Music

August 27, 2014

Wie war Wiesenrock 2014?

Marianna Kastlunger
Ein Festivalbericht in nur scheinbar abgedroschenen Floskeln

Alles Gute liegt so nah

Samstagvormittag, 16. August 2014 in Innsbruck. Ich lausche entspannt und doch gebannt der Radioberichterstattung eines riesigen Musikfestivals in St. Pölten und beneide ein kleines bisschen all jene, die dort Queens of the Stone Age und Co live miterleben durften. Allerdings will das Wetter nicht wirklich mitspielen, die traditionelle Absage-Quote erfüllen heuer die Babyshambles und 150 bis 200 Tausend Menschen erleben ihre klassischen Mega-Festival-Dramen wie: “Feuerzeug/Schuh/Zelt mit FreundIn im Schlamm verschwunden”, “Wenn mich ein Aufenthalt im Dixie-Klo nicht umbringt, macht er mich hoffentlich stärker” oder “Ohne mein Smartphone kann ich nicht leben, darum zahle ich gerne so und soviel Kröten für’s tägliche Aufladen”. Der Neid weicht der Schadenfreude: Ich muss nur den kurzen Bustransfer nach Wattens zum Wiesenrock 2014 überstehen (denn da will ich hin), kann nach den Konzerten wieder heim in mein Bettchen und war trotzdem auf einem Festival.

Klein aber fein

Orientierungslegastheniker lieben die Überschaubarkeit der Wiesenrock-Location am Wattener Hauptschulhof. Der Event ist zwar restlos ausverkauft, die Bude also voll, nicht überladen, die Stimmung ist super. Alexander Erler, der Obmann des Kulturvereins und Co-Veranstalters Grammophon (neben dem Innsbrucker Szenelokal Weekender), beschreibt das Festival als familiär, vielfältig und tanzbar. Und es kommt auch so rüber, nicht zuletzt auch wegen der liebevollen Details wie das Skelett (huch, wer bist du denn? Das ist der Otto), das vom Fenster des Schulgebäudes das Wiesenvolk überwacht. Charming!

…und denk an die Umwelt

Pfandbecher, die man auch für Viva con Agua spenden kann oder tragbare Aschenbecher sind für die WiesenbesucherInnen schon mal klare Nachhaltigkeitsidentifikatoren. Aber da kommt noch mehr: Wie geht abfallfreie Crew-Verpflegung während des Bühnenaufbaus? Wie organisiere ich die Mülltrennung vor und hinter dem Tresen? Ist LED-Beleuchtung bühnentauglich? Mit solchen und 87 anderen Nachhaltigkeitsmaßnahmen haben die Wiesel durchaus ein Händchen für green events. Das notwendige Know-how holt man sich im Austausch mit den Partnern Klimabündnis Tirol und Umwelt Verein Tirol oder auch mit anderen Veranstaltern ähnlicher Events. In den kommenden Wochen entsteht außerdem ein Nachhaltigkeitsbericht: Bereits Angewandtes wird analysiert und, falls notwendig, auch gerne optimiert. Im Rahmen verschiedener Grammophon-Veranstaltungen während des Jahres gibt’s auch Vorträge und Diskussionsrunden zum Thema Nachhaltigkeit: Man will sich ja schließlich kritisch und vor allem jenseits aller Modeerscheinungen damit auseinandersetzen. 

Ländliche Idylle

Besteht die klassische, dörfliche Kulturszene wirklich nur aus Uff-ta-ta-Veranstaltungen und Almabtrieben? Werden alternative Kulturangebote am Land wirklich nur mit Meldungen wie “Na, des nuimodische Graffl” oder “Die nehmen doch alle Drogen” abgewimmelt? Vergesst die ländlichen Mythen und Klischees, falls der Begriff “dörfliche Vereinskultur” für manche etwas altmodisch klingen mag. Anekdoten über Konflikte zwischen modernen Vereinen mit traditionellen Gruppen von Trachtenfans oder der Freiwilligen Feuerwehr sucht man in Wattens vergebens. Hier wird auf Dialog und Kooperation gesetzt, die Kolping-Frauen sind etwa für den Verkauf von selber gebackenen Kuchenleckereien zuständig und, egal ob alt oder jung, wer gucken mag, was abgeht, kann gemütlich auf der Agora (der Liegezone vor dem Eingang) chillen. Und viele tun’s auch! Das Wiesenrock baut definitiv Vorurteile ab.

Stimmiges Band-Gesamtpaket

Feine Klänge von Lea Santee, indierockiges Erwachen von Nihils, stampfender Hüpf-Folkrock von East Cameron Folkcore, hypnotischer Kitschrock von Giantree, steig.jetzt.in.mein.Auto-Frechdachs-Sound von Bilderbuch und als Krönung die charmante Performance von Fiva. – Das Line-Up befolgt alle Regeln der Spannungskurvenkunst.
Ich hab’s genossen! Merci

Foto: Theresa Fischer, Marco Russo

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