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September 23, 2023

There is no perfection

Susanne Barta

Meine Hypothese ist, dass vieles nicht zustande kommt und auf den Weg gebracht wird, weil zu viel Anspruch dahintersteht. Alles oder nichts, schwarz oder weiß, gut oder gar nicht. Das hat nie wirklich funktioniert und funktioniert erst recht nicht heute. Egal, ob es um unser tägliches (Über-) Leben geht, um ein Projekt, unsere Beziehungen, den Klimawandel oder um die Veränderung der Modeindustrie. Es gibt keine Perfektion, auch wenn man ihr ab und zu nahekommen kann. Schon gar nicht gibt es sie beim Versuch nachhaltiger leben zu wollen. Irgendwo hat (fast) immer alles einen Haken. Secondhand-Kleidung ist meist eine gute Sache, der Secondhand-Markt hat aber Schattenseiten. Die Produktion der Mandelmilch ist alles andere als nachhaltig. E-Autos sind nicht der Weisheit letzter Schluss. Auch veganes Essen für alle funktioniert nicht. Und, und, und. Sobald ein Anliegen in Ideologie umschlägt, ist sowieso Vorsicht geboten. Das heißt aber nicht, dass wir deshalb einfach so weitermachen sollten wie gewohnt. Nur weil es keine perfekte Lösung, kein perfektes Verhalten, keine perfekte Welt gibt. Nein. Besser ist besser als schlecht. Auch wenn es nur etwas besser ist. Jede kleine Veränderung führt zu neuen Veränderungen. Nicht, dass wir die Zeit hätten, uns ewig damit Zeit zu lassen, aber besser anfangen als warten und sich beklagen, dass eh alles nichts bringt. Die Sehnsucht nach Perfektion wird nie erfüllt werden.noperfection_2+3 (c) susanne bartaDie Roger-Vivier-Pumps sind von Vestiaire Collective und waren ein Hochzeitsgeschenk einer Familienfreundin. Der goldene Rollkragenpullover ist secondhand, der Jumpsuit ist von Nolli Vintage, der weiße Gürtel von meiner verstorbenen Oma.  

Als ich vor kurzem einige Notizen – interessante Links, Sätze, Artikel, die ich in den letzten Jahren gesammelt habe – durchgeschaut habe, bin ich auf zwei Aussagen gestoßen: „Less desire more pleasure“ und „Progression over Perfection“. Leider weiß ich nicht mehr, wo ich die herhabe. Weniger Verlangen/Begierde, mehr Freude und Weiterentwicklung vor Perfektion – das bringt es auf den Punkt. Wenn wir das mal herunterbrechen auf unsere Bekleidungsgewohnheiten, dann könnte das in etwa so aussehen: Spaß haben mit dem, was wir schon haben, und nicht jedem aktuellen Trend hinterher hecheln. Sich Zeit nehmen zu experimentieren, mit Freude neue Kombinationen ausprobieren und selbstbewusst seinen Stil behaupten. Wir werden so schnell keine perfekten Konsument*innen, dazu ist unser auf Konsum getrimmtes System zu stark und wir mittendrin. Wer zum Beispiel gerne Trends folgt, kann versuchen, sie mit dem, was schon im Schrank ist, zu interpretieren. Oder sich in Secondhand-Läden oder auch Secondhand-Online-Plattformen umsehen. Ich probiere vieles aus und habe auch einige Online-Plattformen für mich getestet. The RealReal zum Beispiel vor einigen Jahren. Der Weg aus den Staaten ist aber viel zu weit, es blieb also bei dem einen Mal. Überhaupt schaue ich, dass wenn online, möglichst aus Europa. Bei Imparfaite. habe ich – auch vor einigen Jahren –, eine Jacke gefunden, die Plattform ist aber ziemlich teuer geworden. Vestiaire Collective ist immer einen Besuch wert, wenn es um Designer-Stücke geht, sie funktioniert sehr gut und hat vor allem ein umfangreiches Prüf-System aufgebaut. Kann ich empfehlen. Und vor kurzem habe ich, da einige Freundinnen sehr begeistert sind, Vinted ausprobiert. Ich habe was verkauft und Camou-Shorts gekauft. Die Plattform gefällt mir, sie ist gut aufgebaut und einfach zu bedienen. Aber vor allem empfehle ich die Shops vor Ort aufzusuchen. Der Überproduktion kann nur begegnet werden – neben gesetzlichen Maßnahmen – indem man wenig neue Sachen kauft. Dazu habe ich kurzem was geschrieben, wenn noch nicht gelesen, hier klicken, wenn interessiert.noperfection_4+5 (c) susanne bartaDie Camou-Männershorts hab ich wie gesagt bei Vinted gefunden, die rote Bluse vor über 5 Jahren für eine größere Moderation bei Max Mara gekauft, die Ferragamo-Ballerinas sind von Best Secondhand Riffian, der Gucci-Gürtel ist über 30 Jahre alt; die schwarz-violette Bluse ist secondhand of many years, Gürtel und Clutch auch secondhand, die Schuhe sind einige Jahre alt.

Dann geht’s natürlich darum, möglichst gute Qualität zu kaufen und die Kleidungsstücke so lange als möglich zu tragen. Sie zu pflegen und zu richten und so weiter. Ihr kennt das ja. Mir ist selbstverständlich klar, dass man damit nicht die Welt rettet. Allein der Anspruch wäre völlig überzogen. Ich halte wenig von vollmundigen Proklamationen, die leider auch in der nachhaltigen Szene gerne vorkommen. Aber bevor ich nichts tue, tue ich etwas. Zum Beispiel hier wöchentlich darüber zu schreiben und zu zeigen, dass Mode kein Wegwerfartikel ist und wir uns anstrengen sollten, bessere Konsument*innen zu werden.noperfection_6+7 (c) susanne bartaDie Stiefletten von Tods hab ich bei The RealReal gefunden, sie waren nicht mehr so gut in Schuss, habe sie zum Richten und Sohlen gebracht (Noppensohle ist weg), die Shorts sind an die 10 Jahre alt, das Sweatshirt ist von Home Core und der secondhand Missoni-Schal von Vestiaire Collective. 

Gut ist gut genug. Das gerne zitierte „Geht nicht, gibt’s nicht“, ist ebenso Unsinn. Manches geht eben nicht, aber vielleicht geht ja was anderes. Oder es braucht noch Zeit. Zwischen Frustration und Nichtstun und überzogenen Perfektions- und auch Allmachts-Ansprüchen gibt es jede Menge Aktionsraum. Finde ich jedenfalls. Wie seht ihr das?noperfection_8+9 (c) susanne bartaSecondhand-Cardigan Rodier Paris von Imparfaite, das T-Shirt ist ziemlich alt, der Gürtel secondhand Borbonese, die Stiefel sind von Miu Miu und über 15 Jahre alt, hatte sie schon bei Kleopatra, aber niemand wollte sie, jetzt behalte ich sie. Oftmals muss man die Sachen einfach nur lange genug wegverstauen.

Noch zwei Links zum Abschluss:
Slow/Sustainable Fashion wird auch bei uns immer mehr zum (Medien-) Thema. Vor kurzem sind bei Rai Südtirol zwei Berichte erschienen, beim Beitrag im  Trend-Wirtschaftsmagazin (ab ca. 12 Minuten) geht’s vor allem um Secondhand-Mode und meine journalistische Slow-Fashion-Arbeit, beim Südtirol Magazin, um nachhaltige Mode-Aktivitäten im Lande.

Alle Fotos © Susanne Barta 

>> Supported by CORA happywear (M), Kauri Store (M), Oberalp Group (XL), Oscalito (L) und meiner Freundin Kristin << 

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