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July 23, 2019
Das Eigentliche passiert im Zuschauer selbst: Puppenspielerin Eva Sotriffer
Verena Spechtenhauser
“Pan Ta Dam” heißt das neueste Stück von Eva Sotriffer, welches vor kurzem im Bistro am Wiesl in der Kaiserau gezeigt wurde. Nicht als Premiere, sondern als Dankeschön wurde es angekündigt, und von zahlreichen ZuschauerInnen gerne angenommen. Das Stück ist eine kurze Reflexion über die Poesie, wo sie zu finden ist und wo vielleicht nicht. “Ein Figurentheater für Neugierige, die wissen wollen, wie selbiges für Erwachsene aussehen kann”, so beschreibt es Eva Sotriffer. Idee, Figuren und Spiel stammen von der Künstlerin selbst. “Die Prinzessin auf der Reise” war 2009 ihr erstes ausgedachtes Stück. Seitdem folgten viele weitere, aufgeführt nicht nur in Südtirol, sondern auch in Deutschland, Schweden oder der Türkei. Ihre Leidenschaft für das Puppenspiel ist ansteckend, beim Zusehen ebenso wie beim Zuhören. Ein Gespräch über Gefühle, Musik, das Straßentheater und die Reiselust.
Eva, kannst du dich noch erinnern, wann du das erste Mal ein Figurentheater gesehen hast?
Das erste Figurentheater, an das ich mich wirklich wie an ein Erlebnis erinnere, war Mitte der 90er-Jahre in Montpellier: “Metamorphoses” von Ilka Schönbein.
Welche Emotionen hat dies damals in dir ausgelöst?
Ich war begeistert und zugleich verblüfft über die unglaubliche Wirkung. Die Spielerin ließ vor unseren Augen immer wieder neue Wesen entstehen, ohne Text und ohne aufwändige Licht- und Tontechnik … Ich hatte das Gefühl, eine ganze Geschichte wirklich miterlebt und nicht nur gesehen zu haben. Großartig.
Und heute? Wie ist es für dich, nicht mehr “nur” auf der Zuseherinseite zu stehen?
Wenn ich selber spiele, bleibe ich zu einem Teil immer auch Zuseherin – wenn ich nämlich dabei zuschaue, wie Dinge und Figuren im Spiel ihr Eigenleben entwickeln. Manchmal habe ich das Gefühl, selbst dabei nur den Anstoß geben zu müssen, einen Impuls, der Raum für die Fantasie schafft.
Spannend finde ich auch deine Wander- und Lehrjahre beim Straßentheater in Frankreich. Wie wichtig ist bzw. war diese Zeit in deinem Leben. Kannst du uns mehr dazu erzählen …?
Es waren zwar insgesamt “nur” etwa vier Jahre, aber sehr intensive … Ich hatte gerade in kürzester Zeit mein Philosophie-Studium abgeschlossen und dann erst einmal alle Konventionen verworfen. Straßentheater und sogenannter “Neuer Zirkus” waren gerade sehr spannend und lebendig in Frankreich und für mich die richtige Praxis nach der Theorie. Ich gehörte bereits im letzten Studienjahr zu einer bunt gemischten jungen Gruppe, die ausgehend von Montpellier vorwiegend im Süden Frankreichs auftrat. Das Prinzip war “learning by doing” und Unabhängigkeit. Wir haben gemeinsam trainiert und gelebt, Auftritte und Workshops organisiert, diskutiert, geteilt, viel im Freien geschlafen, Kontakte gepflegt, … Das künstlerische Niveau war aus heutiger Sicht noch eher bescheiden, die Haltung aber von Anfang an ausgesprochen professionell. So hat letztendlich jede(r) von uns das entdeckt und weiterentwickelt, was er/sie am besten konnte, und ist schließlich (meist dann doch mit zusätzlicher Ausbildung) Erzähler, Akrobat, Trapezkünstler, Musiker, Maskenbildnerin oder eben Puppenspielerin geworden. Wiedersehen sind auch nach rund 20 Jahren noch wie kleine Familientreffen.
Du warst lange Zeit Kostümschneiderin für verschiedene Theater. Wann hast du beschlossen selbst Puppenspielerin zu werden?
Mit der Kostümschneiderei begonnen habe ich, da ich in unserer Truppe wohl das größte handwerkliche Talent dazu hatte. Ich habe dann weitergelernt, um später vor allem Masken und spezielle Kostümelemente zu bauen. Aber dann hat es sich ergeben, dass ich erst einmal bei der Schneiderei geblieben bin. Als ich das Gefühl hatte, dort nicht mehr recht weiterzukommen, war eine zweijährigen Figurentheaterausbildung der Auslöser dazu, meine Figuren auch selbst zu spielen.
Du schreibst deine Stücke selbst, fertigst die Kostüme für die Puppen eigenhändig an. Woher bekommst du deine Inspiration?
Inspiration ist eigentlich überall. Ich beobachte viel und gerne.
Hast du ein Lieblingsstück?
Immer das, das ich gerade spiele.
Puppentheater wird automatisch mit dem Zielpublikum „Kind“ verbunden. Ist das wirklich so? Muss das wirklich so sein?
Nein, gar nicht. Puppentheater gab es nämlich schon lange vor der Zeit, als man Kinder überhaupt als eigenes Publikum wahrgenommen hat. Das Zielpublikum “Kind” gibt es seit dem 19. Jahrhundert, Puppentheater vermutlich seit der Antike. Als Kunstform ist Puppentheater meines Erachtens altersunabhängig. Es ist kleine, bescheidene Kunst, das Eigentliche passiert im Zuschauer, der sich darauf einlässt. Für Kinder, insbesondere jüngere, ist die Magie der Figuren noch ganz selbstverständlich, sie erfahren sie genauso im eigenen Spiel, im Alltag, in der Natur. Erwachsenen fehlt dieser Zugang später oft, sie brauchen etwas länger, aber dann kann Puppentheater eine interessante Brücke zwischen Musik und bildender Kunst schaffen, eine Art von Poesie, die Abstraktes leichter zugänglich macht. In “Pan Ta Dam”, gemeinsam mit Jonathan Delazer (Musik) und Manuel Canelles (Regie), geht es mit Bezug auf Pan auch genau darum. Bei der ersten offenen Probe Anfang Juni hatten wir gleich überraschend viele Zuschauer, das macht große Freude und Mut, das ungewohnte Zielpublikum „Erwachsene“ anzusteuern. Auch wenn das in der Tat ein Wagnis ist, vor allem deshalb, weil es außerhalb von Festivals einfach wenige Veranstalter dafür gibt.
Du bist viel und gerne auf Festivals unterwegs, auch in der nächsten Zeit. Warum?
Ich wollte immer schon einen Beruf, der es mir ermöglicht, über und mit meine(r) Arbeit zu reisen. Ich verreise nämlich sehr gerne, fühle mich als „Touristin“ aber schnell fehl am Platz. Bei Reisen zu Auftritten fällt das weg, der Kontakt ist einfacher und ich komme auch an Orte ohne „touristisches Interesse”. Dass ich meine Stücke in verschiedensten Umgebungen spielen kann und dabei ganz ähnliche Reaktionen im Publikum erfahre, das finde ich spannend und verbindend.
Auf welches Festival freust du dich am meisten und welches sollten wir unbedingt mal besuchen?
Am meisten freue ich mich, wenn ich in ein Land eingeladen werde, in dem ich noch nicht gespielt habe – diesen Herbst ist das England, beim Skipton Puppet Festival. Und wärmstens empfehlen kann ich spontan den Scheune-Schaubudensommer in Dresden, wo ich vor Kurzem zum zweiten Mal war. Ein zehntägiges “internationales Sommerfestival für Theater, Vergnügen und Musik”, mitten in der Stadt.
Wie wichtig ist die Musik in deinen Stücken?
Musik im weiteren Sinne ist für mich zentral. Als Sprache hat Musik viel mit Figurentheater gemeinsam, sie bewegt und erzählt durch Rhythmus und Melodie, ich lerne viel von der Arbeitsweise von Musikern und schaue mir da manches ab. So oft es geht, arbeite ich mit Live-Musik. Beinahe von Anfang an immer wieder, inzwischen bestens eingespielt, mit Max Castlunger, dessen Instrumentensammlung eine wahre Fundgrube ist.
Wann sehen wir dich bei uns in der Nähe wieder?
Am 29. Juli trete ich in Arco auf, am 2. August im Nonstal und am 8. August in Seis am Schlern. Und für Ende September sind wir noch auf der Suche nach einem Veranstaltungsort für “Pan Ta Dam”. Vielleicht hat ja jemand eine gute Idee?
Foto: (1) Manuel Canelles; (2) Isabel Pitscheider; (3) Sunčan Stone
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