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September 20, 2012

Edle Geister der Natur – das Südtiroler Weinmuseum

Text Barbara Gramegna
Photography Tiberio Sorvillo

Herbstliche Nuancen kann man schon am heiteren Himmel erblicken, Kaltern glänzt nach den letzten Sommertagen und das Weinmuseum lockt… Ich habe mich mit Brigitte Strauß, der Kuratorin des Weinmuseums, für ein Interview verabredet.

Mitten im Dorf Kaltern gelegen, ist das Weinmuseum eines der wenigen im Land, das die uralte Südtiroler Weintradition bewahrt. Der heutige Sitz ist das ehemalige Pflegehaus der Pfandherrschaft Kaltern-Laimburg, auch als Di-Pauli-Keller bekannt. Gegründet wurde das Museum im Jahr 1955 und war bis Ende 1986 auf Schloss Ringberg untergebracht. Am Museumseingang blickt aus einem Fresko ein Reben umwachsener Bischof auf die Besucher, der heilige Korbinian von Freising. Und mich empfängt die Hausmeisterin Annemarie Patzleiner. Auf dem Rundgang durch die Kellergewölbe finden Besucherinnen und Besucher alte Geräte, archäologische Funde, Bücher, Bildnisse, Karten. Besonderen Wert legt das Museum jedoch vor allem auf die Vermittlung von Südtiroler weinbaulichem und kellertechnischem Wissen und Tradition. Im Außenbereich können Besucherinnen und Besucher die Unterschiede zwischen den einzelnen Rebsorten erkennen und sehen, dass sie sich untereinander in Wuchs und Form von Blatt und Traube unterscheiden. Rechts zur Mauer hin sind hier eine Palme und ein Rosmarinstrauch zu Hause.

Der volle und samtige Lagrein
macht jeden Wild und Braten fein
geil ist dann und fruchtig der Vernatsch
von Bozen bis nach Kurtatsch
verführt hingegen der Gewürztraminer
bis zum letzten Benediktiner!

Weinreben werden in Südtirol seit Jahrhunderten angebaut. Das älteste Weinbaugebiet im deutschsprachigen Raum soll es sein. In einer vorgeschichtlichen Siedlung von zirka 500 vor Christus haben Archäologen bei Brixen ein Tongefäß mit Traubenkernen gefunden. Heute sind 5.000 Hektar der Provinz dem Weinbau gewidmet und rund 350.000 Hektoliter Wein werden jedes Jahr in Südtirol erzeugt. Klar, das sind reine Zahlen, aber Zahlen zählen. Südtirol ist in Italien nicht nur als beliebter Urlaubsort bekannt, sondern auch ein Ziel und Paradies für Feinschmecker und Weinkenner. In Deutschland gilt das Weinland Südtirol als erstes richtig an das Mittelmeer erinnernde Gaumenerlebnis. Das lokaltypische Zusammenspiel der drei Faktoren: Boden, Klima und Winzer ist unter dem Begriff „Terroir“ bekannt. Die mit dem Südtiroler Terroir meist verbundenen Rebsorten sind Vernatsch, Lagrein und Gewürztraminer.

Brigitte Strauß, Sie passen vielleicht unbewusst zum aktuellen Binom Wine & Women, die Weinwelt wird eben immer weiblicher, womit beschäftigt sich die Kuratorin eines Weinmuseums?

Sie kuratiert insbesondere die Ausstellungen, Sonderausstellungen und Veranstaltungen, welche die Seele des Museums sind. Das ist für mich ständig eine große Herausforderung.

Apropos, sind Sie auch eine Weinliebhaberin?

Ich stamme aus dem Pustertal und kannte mich mit dem Thema Wein bis vor zwei Jahren nicht besonders aus. Inzwischen, ja, bin ich auch eine Weinliebhaberin geworden. Ich bin der Meinung, dass man etwas darüber wissen sollte, um ihn richtig genießen zu können.

Südtirol ist Weinland, aber auch ein Museenland. Sehr oft sind einige Museen bei den Touristinnen und Touristen bekannter als bei den Südtirolerinnen und Südtirolern selbst. Teilen Sie, diese Meinung?

Ja, die Mehrheit der Besucherinnen und Besucher besteht das Jahr über aus Touristen. Aber wir haben ein gutes reichhaltiges Jahresprogramm, das auch die Einheimischen anspricht. Voriges Jahr, zum Beispiel, waren bei einer besonders gut gelungenen Veranstaltung in Zusammenarbeit mit den Kalterer Bäuerinnen 500 Menschen im Museum. Ein Erfolg! In gewissen Zeiten bietet das Museum Events in Zusammenarbeit mit dem Tourismusverein Kaltern an, wie zum Beispiel zum Kalterer Weinwandertag, zu den Kalterer Weintagen, im Sommer ist das Museum dann am Donnerstag länger geöffnet, was selbstverständlich auch für die Südtiroler sehr interessant sein kann.

Die Landesmuseen legen großen Wert auf ihr didaktisches Programm. Was bietet das Weinmuseum den Schulklassen an?

Wir legen viel Wert auf die Veranstaltungen für Schulklassen. Je nach Alter sehen wir ein differenziertes Programm vor: „Fassbinder und Zunfthandwerk“, Themenführungen für Mittelschüler – „Auf den Spuren der Rebe“, Werkstattangebote für Grundschüler – „Auf den Spuren der Weinbauern“, Themenführungen für Kinder der 4. und 5. Klasse Grundschule – „Von der Rebe zum Wein“ und Themenführungen für Mittel- und Oberschulen.

In den letzten Jahren sind in unserem Land neue architektonisch faszinierende auch mit Wein verbundene Gebäude entstanden; ich denke da an den Terlaner Weinkeller, den Traminer Weinkeller usw. Stellen Sie sich so etwas auch für ein zukünftiges Weinmuseum vor?

Vor mittlerweile fast fünf Jahren hat die Landesregierung beschlossen, den Kalterer Ansitz Buol-Biegeleben anzukaufen und das Weinmuseum dorthin zu übersiedeln. Der Ansitz ist eine historische Residenz. Die Tradition und die Geschichte spielen eben immer eine große Rolle für unser Land und, obwohl vielleicht nicht alle Erwartungen der Museumsbesucher erfüllt werden können, glaube ich, dass die neuen Räumlichkeiten dem Weinmuseum bestimmt auch einen faszinierenden Hauch verleihen werden.

Der Begriff Weinkultur wird heutzutage nicht nur als planmäßiger Anbau von Reben, Ernte der Trauben sowie Erzeugung und Genuss des Weines verstanden. Er umfasst vielmehr die Bedeutung, die dem Wein in Kunst, Literatur, Wissenschaft, Medizin, Wirtschaft, Politik und Religion über die Jahrhunderte zukam und heute noch zukommt. Wie, denken Sie, könnte das neue Weinmuseum in Kaltern sich einigen dieser Themen annähern?

Im neuen Sitz gibt es sicherlich die Möglichkeit, sich mit anderen, Wein bezogenen Bereichen zu beschäftigen. Bisher haben wir zu wenig Raum dafür gehabt, obwohl zum Beispiel das Thema Wein und sein Kult und religiöser Brauch schon immer seinen passenden Rahmen gefunden haben.

www.volkskundemuseum.it

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