Fashion + Design > Fashion

July 19, 2023

2 Sustainable and Fair Fashion Buchtipps für den Sommer

Susanne Barta

Das erste Buch habe ich vor einigen Wochen gelesen, das zweite kurz nach Erscheinen vor etwa einem dreiviertel Jahr. „The world is on fire but we’re still buying shoes” von Alec Leach und “Worn Out. How our clothes cover up fashion sins” von Alyssa Hardy. Beide Bücher kann ich sehr empfehlen. Für die Looks, die diesen Text begleiten, hab ich meinen Kleiderschrank geshoppt und einige Sommerlooks zusammengestellt.

Es ist ja nicht so, dass das Thema nachhaltige/faire/slow/responsible Mode/Fashion intellektuell sehr aufwendig und schwierig zu durchdringen wäre, man sollte meinen, dass man nach ein, zwei Büchern genug weiß. Ist aber nicht so, zumindest nicht für mich. Ich lese Buch um Buch mit größtem Vergnügen und Interesse. Irgendetwas ist immer dabei. Mal geht es mehr um die Undurchsichtigkeit der Lieferketten oder um unfaire Arbeitsbedingungen oder generell um die Praktiken der Textilindustrie, mal mehr um Ästhetik und Styling, mal um unsere Konsumgewohnheiten, politische Rahmenbedingungen und systemische Fragen. Ich habe auch gerade wieder ein Buch vorbestellt, von einer Stylistin, wo es vor allem darum geht, (kreativ) seinen eigenen Kleiderschrank zu shoppen. 

Vielleicht habt ihr ja Lust, das ein oder andere (neue) Buch zum Thema zu lesen? „We know fashion is bad, so why are we still shopping?” fragt Alec Leach, ehemaliger Digital Fashion Editor bei Highsnobiety und heute Consultant, Writer und Editor im nachhaltigen Modebereich. Sein Buch „The world is on fire but we’re still buying shoes” hält, was der Titel verspricht. Flotte Lektüre. Es hat zwei Teile, zunächst geht es um unsere Konsumgewohnheiten, das permanent auf uns herabfeuernde Trendgewitter der Brands und um verschiedene Aspekte von Nachhaltigkeit, dann in Teil 2 um mögliche Wege aus der Misere. Schon zu Beginn wird klar, dass hier jemand schreibt, der Kleidung wirklich mag und viel darüber nachdenkt. Also nicht nur oberflächliches Bashing der Modeindustrie betreiben möchte. Leach schreibt auch kritisch über die Sustainability Szene, die leider auch nicht immer hält, was sie verspricht: „The sad reality is that so much what we see in the sustainability sector is really just a mirage designed to make shopping seem less problematic than it actually is. If shopping is the problem, then sustainability isn’t the answer. Our shopping habits are what’s driving fashion’s terrible impact on the environment, and that’s why it’s important to question them.”sustainable fashion buch tipps_2+3 (c) susanne bartaDiesen Overall hab ich vor einiger Zeit für ein paar Euros Secondhand in Innsbruck beim Wams gefunden. Da gab es einen Ständer mit Arbeitsbekleidung, die weißen Sachen wollte offensichtlich niemand, weil vermutlich zu sehr nach Gesundheitsbereich aussehend. Ich finde den Overall klasse. Day: Um das sehr weiße Weiß sommerlich etwas zu brechen, habe ich die Accessoires in Off-White gewählt. Sneakers > Everlane, Clutch > Odysséia Lisboa. Evening: nur die Accessoires wurden ausgetauscht, Wedges Secondhand > Easy Shop Tscherms, Clutch Secondhand.

Für Alec Leach liegt die Verantwortung für den Impact der Textilindustrie auf Menschen und Umwelt vor allem bei den großen Fashion-Playern. Er spricht von Big Fashion. Aber auch uns Konsument*innen/Bürger*innen nimmt er in die Verantwortung: „Having said that, it’s important to recognize that we as individuals all have a part to play.” Sein Motto dabei: „We don’t need few people to be perfect, we need millions of people to be better.” Und: „It’s okay to buy stuff, but just do it less, and do it better.”

Leach geht u. a. der Frage nach, warum wir (zumindest die meisten von uns) so unglaublich gerne konsumieren und wie die Industrie das schamlos ausnützt. Er schreibt über die Greenwashing-Praktiken der Unternehmen, die Intransparenz der Lieferketten und über neue Formen des Kolonialismus. Und kommt zum Schluss: „The truth is, there’s no such thing as a truly sustainable anything in this world.”

Noch ein aussagekräftiges Zitat aus dem zweiten Teil des Buches, wo es um den „Way out“ geht: „We should also remember the importance of taking it slow, thinking things through before we let them into our lives. Buying things that really mean something to us, and buying them for life. Being patient, because we’re in it for the long haul.” Eine sehr schöne und auch praktikable Anleitung, finde ich.sustainable fashion buch tipps_4+5 (c) susanne bartaDieses Leinenkleid von Muji begleitet mich seit Jahren verlässlich durch den Sommer. Ich trage es untertags, am Abend, zum Radfahren, auch zum Wandern manchmal. Ich habe es auch in weiß mit blauen Nadelstreifen. Day: Lederschlappen aus Griechenland, kleine Tie Dye Umhängetasche, Vintage Christian Dior Brillen, die mir meine Schwester Ulli vor ca. 20 Jahren geschenkt hat und Perlenkette aus Secondhandperlen, made by Ulli. Evening: alte Zara Sling-Backs und kleine silberne Clutch.

Die Journalistin und Autorin Alyssa Hardy hat für InStyle und Teen Vogue gearbeitet. In ihrem Buch „Worn out. How our clothes cover up fashion sins“ beschäftigt sie sich vor allem mit den katastrophalen Arbeitsbedingungen in der (Fast-) Fashion Industrie. Auch sie kommt von der Mode, konnte und wollte aber ab einem gewissen Punkt nicht mehr nicht hinter die Kulissen schauen. „This book is for anyone who has ever loved clothing and the way it can make you feel. If there is one thing, I hope you take away from reading this, it’s that despite its flaw’s, loving fashion is not the problem, it’s the ways in which we consume it that can be.” 

Hardy hat mit unterschiedlichen Menschen für ihr Buch gesprochen, erzählt exemplarische Geschichten von Arbeiter*innen in der Modeindustrie und macht dabei klar, was alles hinter einem Kleidungsstück steckt. Vom Anbau der Rohstoffe, bis zum Fertigstellen des Teils, vom Transport über den Handel bis zur Entsorgung. Sie schreibt über die immer noch schneller werdende Konsumspirale und darüber, wie viel in kurzer Zeit wieder im Müll landet. Jede Woche zum Beispiel trudeln an die 15 Millionen abgelegte Kleidungsstücke im Hafen von Ghana ein. Der berühmt berüchtigte Secondhand-Markt Katamanto in Accra ist euch vielleicht schon einmal untergekommen. Mehr dazu hier. Und vielleicht auch die Bilder von den Kleiderbergen, die ganze Küstenstreifen im Globalen Süden verschmutzen. Eines der Probleme, betont Hardy, seien die Trends, die ständig ausgerufen, denen ständig nachgefiebert wird und die uns dazu verführen, ständig mehr zu kaufen. „While secondhand is better than buying new garments, it’s the idea that we always need new clothing that keeps these fashion cycles spinning.”sustainable fashion buch tipps_6+7 (c) birgit mayrAuf dem Weg zur Eröffnung des Festivals Tanz Bozen. Alte Arket-Hose, das T- Shirt habe ich vor kurzem in New York gekauft, im ukrainischen Lokal Veselka, einem meiner Lieblingslokale, Ullis Secondhand-Perlenkette, Secondhand-Gürtel und Havaianas.

Alyssa Hardy beschäftigt sich auch eingehend mit Made in America, sie schreibt über die Ausbeutung entlang der textilen Lieferketten, vor allem von Frauen und nennt das „Fashions #metoo“: „In an industry where most of the workforce is female, sexual harassment and abuse is rife throughout the factory floor, from luxury to fast fashion.“ Sie hinterfragt das System und unsere Gewohnheit wegzuschauen. Hardy möchte die Geschichten hinter den Marketing-Strategien, dem Celebrity Wirbel und den glossy Influencer-Stories erzählen. Die Geschichten der Menschen, die unsere Kleidung mit ihren Händen herstellen. „Influence is a responsibility, and those who have the luxury of having it on a large scale should use it wisely”, mahnt sie.

Hardy nimmt auch die französische und italienische Luxusmode in den Blick. Wie wir ja wissen, steht auch Made in Italy auf sehr wackeligen Beinen. (Habt ihr den Artikel über Slow Fiber schon gelesen?) Und sie schaut sich die „Logomania“ an und meint etwas resigniert: „The fashion industry perpetuates class hierarchy through logomania. … Realistically, the power that comes from a brand or propriety design will never go away. It’s probably a little too late to change the capitalistic mindset that got us to a place where we bow at the altar of a Gucci logo. … It’s an entire system that’s built to make us choose wrong.”

Auch Alyssa Hardy stellt in ihrem Buch fest, dass ohne rechtliche Konsequenzen, Unternehmen nicht von sich aus die notwendigen Schritte unternehmen und Licht in ihre Lieferketten bringen. Die EU ist ja dabei einiges in diese Richtung auf den Weg zu bringen, mal sehen, wann das dann auch wirklich Realität wird und vor allem wie viele Übergangsregelungen und Ausnahmen noch herausverhandelt werden von den Lobbys. „Corporate money and greed have corrupted the entire ecosystem”, stellt Alyssa Hardy nüchtern fest. Aber der Anfang vom Ende für Fast Fashion steht, zumindest in Europa, schon bevor. Denn die neue Ökodesign-Verordnung, die vor allem das Vernichten von Neuware verbietet, ist dabei, die letzten politischen Hürden zu passieren. Und dann kann Überproduktion richtig teuer werden. Noch bis 19. Juli 2023 läuft die European Citizen Campaign „Good Clothes Fair Pay“, die sich für faire Arbeitsbedingungen entlang der Lieferketten einsetzt. Hier einer meiner Artikel dazu. Die erforderte Zahl von 1.000.000 Unterschriften wurde leider bei weitem nicht erreicht. Vielleicht unterschreibt ihr ja noch? sustainable fashion buch tipps_8+9 (c) susanne bartaDay: Die Bermuda ist von der in Lissabon lebenden bosnischen Designerin Lidija Kolovrat, das T-Shirt Secondhand und selbst (mit Unterstützung von Ulli und Dave) getie-dyed, die rosa Chanel-Brille ist über 15 Jahre alt, die Tory Burch Schlappen hab ich bei einem Swap gefunden. Evening: über 10 Jahre alte Mary Janes, Clutch > Zilla, ein Geschenk meiner Freundin Birgit. 

Am Ende ihres Buches formuliert Hardy: „We need to stop thinking about fashion as something that is a frivolous addition to life. Those ideas are rooted in sexist ideology about women’s work and women’s interest. Clothing is powerful for us as individuals and on a global scale for the millions of people who depend on it for their livelihoods and their culture. The lesson is not that we have to give up fashion entirely. In fact, it’s quite the opposite. As people who wear and love fashion, we have to become better consumers and activists for a better industry.” Dem ist nichts hinzufügen, außer: Lasst euch informieren und inspirieren von diesen beiden Büchern.

Fotos: (6, 7) © Birgit Mayr; alle anderen © Susanne Barta

>> Supported by CORA happywear (M), Kauri Store (M), Oberalp Group (XL), Oscalito (L) und meiner Freundin Kristin <<

Wenn ihr diesen Blog auch unterstützen möchtet, gibt‘s hier alle Infos. 

Print

Like + Share

Comments

Current day month ye@r *

Discussion+

There are 2 comments for this article.

Related Articles

Archive > Fashion