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July 10, 2024
Thinking Ahead – Ecodesign im NOI Techpark
Susanne Barta
Eine digitale Plattform, die sich auf das Reparieren und Ändern von Textilien und Schuhen spezialisiert. Ein vollständig recyclebarer Pflasterstein. Eine elegante wassersparende Handbrause. Eine Circular Experience Library. Ein neues, kreislauffähiges, bio-basiertes und veganes Hochleistungstextil.
Was Design alles kann, hat sich in den letzten Jahren verändert. Auch wenn heute noch in erster Linie Konsumgüter entwickelt werden, nimmt die Bedeutung von Design mit Bezug auf die Gestaltung gesellschaftlicher Systeme zu. Der Fokus verschiebt sich auch immer mehr Richtung Nachhaltigkeit und soziale Prozesse. Der Masterstudiengang Eco-Social Design an der Freien Universität Bozen erfreut sich jedenfalls seit vielen Jahren großer Beliebtheit. Das stimmt zuversichtlich, denn mehr denn je braucht es Designer*innen, die verantwortungsbewusste Lösungen entwickeln. Lösungen, die den Ressourcenverbrauch minimieren, die Umweltbelastung reduzieren und das Wohlergehen der Benutzer*innen im Blick haben.Letzte Woche hat die Uni (Fakultät für Design und Künste, Kompetenzzentrum für Nachhaltigkeit) in Zusammenarbeit mit dem NOI Techpark, die Ausstellung „Thinking Ahead – Wanderausstellung des Bundespreises Ecodesign“ eröffnet. „Der Preis ehrt Designer*innen, Unternehmen und Studierende aus Deutschland und Europa, die mit ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Transformation unserer Wirtschaft und Gesellschaft leisten.“ Zu sehen sind die nominierten und prämierten Projekte von 2023, auch einige sehr spannende Textilprojekte sind dabei. „Wir leben in einer gestalteten Umwelt, von der Infrastruktur bis zu den Alltagsgegenständen. Dabei entscheidet das Design nicht nur über Funktionalität und Brauchbarkeit, sondern maßgeblich auch über Ressourcenverbrauch, Abfallaufkommen und Nutzungsverhalten“, steht im Ausstellungskatalog zu lesen. Alle eingangs erwähnten Projekte sind Teil des Bundespreises Ecodesign, hier stelle ich in aller Kürze die Projekte mit Textilbezug vor, auf dass ihr Lust bekommt, euch die Ausstellung anzuschauen.Prämiert in der Kategorie „Young Talent“ wurde zum Beispiel „Layers of Value“. Die junge Designerin Virginia Reil arbeitet hier mit textilen Industrieabfällen wie Deadstock und Pre-Consumer Waste. Sie schichtet und verbindet sie zu „neuen“ Stoffen durch seriell reproduzierbare Techniken wie Sticken, Stricken und Nähen. Das Material kann dann für limitierte Editionen verwendet werden, geht also wieder zurück in den Kreislauf. Bei der Produktion von Kleidungsstücken fällt sehr viel Textilabfall an, das meiste wird weggeworfen oder verbrannt. Keine schöne Sache. Jede Lösung, die hier gefunden, vor allem umgesetzt wird, ist ein wichtiger Schritt zu einer besseren Textil- und Modeindustrie.Sehr spannend das Projekt, das die Kategorie „Konzept“ gewonnen hat: Ein ganz neues Material aus Kollagen wurde hier entwickelt. Das WINT Design Lab hat für „GOLD“ die sogenannte Goldschlägerhaut, ein Gewebetyp im Magen der Kuh, untersucht. Diese Haut wurde früher zum Gold schlagen verwendet, daher der Name. Nach viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit ist ein Material herausgekommen, das biologisch abbaubar, vegan und vielfältig einsetzbar ist, vor allem im Outdoorbereich als Alternative zu erdölbasierten Stoffen.Ebenso prämiert wurde die zirkuläre „Mono Vest“ von Neumühle Switzerland. Die Materialien wurden so lokal wie möglich gesourct, alle wesentlichen Zutaten sind aus derselben Nylon-Materialfamilie, das heißt, Recycling kann hier auch wirklich funktionieren. Kaum möglich ist das bisher bei Mischgeweben, und wenn, dann nur mit großem Kosten- und meist auch Chemieaufwand. Das Gewebe der Monovest ist aus leichtem und winddichtem ECONYL®, es gibt sie bereits in drei Farben zu kaufen, eine Farbe, habe ich gesehen, ist bereits ausverkauft.In der Kategorie „Service“ ausgezeichnet wurden u. a. die „Repair Rebels“. Auf die Gründerin Monika Hauck bin ich schon vor längerem über Instagram aufmerksam geworden. Der Online-Rundum-Service für Modereparaturen arbeitet mit Schustern und Änderungsschneidern zusammen und trägt dazu bei, dass unsere guten Stücke viel länger tragbar sind. Aber nicht nur, denn es geht auch darum, mehr Wertschätzung für das, was wir tragen, zu vermitteln. „Der wahre Wert unserer Kleidung wird nicht im Geschäft entschieden – wir geben ihr den Wert, indem wir sie lieben, tragen, in ihr leben und uns um sie kümmern“, schreibt Monika auf der Website von Repair Rebels. Sehr erfreulich muss ich sagen, ist die Anzahl der präsentierten Projekte, die sich mit Mode bzw. Textilien beschäftigen. Lösungen, die Industrie besser zu machen, kann es gar nicht genug geben. Mit dabei auch die „Reet Aus UPMADE collection“, da kommen ausschließlich Pre-Consumer-Stoffreste zum Einsatz. Die nachhaltige Modedesignerin Reet Aus hat industrielle Upcycling Prinzipien entwickelt und setzt auf langsame, nachhaltige und ethische Mode. Und bei „Wollage“ geht es um die Verarbeitungspotentiale regionaler Schafwolle. Dann gibt es natürlich viele weitere Projekte in anderen Sparten zu entdecken.Ingrid Krauß vom Internationalen Design Zentrum Berlin war bei der Eröffnung der Ausstellung in Bozen, ich habe ihr drei Fragen gestellt.
Welche Rolle spielt Design bei der Gestaltung einer nachhaltigeren Gesellschaft?
Im Design werden die Weichen gestellt. Deswegen kann man mit Design auch viel verändern, denn es steht am Anfang. Als Gestalter*in macht man sich ja Gedanken, was man tun will, ob man das Produkt wirklich braucht oder ob es vielleicht auch mit einer Dienstleistung zu substituieren ist. Man kann Produkte auch ganz anders denken und das passiert im Design, noch bevor es um die Materialwahl und die Produktion geht. Design umfasst die gesamte, vom Menschen gemachte Umweltgestaltung. Wir verstehen Design also nicht nur als Design von Konsumgütern, sondern es geht darum, wie wir uns als Menschen in der Welt befinden.Den Bundespreis Ecodesign gibt es seit 2012, zunächst war er auf Deutschland begrenzt, seit einiger Zeit wird er europäisch ausgeschrieben. Welche Relevanz hat der Preis?
Der Bundespreis Ecodesign ist die höchste staatliche Auszeichnung für ökologisches Design in Deutschland. Er ist auch der einzige staatliche Preis, der in Deutschland für Design vergeben wird auf Bundesebene. Jedes Jahr werden mehr Projekte eingereicht, auch große Firmen sind dabei. In diesem Jahr hatten wir 416 eingereichte Projekte, der Anteil aus dem Ausland steigt.
Verfolgt ihr die ausgewählten Projekte auch nach der Ausstellung? Wie erfolgreich sie sind? Wie es weitergeht?
Nicht alle, aber einige. Wir haben auf der Website auch einige Erfolgsgeschichten dokumentiert.„Thinking Ahead – Wanderausstellung des Bundespreises Ecodesign“ ist noch bis 1. August 2024 im NOI Techpark zu sehen. Aart van Bezooijen, Professor beim Masterstudienlehrgang Eco-Social Design, wünscht sich, dass sich neben Interessierten auch möglichst viele Studierende die Ausstellung anschauen, „da es hier um einen kleinen Blick in die Zukunft geht. Auch im Sinne von, was man beruflich später machen möchte, was sich gestalten lässt und vor allem, was man bewegen kann“.
Fotos: (1, 11) © Daniele Fiorentino x NOI Techpark; (2) Birgit Mayr/NOI, Art van Bezooijen/Unibz Eco-Social Design, Joep van Bezooijen, Ingrid Krauß/IDB, Elisabeth Gsottbauer/Unibz Kompetenzzentrum für Nachhaltigkeit © Filippo Ciriani; (3, 4, 7, 8, 9) © Filippo Ciriani; (5) © Danny Sachtleben x WINT Design Lab; (6, 7) © Susanne Barta
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