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September 11, 2014
Krieg! Und Frieden? – “Unser schrecklich schöner Krieg” von Selma Mahlknecht
Petra Götsch
Eine Geschichte erzählt zu bekommen, das ist Glück. Wenn sie dann auch noch von einer Geschichtenerzählerin wie Selma Mahlknecht erzählt wird, dann verdoppelt sich dieses Glück. Nachdem 2013 ihre Komödie “Die Prinzessin in der Krise” eher verhalten aufgenommen wurde, besinnt sich Mahlknecht dieses Jahr wieder auf ihre Stärke für ernste Themen und liefert mit dem Stück “Unser schrecklich schöner Krieg” aktuelles Theater, das unsere Ohnmacht und Ahnungslosigkeit angesichts des kriegerischen Wütens in der Welt anprangert, aber dabei gleichzeitig das Kunststück schafft, nicht die Moralkeule zu schwingen. Neben Krieg und Frieden deutet Mahlknecht auch andere große Themen an, die unsere Gesellschaft umtreiben: korrupte Politik, übermächtige Konzerne, die Macht der Medien, Rassismus, und ab und zu hat man dann doch das Gefühl, es wurde zuviel des Guten in einen einzigen Abend gepackt.
Die knapp zweistündige Geschichte wird in episodischen Szenen erzählt. Die Figuren, alle dargestellt von einem hervorragenden Ensemble aus LaiendarstellerInnen der Theatergruppe kWer und der Volksbühne Naturns, sind Blitzlichter aller gängigen Positionen zum Krieg. Der Politiker fehlt genauso wenig wie der die Pace-Fahne schwingende Pazifist. Eine Mutter sorgt sich um ihren Sohn. Man versteht, warum – wenn dann der Söldner über die Bühne marschiert, keine Fragen stellt, um am Ende doch einzusehen, dass das Schlachtfeld schon lange nicht mehr zum Heldenspielplatz taugt. Ein Experte und eine Journalistin bemühen sich um Antworten, während die Helferin konkrete Hilfe fordert und für ihre Naivität teuer zahlen muss. Die Fremde musste aus ihrer Heimat fliehen und kann mit den westlichen Dogmen von Freiheit und Demokratie trotzdem nicht viel anfangen. Das sorgt für Zündstoff im Zusammenleben mit der besorgten Bürgerin, die anfänglich von den humanitären Verpflichtungen der internationalen Gemeinschaft spricht, sich später aber mit fragwürdigen Ansichten entlarvt. Und dann gibt es da noch den Kriegsgewinnler, der am Ende aber gleich Verlierer ist wie alle anderen auch. Wie ein roter Faden zieht sich das chilenische Protestlied “El pueblo unido” durch das Stück, das den Kampf des Volkes für Freiheit und Gerechtigkeit besingt. Vergeblich. Menschen können Ordnung schaffen, diese aber nicht erhalten. Aber wie reagieren wir, wenn die vermeintliche Ordnung plötzlich kollabiert?Solange der Krieg nicht mit schwerem Schritt durch unsere Breitengrade zieht, lassen wir uns gerne von ihm unterhalten. Gebannt und entrüstet sitzen wir vor Fernseher und Internet und konsumieren Staub, Dreck und Tod. Bilder aus weit entfernten Ländern, heiß von Gewalt und Vergeltung. Auf unseren sicheren Rängen verfolgen wir Schlachten und Eroberungen und klatschen begeistert Beifall. Es ist diese Doppelmoral, die Mahlknecht in “Unser schrecklich schöner Krieg” aufzeigt. Auch sprachlich klingt der doppelte Boden an: Da wird aus Krieg plötzlich eine “Intervention” oder “Mission”, bestenfalls aus humanitären Gründen. In 100 Minuten gelingt es Selma Mahlknecht und ihren SchauspielerInnen, die gesamte Komplexität und Absurdität des Krieges, aber auch die Scheinheiligkeit unserer Gesellschaft aufzuzeigen. Diese kritische Betrachtung macht dieses Stück so wertvoll – und leider so aktuell.
Auf dem Weg nach Hause warte ich an einer roten Ampel und drücke gedankenversunken am Autoradio. Fragile Waffenruhe im Osten der Ukraine. Millionen flüchten aus dem zerbombten Syrien, ein Exodus in biblischen Ausmaßen. Die USA suchen Strategie gegen die ISIS-Miliz. Libyen, vor 2011 der höchstentwickelte Staat in Afrika, geht in Flammen auf. Deutschland drittgrößter Waffenexporteur der Welt. “Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.”
Weitere Aufführungen: 13., 16. und 17. September 2014 im Theatersaal Naturns, Schlossweg ,1 und am 20. September im Schulzentrum Mals.
Selma Mahlknecht, geboren 1979. Matura am Humanistischen Gymnasium Meran, Studium an der Universität für darstellende Kunst und Musik in Wien. Neben verschiedenen Theaterproduktionen im In-und Ausland etablierte sich Mahlknecht mit Büchern wie “Es ist nichts geschehen” oder “Helena” (ausgezeichnet mit dem Sir Walter Scott–Preis 2012) auch als Schriftstellerin. Ihr Roman “Lunarda” entstand in Zusammenarbeit mit Herbert Rosendorfer. Sie lebt und arbeitet abwechselnd in Südtirol und der Schweiz.
Fotos von Andreas Bertoldi + Theo Mair
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