Fashion + Design > Fashion

November 23, 2022

“It’s too much greenwashing, too little action”

Susanne Barta

Zu diesem Ergebnis kommt die Plattform „Good On You“ in Bezug auf die Bemühungen der Modeindustrie, ihren Impact auf das Klima zu verringern. Die COP 27, die internationale Klimakonferenz, ist am Wochenende in Sharm El Sheik zu Ende gegangen. Mit wenig ermutigenden Ergebnissen. Eigentlich, mit niederschmetternden Ergebnissen. Ich kann die jungen Leute verstehen, dass sie zu immer radikaleren Protestaktionen greifen. Denn sind wir doch ehrlich: Es hört ja kaum jemand zu. Wir machen – mit Kleinst-Korrekturen – weiter wie bisher.

Mode und Klimawandel hängen stark zusammen. Leider wird das immer noch zu wenig thematisiert. Die Modeindustrie ist ressourcenintensiv und arbeitet nach wie vor linear – mit wenigen Ausnahmen. Das heißt, die Produkte werden produziert, gekauft, genutzt und schließlich weggeworfen, ein bisschen was recycelt. Linearwirtschaft steht geradezu als Synonym für unsere Wegwerfgesellschaft, für übermäßigen Konsum und die Kurzlebigkeit von Produkten. Die Alternative wäre, kreislauffähige Produkte zu entwickeln, auf bewusstes Kaufverhalten, langwährende Güter und Nachhaltigkeit zu setzen. Doch das Tempo der linearen Modeproduktion nimmt weiter zu. mode_klima_2 (c) tania_malrechauffe_unsplashDazu einige internationale Zahlen, die von statistika vor kurzem veröffentlich wurden: „Der Umsatz im Markt Bekleidung beträgt 2022 etwa 1,37 Bio. €. Laut Prognose wird im Jahr 2027 ein Marktvolumen von 1,66 Bio. € erreicht; dies entspricht einem jährlichen Umsatzwachstum von 3,94 %.“ Mode ist Big Business. „Das größte Marktsegment ist das Segment Damenbekleidung. Der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch im Markt Bekleidung wird im Jahr 2022 bei voraussichtlich 44,77 Stück liegen“ (aber auch weit höhere Zahlen kursieren). Dabei ersticken wir jetzt schon in unseren Kleiderbergen bzw. wird das Problem zu einem großen Teil in Länder des Globalen Südens ausgelagert. 

Der Studie „Fashion on Climate“ zufolge verursacht die Textilindustrie 2,1 Milliarden Tonnen CO2 jährlich. Das entspricht 4 % der globalen Emissionen. Die Zahlen schwanken, einige sprechen von 5 %, Greenpeace sogar von 10 %. Das nachzuprüfen ist schwierig. Überhaupt gibt es sehr wenige valide Daten im Bereich der Textilindustrie. Aber klar ist, so weiter machen funktioniert nicht.

mode_klima_3 (c) heamosoo–kim–andrej_lisakov unsplash

Die Fashion-Industrie ist also ein Big Player, wenn es um unseren CO2-Fußabdruck geht. Auch wenn der Zusammenhang zwischen Mode und Klima nicht mehr wegzudiskutieren oder zu ignorieren ist und viele Unternehmen begonnen haben, sich dem Thema zu nähern, zumindest ein wenig, hinkt die Umsetzung weit hinterher. Dass dabei sehr viel Greenwashing betrieben wird, ist leider eine Tatsache. Auch wenn jeder noch so kleine Beitrag ein Beitrag ist, ist es wichtig genau hinzuschauen und vermeintlich grüne Marketingsprüche auch als solche zu erkennen und zu benennen. Denn wir Konsument*innen werden ganz schön hinters Licht geführt!

Vor kurzem ist dazu ein Report erschienen. Die Analyse-Plattform Good On You hat in den letzten Jahren über 4.000 Brands geratet – nach ihren Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt –, hat sich diese Daten angeschaut und ein datenbasiertes Stimmungsbild erstellt: „Der Klimanotstand ist für die Menschheit ein ‚code red‘. Aber überall, wo man hinschaut, von politischen Slogans bis hin zu Marketingkampagnen, findet man eher vage Behauptungen und Greenwashing, als sinnvolle Maßnahmen. Das gilt besonders für die Modeindustrie“, heißt es da.

Das (kurzgefasste) Ergebnis der neu veröffentlichen Daten von Good On You: Die meisten großen Marken ergreifen keine unmittelbaren Maßnahmen, um die Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf die Umwelt zu verringern. Trotz einiger positiver Schritte nach vorn bleibt die überwältigende Botschaft auch dieses Mal dieselbe: „It’s too much greenwashing, too little action“.mode_klima_5 (c) markus_spiske_unsplashDass wir Konsument*innen nicht überblicken können, wer verführt und wer es ernst meint, ist verständlich. Die komplexen und über den ganzen Erdball verteilten Lieferketten zu durchschauen, ist nicht möglich. Daher kommt auch Good On You zum Schluss: Grundlegende Veränderungen gehen nur über Gesetze. Und Transparenz. 

Auch nach dieser Klimakonferenz wird wieder deutlich: Die Weltgemeinschaft hat bisher keine glaubwürdigen, vor allem keine verbindlichen Wege gefunden, die Klimakatastrophe abzuwenden. Die angepeilten Emissionen bis 2030 werden (fast) sicher die international vereinbarten Grenzen überschreiten. 

Das Branchenportal „Business of Fashion” bemerkt dazu in Bezug auf die Auswirkungen auf die globale Modeindustrie: „Extreme Wetterbedingungen, steigende Temperaturen und der Anstieg des Meeresspiegels bedrohen die Rohstoffproduktion, die Arbeitnehmer*innenrechte und die Stabilität der Lieferkette. Einige der größten Produktionsstandorte der Modebranche, darunter Bangladesch, Indien und Pakistan, gehören zu den weltweit am stärksten vom Klimawandel bedrohten Ländern.“ Schon deswegen wird sich die Branche wohl bewegen (müssen). Hoffentlich mit neuen und fairen Geschäftsmodellen.mode_klima_6 (c) charlotte_harrison-mika_baumeister_unsplashDamit diese Story aber nicht ganz zu heavy wird, noch ein Lektürehinweis und zwei daraus resultierende „Intuitive Outfits“. Leandra Medine Cohen beschreibt in ihrem Newsletter eine Stimmungslage, in der ich mich in letzter Zeit immer wieder befinde: „Getting dressed has not been easy lately. It’s been more like trying to ‘pull teeth from my dick’, which is a phrase the late New Yorker columnist, David Rakoff, once spoke to describe writing when he’s out of flow.” Ihre Antwort: „Leading with gut then inviting head in “. Also intuitiv an die Sache rangehen, herumspielen und dann mit etwas Distanz den Kopf einladen, das Ergebnis eventuell zurechtrücken. mode_klima_8+9 (c) susanne bartaIntuitive Outfit 1:
Derzeit greife ich am liebsten zu meiner Jeans-Latzhose. Nichts engt ein, da ist viel Platz, für was auch immer. Das Tragegefühl kann ich am besten so beschreiben: Gewappnet für die Welt draußen, super bequem und trotzdem lässig.

Latzhose > Secondhand Nowherevintage
Rolli > alt
Pullover > Best Secondhand Riffian
Jacke > Secondhand Dreiheiligen, Bozen
Loafer > Celine
Tasche > Secondhand Innsbruck 

Intuitive Outfit 2:
Vor kurzem habe ich ein Video von Audrey Coyne gesehen, wo es darum geht, darauf zu achten, dass Kleidungsstücke wirklich passen. Und wie man das einfach und schnell nachprüfen kann. Ich kann das Video nur empfehlen. Ich habe mir daraufhin mal meine Hosen vorgenommen und da waren dann doch ein paar dabei, die dem Test nicht standhielten. Und der besteht darin, dass am Bund locker zwei Finger Platz haben und man ganz einfach und ohne in Atemnot zu geraten sitzen, sich bücken und bewegen kann. Diese offensichtlich nicht ganz passenden Hosen habe ich mal weggepackt, denn immer wieder greife ich zu einer, wo ich dann zum Beispiel während des Autofahrens den Knopf aufmachen muss oder es unangenehm zu drücken beginnt.mode_klima_10+11 (c) susanne bartaDiese Hose hat den Test bestanden, auch sie gehört zu den Teilen, zu denen ich am öftesten greife:
Hose > Captain Santors
Rolli > alt
Pullover > alt
Gürtel > Sample Chanel
Sneaker > Veja
Mantel > von meiner Oma
Schal > Arket
Tasche > aus Piñatex, Maravillas Bags  

Zurück zum Ausgangsthema: Es braucht also in erster Linie Gesetze, um die Modeindustrie in die richtige Richtung zu bewegen. Das heißt aber nicht, dass wir als Konsument*innen weitertun sollten wie bisher. Was wir sofort umsetzen können? Diese Woche geht’s ganz einfach: Nein zu Black Friday, nein zu Cyber Monday. Ja zu einem bewussteren Konsum.

Fotos: (1) © Artem Beliaikin/unsplash; (2) © Tania Malrechauffe/unsplash; (3) © Heamosoo Kim/unsplash; (4) © Andrej Lisakov/unsplash; (5) © Markus Spiske/unsplash; (6) © Charlotte Harrison/unsplash; (7) © Mika Baumeister/unsplash; (8–11) © Susanne Barta

Print

Like + Share

Comments

Current day month ye@r *

Discussion+

There are 2 comments for this article.
  • Susanne Maria Barta · 

    Ich arbeite im Dezember einzelne Tage in den Kauri Stores in Bozen, Brixen und Meran um mir anzuschauen wie Leute einkaufen. Fragen sie nach? Ist ihnen wichtig wie produziert wird? Und wer unsere Kleidung herstellt? Mein Artikel dazu erscheint im Januar.

Related Articles