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April 18, 2020
10_Antonia Egger Mair – Wir haben alle Verantwortung für die Umwelt
Susanne Barta
Dieses Projekt ist aus einem Gespräch mit meiner sehr geschätzten Künstlerin-Freundin Gabriela Oberkofler entstanden. Es sind Momentaufnahmen aus dem Corona-Alltag von Menschen, die mir in dieser Zeit in den Sinn gekommen sind und die aus unterschiedlichen Perspektiven beschreiben, was sie beobachten. In einem zweiten Moment einige Monate später, werden sie ausführen, wie sich „Nach-Corona“ anfühlt und was sie nun beobachten. Begleitet werden die Aufzeichnungen von Gabrielas Zeichnungen und dem für mich sehr passenden Zitat von Karl Valentin.
Antonia Egger Mair ist seit 2019 Südtirols Landesbäuerin. Das heißt, sie leitet die Interessenvertretung der Südtiroler Bäuerinnen und Frauen am Land. Antonia Egger Mair, sie selbst nennt sich gerne „die Tona“, betreibt in Jenesien gemeinsam mit ihrem Mann einen Landwirtschaftsbetrieb, der auf Gemüse spezialisiert ist. Regelmäßig verkauft sie ihr Gemüse auf dem Markt. Ihr Motto, so liest man auf der Website der Bäuerinnen, ist: „Lebe nicht, um zu arbeiten, sondern arbeite, um zu leben, und genieße jeden Tag, so wie er kommt.“ Diese Einstellung scheint ihr auch in der Corona-Zeit den Weg zu weisen.
Aufgezeichnet am 8. April 2020
Es ist keine einfache Zeit, mir persönlich aber geht es gut. Ich bin kein ängstlicher, sondern grundsätzlich ein positiver Mensch. Soziale Kontakte sind mir sehr wichtig, durch die Einschränkungen fallen diese leider vielfach oder ganz weg. Auch sehe ich, wie manche Menschen Angst verspüren und einander aus dem Weg gehen. Die Quarantäne, kann ich mir vorstellen, wird bei einigen Leuten Depressionen hervorrufen und ich hoffe, dass es hier keine bleibenden Folgen geben wird. Auch die Gewalt in den Familien macht mir Sorgen. Dass die Frauenhäuser mehr Zulauf haben als sonst, ist sehr bedenklich.
Als uns die Nachricht erreichte, dass wir unser Gemüse nicht mehr auf dem Markt verkaufen dürfen, war das im ersten Moment wie ein Schlag. Wir sind ein gut strukturierter Landwirtschaftsbetrieb, haben gut angebaut und gut abgesetzt. Und von einem Tag auf den anderen wurde das über den Haufen geworfen. Zunächst waren da Ohnmacht und die Frage, „wie geht das weiter?“. Keine Einnahmen mehr, alles wächst und gedeiht im Garten und auf den Äckern und es kann nicht verkauft werden. Aber nach einigen Tagen haben sich andere Wege aufgetan. Wir haben gesehen, dass viele Leute unsere Produkte kaufen möchten, sie haben sich telefonisch gemeldet und mittlerweile setzen wir unsere Produkte einigermaßen gut ab. Es ist aber viel aufwendiger und arbeitsintensiver. Der Ertrag ist leider auch nicht der gleiche, denn auf dem Markt können wir einfach größere Mengen verkaufen. Wir haben zurzeit auch wenig unterschiedliche Produkte und längere Lieferwege lohnen sich da nicht. Der Markt hat aber auch eine soziale Komponente: Wenn ich als Bäuerin auf dem Markt verkaufe, stehe ich sozusagen hinter meinem Produkt, ich stehe aber auch als Mensch hinter meiner Produktion und kommuniziere das den Konsumenten. Die Leute kommen gerne, weil sie einerseits mit den Produzenten sprechen, aber auch die Geschichte hinter dem Produkt hören möchten. Diese Erfahrung gehört bei unserer Vermarktung einfach dazu.
Die Bauern, wie die Direktvermarkter mit unterschiedlichem Angebot, organisieren sich und tun sich zusammen. Große finanzielle Einbußen gibt es bei Betrieben, die Urlaub auf dem Bauernhof anbieten. Sehr schwierig ist es auch für die Weinproduzenten. Ich habe gerade mit einer Bäuerin telefoniert, die ich gut kenne, die selber Wein anbaut, verarbeitet und vermarktet und da steht alles still. Kunden waren vorwiegend Gasthäuser und Hotels, aber auch Gäste. Sie erzählte auch, dass viele Gäste nachfragen, wie es denn geht. Da merkt man eine große Solidarität. Auch in der Bevölkerung merke ich eine größere Solidarität gegenüber der Landwirtschaft. Das tut gut.
Die heimische Landwirtschaft wurde ja sehr kritisiert, Stichwort Pflanzenschutz, ich sage bewusst Pflanzenschutz und nicht Pestizide. Als Bäuerin weiß ich, dass der Mensch gesunde Lebensmittel braucht und Pflanzen Schutz brauchen, um gesund wachsen zu können. Genauso wie der Mensch braucht auch die Pflanze in bestimmten Momenten Schutz, zum Beispiel vor Ungeziefer, Pilzen und Bakterien. Es ist ganz klar, dass man das nicht übertreiben darf. Viele wissen nicht, wie groß die Auflagen im Umgang mit Pflanzenschutzmitteln sind. Sie sehen nur, dass wir sie ausbringen, aber nicht, dass wir ganz genaue Vorschriften in Bezug auf Grenzwerte etc. haben. Früher gab es solche Auflagen noch nicht. Auch im biologischen Anbau werden diverse Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Aber gegeneinander ausspielen bringt nichts. Ich hoffe, dass diese Debatte eine andere wird. Wir produzieren Lebensmittel. Lebensmittel, die auch wir gerne essen, und deswegen produzieren wir auch etwas, das gut und gesund ist. Ich hoffe, dass wir in Zukunft dafür mehr Wertschätzung bekommen.
Wenn ich jetzt aufs Feld gehe, merke ich, dass die Luft viel besser ist. Am Himmel sieht man keine Flieger, der Verkehr steht beinahe still. Die Umwelt ist viel ruhiger geworden, man hört die Vögel lauter singen.
Ob es für mich persönlich anders wird nachher? Ich habe auch bisher schon sehr bewusst gelebt und jeden Tag als Tag genossen. Ich finde es wichtig, dankbar zu sein für das, was wir haben und nicht immer darauf zu schauen, was der andere mehr haben könnte. Vielleicht sind die Leute nachher etwas zufriedener? Jedenfalls sollte es nicht so sein, dass man einfach da weitermacht, wo man aufgehört hat.
Ich hoffe also, dass es nach dieser Zeit Veränderungen geben wird, vor allem die Schnelllebigkeit zurückgeht. Es muss nicht alles gleich und sofort passieren. Das ist ein Stressfaktor und Stress tut unserer Gesundheit nicht gut. Ein bisschen Stress muss ich sagen, brauche ich, um leistungsfähiger zu sein, aber der Druck darf nicht zu groß werden. Ich hoffe auch, dass man besser auf die regionalen Kreisläufe achtet und mehr saisonal einkauft. Momentan ist es ja so, dass jeder, jedes Lebensmittel zu jeder Zeit haben kann. Wenn wir von Nachhaltigkeit reden, dann muss man auch schauen, woher Produkte kommen. Wir haben alle Verantwortung für die Umwelt.
Zeichnung: Gabriela Oberkofler
Fotos: (1) © SBO, (2 + 3) © Antonia Egger, (4) SBO
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