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August 30, 2023

5 neue Kleidungsstücke pro Jahr

Susanne Barta

Ein Report des Berliner Think Tanks „Hot or Cool Institute“ hat sich unsere Fashion-Konsumgewohnheiten genauer angeschaut. Und kommt zum Schluss, dass wir nur 5 Kleidungsstücke pro Jahr neu kaufen können, wenn wir die Chance nicht gänzlich verspielen möchten, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu halten. „Die Trends im Modekonsum, insbesondere Fast Fashion, können so nicht fortgesetzt werden, wenn wir einen fairen und gerechten Übergang zur Klimaneutralität erreichen wollen“, heißt es dort. 

5 neue Kleidungsstücke pro Jahr? Wer schafft das von uns? Ich leider bisher nicht. Und es kommt auch nicht darauf an, ob nachhaltig(er) produziert oder nicht. Der größte Anteil der Emissionen, die die Fashion-Industrie ausstößt, erfolgt bei der Produktion von neuen Produkten. Rund 70 % der jährlichen Emissionen der Modebranche entstehen in der Produktions- und Verarbeitungsphase, 10 % im Transport und Einzelhandel, während 20 % in der Gebrauchsphase anfallen (McKinsey & Company und Global Fashion Agenda, 2020). Wie wir produzieren und wie wir leben, wie unser Lebensstil und unsere Konsummuster aussehen, sind laut Hot and Cool Fashion Report wesentliche Bestandteile der Dekarbonisierung.kleidungsstücke_2+3 (c) Susanne Barta Slow FashionDie Styles, die diesen Text begleiten, entstanden „shopping my closet“. Es ist immer wieder überraschend, wie viele unterschiedliche Looks man kreieren kann, wenn man sich etwas Zeit dafür nimmt und mit den Sachen, die schon da sind, beginnt zu spielen und sie immer wieder neu zusammenstellt.
Bluse > JW Anderson x Uniqlo, seit vielen Jahren bei mir, der Kragen war etwas vergilbt, ich ließ ihn richten und ein Band herumnähen
Männerhose > Secondhand, für 3 Dollar diesen Sommer in Delhi, NY in einem kirchlichen Secondhand erworben
Gürtel > von meiner verstorbenen Oma
Espadrilles > seit Jahren in meinem Schrank, noch kaum getragen
Clutch > Marc Jacobs, über 15 Jahre alt
Pumps > Chloe, über 15 Jahre alt
Camou-Jacke > Secondhand, den Laden Sisters in Innsbruck gibt’s leider nicht mehr 

Es ist nicht überraschend, dass es vor allem Konsument*innen in den reicheren Ländern sind, die mehr als ihren gerechten Anteil an Mode konsumieren. Vielleicht auch deswegen, weil der Impact unserer Kaufentscheidungen vor allem andere trifft? „Die Verbraucher in Ländern mit hohem Einkommen sind von den negativen Auswirkungen ihrer Entscheidungen meist gut abgeschirmt und das fördert die Mentalität, Mode schnell zu konsumieren und schnell wieder wegzuwerfen. Sie kaufen also weiterhin zu viel und unterstützen so ein kaputtes, ausbeuterisches System, ohne sich dessen oft bewusst zu sein.“ Der Report hat sich die G20-Länder vorgenommen und festgestellt, dass Australien, Japan, die USA und das Vereinigte Königreich den höchsten CO2-Fußabdruck pro Kopf haben, wenn es um den Konsum von Mode geht. Italien befindet sich an 11. Stelle, gleich hinter Deutschland. Aber ein Innehalten, geschweige denn eine Reduktion, sind weit und breit nicht in Sicht. „Die jüngsten Entwicklungen im Modekonsum sind eindeutig: Wir konsumieren mehr Mode und schneller als je zuvor, während wir immer weniger dafür bezahlen. Und befeuern so die zahlreichen sozialen und ökologischen Auswirkungen.“ kleidungsstücke_4 (c) Susanne Barta Slow Fashion„Den Kauf neuer Kleidungsstücke zu reduzieren ist die wirksamste Maßnahme, den CO2-Fußabdruck unseres Modekonsums zu verringern“, heißt es in dem Report. Denn sie führe zu einer Verringerung der Belastung, die viermal höher ist als die nächstbeste Lösung – die Verlängerung der Nutzungsdauer von Kleidungsstücken­­ – und mehr als dreimal höher als das, was durch das derzeitige Tempo der Dekarbonisierung der Modeindustrie als erreichbar gilt. Es geht also darum, weniger neue Kleidungsstücke zu kaufen. Und dann auch darum, Kleidungsstücke länger im Kreislauf zu halten, zirkuläre Business-Modelle (weiter-) zu entwickeln und Secondhand einzukaufen. kleidungsstücke_5+6 (c) Susanne Barta Slow FashionHose > wie vorher
Arbeits-Männerhemd > Secondhand, Wams Innsbruck
Gürtel > Gucci, den hab ich mir vor über 35 Jahren von dem Geld gekauft, das ich damals im Sommer in Italien als Au-pair verdient habe
Ballerina-Pumps > Secondhand Ferragamo, durfte mir bei Best Secondhand Riffian was aussuchen für die Teilnahme an einem Event 

Aber auch bei Secondhand gibt es einiges zu beachten. Am besten ist es, Kleidungsstücke weiterzugeben, wenn wir sie nicht mehr anziehen möchten, zum Beispiel an eine Freundin, oder sie zu verkaufen, zu swappen, direkt jemandem zu geben, die/der sie brauchen kann, die abgelegten Stücke an soziale Einrichtungen spenden. Gedankenlos die Sammelcontainer vollzustopfen ist leider keine gute Lösung. Nur ein Teil bleibt leider wirklich im Kreislauf, der Großteil landet auf Müllhalden im Globalen Süden. „Weltweit werden 80 % oder mehr der Altkleider auf Mülldeponien gelagert oder verbrannt, und der Anteil der Kleidungsstücke, die zu Produkten ähnlicher Qualität recycelt werden, liegt bei nur 1 % (Ellen MacArthur Foundation, 2017). Interessant fand ich auch die Aussage des Reports, dass „Secondhand-Kleidung in den meisten Ländern nur etwa 5 % des gesamten Modeeinkaufs ausmacht, und selbst in Ländern wie Dänemark, wo Secondhand-Kleidung relativ beliebt ist, sind es weniger als 10 %.“kleidungsstücke_7+8 (c) Susanne Barta Slow FashionHose > Violeta Nevenova, die hat sie eigentlich für sich genäht, passte ihr irgendwann nicht mehr so gut und hat sie an mich weitergegeben
T-Shirt > Geschenk von Ulli und Dave vor über 10 Jahren
Biker-Jacke > Secondhand Klamotte
Sneaker > Everlane

Forscher fanden heraus, dass eine „ausreichende“ Garderobe aus insgesamt 74 Kleidungsstücken und 20 Outfits besteht. Als Beispiel schlagen sie sechs Outfits für die Arbeit, drei für zu Hause, drei Outfits für den Sport, zwei für festliche Anlässe sowie vier Outdoor-Jacken und -Hosen oder -Röcke vor – auch diese Aufstellung findet sich im Hot and Cool Fashion Report. Da jedes Leben anders ist, bin ich nicht sicher, ob man das so 1:1 anwenden kann. Aber zumindest eine Orientierung ist es und kann auch eine gute Anregung sein, sich beim nächsten Neukauf zu überlegen, ob man das Teil wirklich braucht. Und wenn ja, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, das Stück Secondhand zu bekommen. Oder einfach kreativ den eigenen Kleiderschrank zu shoppen, der in den meisten Fällen ja gut gefüllt ist. Wie gesagt, die nachhaltigste Garderobe, ist die, die wir bereits haben. Eine 2022 durchgeführte Umfrage (de Wagenaar, Galama and Sijtsema, 2022) zu unseren Kleidergewohnheiten hat ergeben, dass schätzungsweise 25 % der eigenen Kleidung unbenutzt bleibt.kleidungsstücke_9 (c) Susanne Barta Slow FashionIn diesem Sinn: „Buy less, buy better, share and share better.“ Und ich füge noch hinzu: Style better. Wenn ihr Lust auf ein Personal Styling habt und/oder Unterstützung braucht herauszufinden, was zu euch passt, ich berate euch gerne.

Und schreibt mir – in den Kommentaren – wie das bei euch aussieht. Habt ihr viele ungenutzte Kleider im Schrank? Könnt ihr euch vorstellen, nur 5 neue Kleidungsstücke pro Jahr zu kaufen? 

Hier könnt ihr den Report auch downloaden. kleidungsstücke_10+11 (c) Susanne Barta Slow FashionT-Shirt > wie vorher
Noch eine Männerhose > Secondhand, für 3 Dollar diesen Sommer in Delhi, NY in einem kirchlichen Secondhand erworben
Gürtel > Secondhand
Nadelstreif-Männer-Blazer > Secondhand The Kooples, Best Secondhand Riffian
Rose > alice & co, kleine portugiesische Brand, produziert on demand
Schuhe > 8-9 Jahre alt, lange nicht getragen 

Alle Fotos © Susanne Barta

>> Supported by CORA happywear (M), Kauri Store (M), Oberalp Group (XL), Oscalito (L) und meiner Freundin Kristin << 

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