassenzimmer, das von Schule zu Schule immer ein anderer Raum ist, im Tageslicht, ohne künstliche Beleuchtung, und hat bis auf ein paar Requisiten nichts, an dem er sich festhalten kann, mit Ausnahme des Textes und der geprobten Abläufe innerhalb der Inszenierung. Umgekehrt sind auch die Schüler*innen ganz nah dran, weil Bühne und Zuschauer*innenraum ineinander übergehen. Ich war seit meiner Schulzeit nicht mehr in einem Klassenzimmer und erstaunt darüber, wie digitalisiert der Unterricht zum Teil abläuft.Titus Vereinigte Bühnen Bozen (c) Anna CerratoSteht Titus für die Probleme und Herausforderung einer Generation oder wäre das Stück auch zu deiner Schulzeit aktuell gewesen?

Titus befindet sich am Anfang der Pubertät, mit allen Schwierigkeiten und Konflikten, die damit einhergehen. Sicher hat sich jede Generation anderen Herausforderungen zu stellen, weil sich die Welt und Gesellschaft verändern. Das Stück behandelt Themen wie: Eltern-Kinder-Konflikte, Konflikte mit Mitschüler*innen, erste Liebe, Missverständnisse, Enttäuschungen und Verletzungen und diese Themen waren in meiner Schulzeit aktuell und sind es heute in diesem Alter genauso. 

Fotos: (1) Tanja Regele © Philip Brunnader; (2, 3, 6) Titus/Vereinigte Bühnen Bozen © Anna Cerrato; (4) randständig © Petra Moser; (5) Macht der Gewohnheit © Seraina Keller.

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