Music
May 24, 2024
AMA oder der Ort, nach dem du gesucht hast
Elisa Barison
Seit Ende des letzten Jahres gibt es in Bozen Süd, unweit der Messe, inmitten unzähliger Fabrikhallen und großer Unternehmen, eine kulturelle Insel der Seligen, die diese Stadt dringend nötig hatte. Im 3. Stock eines Teils verglasten Gebäudes erreicht man über einen irgendwie ikonischen Lastenaufzug einen großen Raum, der Großes vorhat: Hier liegt spazioama.Wie die meisten guten Dinge ist spazioama nicht über Nacht entstanden, sondern ist das brainchild einiger, guter Leute, die aus den hervorragenden Ideen, welche man normalerweise mit Freund*innen und Bier am Küchentisch hat, auch wirklich etwas gemacht haben. Zunächst ist da eine Lust in Bozen, ein multidisziplinäres Programm anzubieten, das inklusive und kreative Tag- und Nachtkultur gestaltet. Ohne dabei reich zu werden, ohne dafür kommerzielle oder inhaltliche Kompromisse eingehen zu müssen. Es entsteht der Verein zur sozialen Förderung AMA – Art Music Architecture.Nach einigen Abenden mit lokalen und internationalen DJs und Künstler*innen, unter anderem im Bozner Mirò, im NOI Techpark und der ehemaligen Galerie Prisma, findet der Verein in Bozen Süd sein Mutterschiff. Von hier aus kann er ab nun agieren und sich ständig weiterentwickeln und weiterwachsen, so, wie es sich die Freund*innen am Küchentisch einst erträumt hatten. spazioama ist geboren und mit ihm ein Ort auf fast 400 Quadratmetern, wo abwechslungsreiche Workshops gehalten werden, ein paar Künstler*innen Platz zum Schaffen finden und der Verein sich regelmäßig um inklusives und hate-freies Clubbing bemüht.Was manche anfangs abschrecken mag, ist rein legaler und organisatorischer Natur und hilft in AMAs Fall sogar zur Entstehung einer Gemeinschaft: Die Teilnahme an den Veranstaltungen von spazioama setzt eine Mitgliedschaft im Verein voraus. Diese kann über die Sozialen Netzwerke oder die Website von AMA gemacht werden und wirkt, wie in vielen anderen Fällen italienischer Kulturvereine mit demselben Prozedere, als kleiner Schutz vor misswollenden Bösewichten. Außerdem wird man Teil einer Idee, eines Projekts und ist nicht bloß ein Konsument einer Veranstaltung oder eines Programms. Mittlerweile zählt der Verein über 700 Mitglieder und das abwechslungsreiche Programm zeigt, dass aus der Mitgliedschaft heraus auch immer wieder neue Programmpunkte und Projekte entstehen können.
Aus Aktualitätsgründen und damit ihr hoffentlich noch ein Plätzchen für morgen Abend ergattert, zunächst ein Einblick in die erste Veranstaltung außerhalb des Mutterschiffs (dafür aber in einem Planetarium, hehe): Mit SYMPHORIA präsentiert AMA eine Zusammenarbeit mit dem Planetarium Südtirol in Karneid, in welchem euch beeindruckende, visuelle Projektionen des Multimedia-Künstlers Jérémie Arpa gemeinsam mit atmosphärischen Ambient-Klängen des elektronischen Musikduos ALPI auf eine wahre Space-Reise führen werden. Alle weiteren Infos und Tickets gibt es hier.Um Raum wird es auch im kommenden Filolab mit Sonia Lisco, Doktor in Philosophie, am 14. Juni im spazioama gehen. Infos dazu findet ihr auf der Website. Ein Filolab mit Sonia Lisco gab es bereits, ebenso wie einen Workshop zum eigenen Körper mit Giulia Tornarolli und Federica Basso, einen zu Mindfulness mit Thomas Bernagozzi, einen zum Auflegen mit Vinyl mit Cristian Rot, einen zu wildwachsenden Blumen mit der Unterfertigten (Elisa Barison) und einen zum sorgenfreien Zeichnen mit dem Künstler Egeon. Letzterer nutzt den spazioama gemeinsam mit der Fotografin Elisa Cappellari und dem bereits erwähnten elektronischen Duo ALPI auch als Atelier.Egeon ist ein multidisziplinärer Künstler mit einer Spezialisierung für Kunst im öffentlichen Raum. Getrieben von seinem credo „la ricerca dell’intelligenza sensibile, capace di comprendere l’umano, il mondo e il mistero” lässt er sich vom Menschen und seinem Verhalten inspirieren und erforscht die kognitiven und affektiven Landkarten, die den menschlichen Verstand leiten und unsere Wahrnehmung der Realität bestimmen. Diese Forschung ist zunehmend im Untergrund verwurzelt, der von Pflanzen, Tieren und Pilzen bewohnt wird, die in der Lage sind, archaische symbolische Korrelationen in einer ständigen Übereinstimmung zwischen Mensch und Natur zu erzeugen. Egeon ist aktives Mitglied von spazioama und lässt Besucher*innen gerne auch einen Blick in sein Atelier und seine Bücher werfen – aber Achtung, Bücher mitgehen lassen ist für Egeon, verständlicherweise, ein absolutes no-go!Elisa Cappellari hat ihr Fotostudio gleich neben dem Bereich von Egeon aufgebaut. Ihr Manifest „No need to fear, no need to guess, no need to doubt. On how to look.” bringt sie auch ständig als aktives Mitglied von spazioama ein. Sie ist verantwortlich für die meisten (sehr guten) Bilder der Veranstaltungen des Vereins und schafft es dabei, niemals aufdringlich zu sein oder Fotos stellen zu müssen. Diese Gabe der Empathie, der Annäherung an andere und das Andere ist auch in ihren Fotos wiederzufinden. Elisas künstlerische Forschung analysiert die Intimität und die Machtverhältnisse zwischen Mensch-Tier und Wildtier-Haustier in einer urbanisierten Gesellschaft und präsentiert Fotografien von tierischen Subjekten und Formen in ihrem Lebenskontext. Die in Brasilien geborene und in Italien aufgewachsene Künstlerin sucht die Nähe und Intimität zwischen verschiedenen Naturen oder Elementen, und durch die Fotografie aktiviert sie diesen Raum der Interaktion.Auch die Produzenten und AMA residents ALPI nutzen den Raum, um Musik zu machen. Ihr Ziel ist „creare una connessione con l’ascoltatore attraverso sonorità ipnotiche e rituali“ und wer bei mindestens einem AMA-Clubbing war, bei dem ALPI Musik machen durften, weiß, dass dies sehr wohl zutrifft. Wer das versäumt hat, kann sich ALPI gerne morgen im Planetarium oder aber über die Soundcloud-Page des Vereins anhören. Bestehend aus den beiden Boznern Daniele Alessi und Gabriel Pivaro, die von ihrer Liebe zum Vinyl und Synthesizern getrieben sind, schafft ALPI seit 2014 einen unverwechselbaren Sound, der durch tribale Klänge und hypnotische Melodien verzaubert.Neben diesen Künstler*innen stecken noch viele weitere kreative Köpfe und Hände hinter AMA und spazioama. Sie alle sind stets sehr engagiert das Projekt wachsen zu lassen, sich ständig in Frage zu stellen, offen und inklusiv zu sein und nicht angebrachtes Verhalten, vor allem während der Clubbings, nicht unbeachtet zu lassen und Teilnehmer*innen der Projekte und Veranstaltungen einen sicheren Ort zum Sich-Ausdrücken und Sich-schweifen-Lassen zu bieten. Sie alle machen das, wie gesagt, nicht, um sich zu bereichern. AMA baut auf die Leidenschaft und das Volontariat seiner Mitglieder auf und wenn ihr bereits Teil der Community seid oder es noch werdet, könnt ihr bestimmt gerne mithelfen, wo es benötigt wird, solltet ihr darauf Lust haben.Zum Abschluss und um die vielen Worte in einige, wenige von AMA in drei Sprachen selbst definierte zusammenzufassen:
AMA is a glimpse into the future born from a need to experience ourselves outside the ordinary, to take ownership of our bodies and sensations, to experiment freedom and mutual embrace.
AMA è la creazione di uno spazio vivo.
AMA bietet Raum für einen facettenreichen Austausch, ist Nährboden für Kreativität, Solidarität und Gemeinschaft.
Und kommt mir bloß nie wieder damit, dass es nix Gscheites gibt, in Bozen und darüber hinaus.Photos: (1–12) Courtesy AMA Art Music Architecture, Photography Elisa Cappellari; (13) Courtesy AMA Art Music Architecture, Photography AliPaloma.
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