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November 17, 2021
„Man kann sich einbringen, aber nicht immer durchsetzen“ – Fashion Designer Roland Kathrein
Susanne Barta
Roland Kathrein hat seine Faszination für Mode als Jugendlicher entdeckt. Die Welt des Glamours habe ihm schön früh gefallen, erzählt der Bozner, außerdem sei er von Natur aus neugierig und halte nach Trends und Innovationen Ausschau. Roland hat an der Kingston University in London Fashion Design studiert, für verschiedene Brands gearbeitet und lebt in Barcelona. Derzeit ist er als Knitwear Design Manager und Commercial Agent tätig, vor allem für Inditex, den Mutterkonzern von Zara, Massimo Dutti, Bershka etc. Sein Designschwerpunkt liegt auf Strickmode, leichte Webwaren und Jersey, da entwirft er T-Shirts, Sweatshirts, Hemden und Hemdkleider – in erster Linie Damenmode, aber auch Herrenmode ist dabei, mittlerweile auch Kinderbekleidung.
Interessiert hat mich in unserem Gespräch vor allem wie er als Designer, der für große Brands arbeitet, zum Thema nachhaltige Mode steht und wie nach seiner Einschätzung die Fast-Fashion-Konzerne mit dem Thema Nachhaltigkeit und Fairness umgehen. Das Thema scheint ja doch bei allen angekommen zu sein, aber wie schaut es mit der Umsetzung aus?
Roland, wie bist du zur Mode gekommen?
Ich war immer schon an Kunst und Kultur interessiert, habe als Jugendlicher Modern Dance gemacht und wollte zunächst Schauspieler werden. Schlussendlich ist es aber die Mode geworden. Meine Oma war Schneiderin, das hat mich sicher geprägt.
Sind nachhaltige Prozesse in der Modeindustrie ein Thema für dich?
Ja klar, das ist sehr wichtig, ich bin sehr umweltbewusst aufgewachsen. Früher war ich schon so etwas wie ein Fashion Victim, heute trage ich die Sachen, die ich kaufe, meist lange. Nachhaltig zu arbeiten ist aber nicht immer möglich für mich, ich arbeite ja für größere Firmen, die auch verschiedene Ansprüche haben, und da muss man sich an die jeweilige Firmenkultur anpassen. In den letzten Jahren ist es wirklich für alle zum Thema geworden, auch für Inditex, aber es gibt bestimmte Grenzen. Sie möchten das Thema zwar ansprechen, aber bei den Preisen wird es schwierig. Inditex-Labels wie Bershka oder Massimo Dutti produzieren ja nicht selbst, sondern kaufen alle Modelle bei Lieferanten ein, Zara zum Beispiel hat sicher über 1.000 Lieferanten. Dann gibt’s auch noch die Stofflieferanten, die Garnlieferanten, die Knöpfe, den Faden … Jeder Lieferant wird zwar kontrolliert, dennoch ist es schwierig, die ganze Lieferkette ständig zu kontrollieren. Ich bin jetzt auch in der Kunden-Akquise tätig und arbeite direkt mit einem chinesischen Lieferanten. Produziert wird nicht, bevor nicht jemand von der Firma den Lieferanten durchgecheckt hat. Da gibt es also schon bestimmte Standards. Ich arbeitete auch für einen Lieferanten in Bangladesch, da wohnte ich ein paar Wochen in der Fabrik, und habe gesehen, dass dort keine Kinder arbeiten und bestimmte Sicherheitsstandards eingehalten werden. Aber kurz gesagt, die Konzerne gehen nach den Trends und machen das, was der Kunde will. Wenn also den Kunden nachhaltige Mode wichtig ist, dann entwickeln sie diese auch.
Lässt sich die Modeindustrie deiner Meinung nach überhaupt in Richtung Nachhaltigkeit verändern, wenn man nicht auch die Geschäftsmodelle hinterfragt, die ja auf Dauerkonsum ausgerichtet sind?
Ja, ich glaube, dass sich das Geschäftsmodell ändern müsste. Da werden sich dann aber auch die Preise erhöhen. Ich glaube, sehr viel geht vom Konsumenten aus, also was dem Endverbraucher wichtig ist.
Aber unternehmerische Verantwortung gibt es schon auch?
Natürlich braucht es die auch. Ich glaube, die Industrie hat schon mitbekommen, dass das ein wichtiges Thema ist, aber viele Leute wollen auch nicht viel ausgeben für Kleidung. Klar gibt es Unterschiede, aber die Masse möchte Kleidung günstig kaufen. Allmählich gibt es auch da ein Umdenken, beobachte ich. Bei so einem Riesen-Konzern wie Inditex ist es schwierig, dass sich hier grundlegend was verändert, auch wenn Überproduktion ein großes Thema ist.Zum Teil ist die Qualität von Fast Fashion ja heute schon so schlecht, dass sie zum Beispiel gar nicht mehr für Secondhand taugt …
Es gibt Unmengen an Secondhand-Kleidung, das meiste wird in den Globalen Süden verkauft, das Thema Secondhand ist also auch nicht unproblematisch. Es gibt große Unterschiede in der Qualität bei den Konzernen, teilweise findet man sehr gute Qualität, da muss man als Kunde ein gutes Auge haben. Zara kauft zum Beispiel immer wieder Reststoffe auf in sehr guter Qualität und macht daraus eine kleine Produkt-Serie.
Ist das Greenwashing Argument gegenüber Fast-Fashion-Ketten gerechtfertigt oder siehst du auch das ernsthafte Bemühen der Großen, Teil der Veränderung zu sein?
Es gibt eine Veränderung und ich glaube schon, dass sie das Thema ernst nehmen. Aber Greenwashing ist eine Tatsache. Wenn die Produktion zum Beispiel aus Asien mit dem Schiff kommt, ist das natürlich ein Problem. Durch die Pandemie gab es viele Verzögerungen und viele schauen seither, näher zu produzieren, in Portugal, der Türkei, Nordafrika oder Osteuropa. Also ich würde sagen, sie nehmen es ernst, aber die Möglichkeiten sind eingeschränkt, weil die Ketten sehr komplex sind. Durch die Pandemie hat es viele Probleme gegeben in den Produktionsländern, die auch ganz andere Sozialstandards haben als wir hier, die Arbeiter kommen auf Abruf, die Mass Fashion, wie ich sie nenne, nutzt dieses System und die niedrigen Gehälter aus. Es gibt zwar Richtlinien, aber sie wollen so wenig wie möglich zahlen und das wird auch weiterhin so sein. Zumindest bei den Materialien tut sich was.Was müsste sich denn deiner Meinung nach ändern, dass die Modeindustrie umwelt-, menschen-, überhaupt klimaverträglicher wird?
Es fängt schon bei den Materialien an, aber da ist man dran. In Asien braucht es zum Beispiel bessere Kläranlagen, bessere Färbemittel, natürlich kann man dann nicht mehr alle Farben erzielen, wenn die nicht mehr so chemisch sind. Es wäre auch wichtig, lokaler zu produzieren, Transport ist ein großes Thema. Aber das ist noch ein sehr langer Prozess. Am Ende hängt dann doch alles mit dem Preis zusammen.
Kannst du solche Themen einbringen in deine Arbeit?
Ich muss mich nach dem Kunden, nach der Firma richten. Bei Inditex zum Beispiel arbeitet man direkt mit dem Einkauf zusammen und da geht es vor allen um den Preis. Man kann sich einbringen, aber nicht immer durchsetzen!
Im High-Fashion-Bereich tut sich einiges, auch bei kleinen Labels, die großen gehen nach den Trends. Vor kurzem habe ich mich bei einem kleinen Label aus Barcelona beworben. Alohas produziert vor allem on-demand, wer frühzeitig bestellt, bekommt die Produkte günstiger. Das finde ich gut.Worauf achtest du, wenn du einkaufst?
Früher habe ich sehr viel Secondhand gekauft, aber für Herren ist das nicht so cool wie für Damen. Ich kaufe jetzt auch nicht mehr so viel, mein Kleiderschrank ist doch schon ziemlich groß. Qualität ist mir sehr wichtig, vor allem bei Strick, Acryl kaufe ich nicht, das mag ich nicht auf der Haut haben. Ich habe auch mal bei einem Cashmere Label gearbeitet, irgendwann wird man sehr anspruchsvoll. Also ich schaue, wie etwas produziert wurde, und freue mich, wenn es nachhaltig hergestellt wurde. Aber wenn ich etwas wirklich will, dann kaufe ich es trotzdem. Designer sollten darauf achten, so nachhaltig wie möglich zu produzieren. Mein Motto ist es, bewusster und nachhaltiger zu konsumieren und Teile in guter Qualität zu kaufen, die man über Jahre hinweg tragen kann. Und hier noch ein Streaming-Tipp: Vor kurzem ging die COP26 zu Ende und da ging es unter anderem auch um die Modeindustrie und wie man sie klimafreundlicher, eigentlich klimaneutral, gestalten kann. „The UNFCCC Fashion Industry Charter for Climate Action, brings together brands, manufacturers, suppliers, policymakers, NGOs and consumers, to work to move the entire sector into net zero. At this event, the Fashion Charter will launch its new ambition and targets towards a faster implementation in response to the accelerating climate crisis.“ Der Klimawissenschaftler Georg Kaser, der in Glasgow war, hat mir den Link zur Konferenz geschickt, sehr interessant!
Fotos: © Roland Kathrein
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