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September 27, 2012

Heimatsendung – Städtefernsehen made in South Tyrol

Christoph Tauber

Den Leuten auf’s Maul schauen und darüber berichten, das tun Volkskundler. In gewisser Weise sind die Macher der satirischen Internetsendung Heimatsendung Volkskundler. Seit Herbst 2010 bereisen Alexander Pancheri und Matthias Keitsch mit ihrem Team Südtirol und schauen den Leuten aufs Maul, schauen was so passiert im Landl, schauen was unter der glänzenden Oberfläche, mit der sich die Südtiroler darzustellen wissen, noch verborgen ist und verarbeiten alles in satirischen Filmbeiträgen. Nach Bozen, Meran, Bruneck, Brixen war nun Leifers das Ziel von Keitsch, Pancheri & Co in der Heimatsendung 1.5, die gerade online gegangen ist.Die Heimatsendung wird im Südtiroler Dialekt ausgestrahlt. Auch dieses Interview wurde im Dialekt gegeben. Zum besseren Verständnis wurde es ins Hochdeutsche übertragen.

Könnt ihr euch kurz vorstellen?

Alexander Pancheri: Ich bin Alexander Pancheri und studiere Geografie in Innsbruck. Ich bin dabei, meine Diplomarbeit zu schreiben. Ich arbeite nebenbei als Fahrradmechaniker und als Eishockeytrainer. Und wenn es die Zeit zulässt, mache ich die Heimatsendung. Ich bin 27 Jahre alt und komme aus Bozen. Ich glaube das reicht, um mich vorzustellen.

Matthias Keitsch: Ich bin Matthias Keitsch und komme auch aus Bozen. Ich bin Student in Innsbruck und studiere Geschichte und Theologie auf Lehramt. Hobbymäßig spiele ich Fußball, mein größtes Hobby ist aber die Heimatsendung.

Warum macht ihr die Heimatsendung?

Keitsch: Die Heimatsendung machen wir eigentlich aus purem Idealismus, um ganz einfach ein bisschen Schwung in die Medienlandschaft reinzubringen. Wir haben keine finanziellen Absichten. Wir haben einen Mords Spaß dabei und lernen laufend neue und interessante Leute kennen. Es ist einfach so: Mit einem Mikrofon in der Hand kannst du dich zu jedem hin trauen, zu dem du dich sonst nicht hin trauen würdest.

Pancheri: Wir wollen über Themen berichten, die die Jugendlichen ansprechen, damit sie sich eine eigene Meinung bilden können. Und natürlich möchten wir die beschränkte Mediensituation in Südtirol etwas aufmischen…

Der Radiosender…

Pancheri: …das Internetportal…

…das Internetportal Südtirol News ist vor einigen Monaten von der Athesia übernommen worden. Habt ihr schon ein Übernahmeangebot von den Ebner-Brüdern bekommen?

Pancheri: Unter einer halben Million Euro geht gar nichts (lacht). Wir möchten unsere Sendung so machen, wie wir es wollen und nicht, wie andere es gerne hätten. Deshalb bleiben wir lieber „arm“, aber unabhängig.

Warum eigentlich der Titel Heimatsendung?

Keitsch: In Wahrheit ist der Titel eine Farce, ganz einfach weil Südtirol auch eine ist. Der Titel lehnt sich an die Heimatfilme an, dem Schnulzigen, dem Folkloristischen. Alles ist so schön, alles ist so bärig, alles glänzt so schön: So sehen wir Südtirol und deswegen haben wir die Sendung „Heimatsendung“ genannt. Diese kleine Zweideutigkeit spiegelt ja genau Südtirol wider, das schöne Landl… Das ist so toll, alle sind wir glücklich, alle haben Geld und keiner hat Probleme… Wir thematisieren in unserer Sendung Südtirol und alles, was in und rund um Südtirol passiert, was Südtirol bewegt. Unser Ziel ist es, Missstände und Ungereimtheiten aufzuzeigen.

Wie sind die Reaktionen auf die bisherigen Sendungen gewesen?

Keitsch: Durchwegs positiv. Meistens sind es Freunde oder Kollegen, die ein Feedback geben, und das ist normalerweise positiv.

Pancheri: Hauptsächlich positiv, der eine oder andere hat aber auch manchmal etwas auszusetzen.

Keitsch: Wir bekommen nur ganz wenig schlechte Kritik. Es waren nur ganz wenige, die gesagt haben, „das geht jetzt gar nicht; was ihr da gemacht habt, das ist kompletter Schafskäse.” Gut, davon kannst du auch etwas lernen…

Pancheri: Es gibt schon auch konstruktive Kritik, wenn zum Beispiel etwas mit dem Schnitt nicht passt.

Keitsch: Zu mir hat jemand gesagt: „Keitsch, du schaust extrem fertig aus.“

Pancheri: Wenn man bedenkt, dass ein Interview bis zu 40 Minuten dauern kann, schaut man nicht nur fertig aus, man ist es auch.

Die Heimatsendung hat ja eine sehr satirisch ironische Betrachtungsweise, habt ihr eigentlich eine Vorbildsendung, in Deutschland gibt es beispielsweise die satirische „Heute Show“. Geht es teilweise in diese Richtung…?

Keitsch: Ich persönlich schaue mir wenige solche Sendungen im Fernsehen an, weil ich mir denke, dass ich da nur voreingenommen werde. Natürlich gibt es aber Vorbilder, wie zum Beispiel Stermann und Grissemann in Österreich. Die haben uns vielleicht ein bisschen eine Richtung gezeigt, wie es funktionieren kann.

Pancheri: Automatisch haben wir uns mit anderen verglichen und Ideen abgeschaut. Aber wir haben relativ früh unsere eigene Struktur festgelegt. Wir haben ja eine Sendung, die nur sporadisch erscheint und die deshalb ein eigenes Format braucht. Man kann nicht einfach die Struktur einer Sendung übernehmen, die eine viel höhere Periodizität hat. Unser Format beinhaltet Informationen und Berichte über Südtirol, die Vorstellung einer einheimischen Musikgruppe und mit Match the Sketch runden wir das Ganze ab.

Wie läuft das bei euch ab? Ihr sucht einen Kandidaten, eine Stadt und dann…?

Pancheri: Wir haben im Vorfeld festgelegt, dass wir von Stadt zu Stadt gehen. Unser Ziel ist es, stets auch ein lokales Thema in die Sendung mit einzubeziehen.

Keitsch: Wir haben zwei bis drei Themen – ein bis zwei aus der Lokalpolitik der jeweiligen Stadt und eines, das auf Südtirol bezogen ist. Wir recherchieren in der Zeitung, im Internet, gehen in die Dorfbar und reden mit den Leuten dort. Wir haben da keine genaue Linie, manches setzen wir von Anfang an fest, anderes machen wir spontan. Wir sind mehrere Leute. Den Schnitt macht Sebastian Longariva, der in Wien lebt. Bei den Dreharbeiten sind wir mit Daniel Gallmetzer, der sowohl hinter der Kamera als auch in der Postproduktion mithilft, ein 4-Mann-Team.

Pancheri: In unserer Sendung ist der Schnitt sehr wichtig. Wir haben sehr schnelle Schnitte, die etwas aufwendiger sind und deshalb viel Zeit in Anspruch nehmen. Aber wir haben eben auch künstlerische Ansprüche an unsere Sendung.

Die letzte Station war Leifers. Dann kommt Glurns und Sterzing und dann ist bald fertig…?

Keitsch: Dann machen wir eine zweite Runde. Was mir brutal gut gefallen würde, wäre ins Sarntal zu fahren oder ins Überetsch oder zu den Grödnern hinein. Unser Ziel ist es, das ganze Land zu bereisen, zu recherchieren und dann darüber zu berichten.

Beim Sepp Messner seid ihr zum Marenden eingeladen gewesen. Ist die Aufnahme überall so herzlich?

Keitsch: Bis jetzt eigentlich schon. Wir zeigen in jeder Sendung einen lokalen Musikinterpreten, mit dem wir erst über die Tagesthemen diskutieren und dann gemeinsam ein Liedl spielen. Bei den Musikinterpreten werden wir immer herzlich empfangen. Das ist wahrscheinlich so bei den Musikern… Bei den Politikern ist es auch nicht schwer, wenn wir ihnen ein E-Mail schicken und erklären, wer wir sind und was wir machen. Und wenn es um Wählerstimmen geht, dann schauen sie sowieso immer „herwärts“.

Pancheri: Aber es gibt auch Persönlichkeiten, denen man regelrecht hinterher laufen muss, um ein Interview zu bekommen. Andere wiederum beachten einen gar nicht.

Mir ist aufgefallen, dass in den Beiträgen sehr oft „grüne Politiker“ vorkommen. Seid ihr in einem Naheverhältnis zu den Grünen?

Keitsch: Diese Frage, ich wusste, dass diese Frage kommt. Das möchte ich jetzt klarstellen: Wir sind weder bei den Grünen, noch bei der SVP noch bei anderen Parteien. Es ist einfach so, dass wir, lustigerweise, in der Vergangenheit immer Themen behandelt haben, wo beide eine starke Meinung vertreten haben. Die Grünen waren stark dagegen und die SVP stark dafür. Und so ergab sich eben, dass oft die Grünen vorgekommen sind. Uns ist es aber auch wichtig, italienische Parteien einzubinden.

Pancheri: Es ist meistens so, dass in den Städten die SVP den Bürgermeister stellt und da wir immer den ersten Bürger der Stadt vors Mikro holen, ist die Stimme der SVP häufig zu hören. Bei der letzten Sendung in Leifers ist es uns gelungen, ein besonders vielseitiges Spektrum an politischen Meinungen einzufangen und wieder zu geben, was auch unser Ziel ist.

Keitsch: Wir versuchen zwar objektiv und satirisch zu sein. Aber das geht nicht. Wie kann man einen objektiven Artikel schreiben, der noch dazu satirisch ist? Wichtig für uns ist einfach: „Was sagt der Otto-Normal-Verbraucher zu diesem Thema?“ Das ist eigentlich noch wichtiger, als die Meinung der Politiker, weil wir den einfachen „Leuten von der Straße“ aufs Maul schauen wollen. Wir haben festgestellt, dass ein sehr großes Unwissen auf der Straße herrscht. Viele wissen einfach nicht, viele interessiert einfach nicht, was so abgeht und – da rege ich mich immer auf – vor allem bei den Jungen herrscht ein großes Desinteresse für Themen, die für sie eigentlich relevant sein sollten.

Pancheri: Wir möchten, dass die Leute, vor allem die jungen Leute, aktiv werden. Wie Matthias schon gesagt hat, werden die jungen Leute immer gleichgültiger. Und genau da wollen wir etwas ändern. Einige sind zwar engagiert, aber der große Rest… Das finde ich schade.

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