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July 12, 2023

Quiet Luxury?

Susanne Barta

Seit Monaten liest man auf allen nur möglichen Mode-Plattformen über den Trend „Quiet Luxury“. Den gesellschaftlich angespannten Zeiten setzt man zurückhaltendende Kleidung in Beige, Off-White, Grau und Navy entgegen, in schlichten dafür umso wertvolleren Materialien und Verarbeitungen. Wie man es von Yachtbesitzer*innen, Industriekapitän*innen, dem internationalen Jetset oder auch von Gwyneth Paltrow kennt. Understatement ist also the thing, Logo- Protz offensichtlich out. Quiet Luxury fügt sich ein in den Langzeittrend Minimalismus – weniger kaufen und schlichte Ensembles in neutralen Tönen tragen – und macht laut Brandwatch (Quelle BoF) vor allem auf Social Media gerade sehr viel Lärm. Wobei das mit Trends ja so eine Sache ist. Jess Cartner-Morley, Fashion-Journalistin des Guardian, beobachtet, dass der Begriff auch nicht mehr so gerne verwendet wird: „We don’t say ‘trend’ any more. Aesthetic sounds a bit less… basic? Capitalist? But to be clear, in a fashion context it means pretty much the same thing.” Trends oder eben Ästhetiken werden immer kurzlebiger, einander widersprechender, unvorhersehbarer und kleinteiliger und heizen so unser Konsumverhalten immer weiter an. Offensichtlich haben auch Fashion-Profis hier kaum mehr einen Überblick.quiet_luxury_2+3 (c) susanne bartaEine DER Plattformen für hochpreisige Quiet-Luxury-Produkte ist Gwyneth Paltrows Goop. Hier zu sehen, ihr NYC-Shop auf der Bond Street. Actually, not a big fan. 

Nun ist Quiet Luxury in mancher Hinsicht durchaus zu begrüßen. Denn auf klassische, langlebige Teile zu setzen, die man auch in 10 bis 20 Jahren tragen kann, im Sinne von less is more, ist eine gute Sache. Vor kurzem ist eine von Kopf bis Fuß in Fuchsia (Trendfarbe!) gestylte Dame an mir vorbei gegangen und ich habe mich gefragt, wie lange dieses Komplett-Outfit wohl bei ihr bleiben wird? All die sonnenblumengelben, knallblauen, sattgrünen und grellrosa Teile, die seit einem Jahr das Auge blenden, sind wohl sehr schnell passé, weil man sie nicht mehr sehen will. Trends funktionieren so. Also macht man sich auf zum nächsten. Daher: auf langlebige Materialien zu setzen, auf sanftere Farben und klassische Schnitte, ist eindeutig nachhaltiger. Da es in vielfacher Hinsicht aber leider nur um den Look geht, wird Quiet Luxury auf den Socials rauf und runter mit Mango, Shein, H&M, Boohoo, Asos, Zara etc. durchdekliniert. Und da sind wir wieder mittendrin in der (Ultra-) Fast Fashion, die mit langlebig meist wenig zu tun hat.quiet_luxury_4+5 (c) susanne bartaDieses Geschäft in Tribeca habe ich zufällig entdeckt. La Garçonne führt zum Beispiel auch The Row. Sehr schöne Sachen, sehr teuer. 

Auch muss ich sagen, ist mir Mode als bewusstes Distinktionsmerkmal nicht sehr sympathisch. Denn die „richtigen“ Sachen hier kosten ein Vermögen. Stichwort Brunello Cucinelli oder The Row. Was ich mich auch frage: Will man sich assoziativ wirklich in die Welt der Superreichen begeben? Bis heute sitzen mir die paar Stunden vor einigen Jahren in den Knochen, in denen ich durch Monte Carlo spaziert bin. Was für eine kreative Tristesse. Jess Cartner-Morley formuliert kurz und bündig: „Spending a fortune on quiet luxury is supposed to be dead classy, but actually I think it’s sort of gross. There is something vulgar about the dog-whistle of very rich people dressing in a code that only other very rich people will recognise.“ 

Natürlich kann Quiet Luxury gut aussehen und muss weltanschaulich nicht ungut sein. Wenn man es zum Beispiel nicht head to toe trägt, man kein Vermögen dafür ausgibt und dabei auch seinen eigenen Stil nicht vergisst. Nochmals Jess Cartner-Morley: „A well-ironed white T-shirt tucked into dark jeans hits the right understated note – and there’s no need to pay through the nose for it.“ Für das eigene Styling habe ich vor allem auf Secondhand-Teile gesetzt.quiet_luxury_6+7 (c) susanne bartaDie Off-White-Männer-Hose habe ich vor kurzem in einem Secondhandshop in Delhi, NY für 3 Dollar gefunden. Die fast neue Balenciaga-Tasche bei einem Garage-Sale in der Nähe von Delhi für 200 Dollar. Ich konnte mein Glück kaum fassen, lange schon schaue ich mich auf Secondhand-Plattformen nach einer solchen Tasche um. Secondhand-Gürtel, Perlenkette aus Thriftstore-Perlen, made by my sister Ulli. 

Mein Fazit? Ich schließe mich hier der Journalistin Sarah Kent an, sie ist verantwortlich bei BoF für Sustainablity: „Die unaufdringliche Anziehungskraft klassischer, qualitativ hochwertiger Kleidungsstücke geht Hand in Hand mit dem Aufruf zu bewusstem Konsum, weniger, aber besser zu kaufen. Doch die Marken nehmen diese Idee nur als eine weitere Ausrede, um mehr Kleidung zu verkaufen.“ Leider bestätigen das auch die Zahlen. Denn unser Konsum steigt und steigt. Wenn ihr also in diesen „Trend“ oder diese Ästhetik investieren möchtet, dann rate ich dazu, das möglichst bewusst zu machen. Secondhand rules! Und sich vor allem gut zu überlegen, wohin mit all den Logo- und krass gelben, grünen, blauen und rosa Trend-Teilen. Aber wie alles kommt auch das wieder. quiet_luxury_8+9 (c) susanne bartaSecondhand pastellrosa Shorts, gefunden bei Crea. S, dazu ein navy Secondhand-Luisa-Spagnoli-Blazer vom Easy Shop Tscherms, Ullis Perlenkette, die Secondhand-Balenciaga-Tasche und meine true and trusted handgefertigten Collegeschuhe.

Wenn euch das Thema interessiert, hier geht’s zu einigen Links:
Jess Cartner-Morley on Quiet Luxury; Quiet Luxury bei Fashionista; auch Leandra hat darüber geschrieben und auf BoF (das meiste ist leider nur mit Abo zugänglich) gibt’s einige interessante Insights dazu: hier und hier.
Youtube ist voll mit Quiet-Luxury-Videos, bei Audrey Coyne, sie bemüht sich um einen nachhaltigen Zugang, geht es hier  zum Beispiel um Quiet Luxury Shoes. Und hier noch ein Artikel auf GQ.

Alle Fotos: © Susanne Barta

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