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October 7, 2023

Stop Waste Colonialism

Susanne Barta

Darüber, Kleidungsstücke gut zu entsorgen, haben wir hier schon des Öfteren gesprochen. Vermutlich kann man darüber auch gar nicht oft genug sprechen. Der in meinen Augen wichtigste Punkt dabei ist, unsere Bekleidung in der eigenen Stadt, dem eigenen Land, in Europa so weit als möglich im Kreislauf zu halten. Rund um abgelegte und sorglos entsorgte Kleidungsstücke gibt es einige schwerwiegende Probleme. Zunächst mal was Positives: Am Handel mit Secondhand-Kleidern hängen Jobs, neue Business-Modelle in diesem Bereich kreieren auch neue Jobs. Die weniger guten Nachrichten: Die Qualität unserer Kleidungsstücke sinkt durch Fast Fashion rapide. Das heißt, sie landen mehr und mehr auf Müllhalden und bleiben nicht im Kreislauf. Ein beträchtlicher Teil landet im Globalen Süden auf legalen, vor allem aber auf illegalen Müllhalden. Außerdem kreieren unsere abgelegten Kleiderberge Probleme für die dortige lokale Textilindustrie. Ende August erklärte der ugandische Präsident, dass er die Einfuhr von Altkleidern verbieten werde. Bisher haben sich das nur einige Länder getraut, darunter Südafrika, Nigeria und Ruanda, einige andere wollten es auch, aber die USA hat mächtig Druck gemacht und mit Strafmaßnahmen gedroht. Ob Uganda das durchziehen wird ist ungewiss, aber es zeigt, dass die Probleme mit unserem Textilmüll gravierend geworden sind. Über das tatsächliche Ausmaß gibt es leider zu wenige valide Daten und darüber, wie viele Jobs unsere Altkleider in Ländern des globalen Südens tatsächlich kreieren und wie notwendig sie dort tatsächlich gebraucht werden, gibt es unterschiedliche Standpunkte.textile_waste_2-3 (c) susanne bartaDieser Secondhand-Männeranzug ist der Hauptdarsteller für die Fotos dieses Artikels. Ich habe ihn im Secondhandshop bei den alten Damen unter der Dreiheiligenkirche in Bozen gefunden. Mir hat die Farbe sehr gut gefallen. Es war aber so düster drin, dass ich die vielen kleinen Flecken übersah. Zuerst hab ich selbst herumgewischt mit Kernseife, das klappte ganz und gar nicht, wurde eher schlimmer, dann in die Reinigung, da gingen sie auch nicht raus. Kurzerhand steckte ich den ganzen Anzug (aus Merinowolle) in die Waschmaschine und hab ihn auf Wollprogramm gewaschen. Und siehe da, fast alle Flecken waren weg. Im ersten Bild ist die Hose gestylt mit Leder-Flip-Flops aus Griechenland, einer kleinen Korbtasche aus Portugal, Secondhand-Sonnenbrille und einem alten T-Shirt. Ich war ein großer Beatles-Fan in meiner Jugend. Im zweiten Bild mit alten College-Schuhen, braunem Gürtel (old) und Tasche aus Griechenland, vor vielen Jahren auf Kos gekauft. #narrativedressing

Die European Environment Agency führt u. a. aus: „Wie aus früheren EUA-Briefings hervorgeht, sind Textilien im Durchschnitt die viertgrößte Quelle von Umwelt- und Klimabelastungen aus Sicht des europäischen Verbrauchs. Europa steht vor großen Herausforderungen beim Umgang mit gebrauchten Textilien, einschließlich Textilabfällen. Da die Wiederverwendungs- und Recyclingkapazitäten in Europa begrenzt sind, wird ein großer Teil der in der EU gesammelten Alttextilien gehandelt und nach Afrika und Asien exportiert, und ihr Schicksal ist höchst ungewiss. Die in der Öffentlichkeit verbreitete Vorstellung von Altkleiderspenden als großzügigen Geschenken für Menschen in Not entspricht nicht ganz der Realität.“ 

Nach Angaben der Europäischen Umweltagentur haben sich die Exporte aus der EU zwischen 2000 und 2019 verdreifacht und erreichen fast 1,7 Millionen Tonnen pro Jahr. Fast die Hälfte davon landete in Afrika. „Gleichzeitig haben sich die Qualität und der Wert der ins Ausland verschickten Kleidung verschlechtert, was den Secondhand-Handel zu einem stellvertretenden Abfallentsorgungssystem macht“, heißt es da. Verschärft wird die Situation in Afrika auch durch Importe billigster asiatischer Kleidung aus Kunstfaser. textile_waste_4-5 (c) susanne bartaHier mit einem Männerhemd, das ich auf einer Swap-Party fand, Secondhand-Schuhen, vor vielen Jahren bei Wams/Innsbruck erworben, Leo-Clutch (very old) und Sonnenbrille von Amaury x Homecore.

Ein gutes Zitat habe ich in einem Artikel von BoF gefunden: „Es ist klar, dass der Handel mit Secondhand-Kleidung kaputt ist, weil der Handel mit Kleidung aus erster Hand kaputt ist“, sagte Liz Ricketts von der Or Foundation dort. „Wenn wir minderwertige Kleidung in das System einführen, dann kommt auch minderwertige Kleidung aus dem System heraus.“

Da sind auch wir Bürger*innen/Konsument*innen gefragt: Auf Qualität zu setzen bei unserem Kleiderkauf, weniger, aber besser zu kaufen, vor allem auf Secondhand zu setzen, Kleidungsstücke so lange als möglich im Kreislauf zu halten und wenn wir sie nicht mehr anziehen möchten, verantwortungsvoll weiterzugeben und zu entsorgen. Ich kann das noch nicht verifizieren, aber vielleicht ist es in Bozen besser – wenn gar nichts mehr geht –, das Stück in den Hausmüll zu geben? Bozen hat eine der modernsten Fernwärme-Anlagen Europas. Und da wird es wenigsten verbrannt und generiert neue Energie, als irgendwo auf einer Müllhalde in einem Land zu landen, das mit unserem Abfall ganz und gar nichts zu tun hat.textile_waste_6-7 (c) susanne bartaAnzugjacke zu Rock, der ehemals ein Vintage-Kleid war, Langarm-T-Shirt aus Biobaumwolle von Merz b. Schwanen (gibt’s bei Sublime) und Ferragamo-Ballerinas, ausgesucht bei Best Second Hand Riffian für die Teilnahme an Modenschau. Nochmal anders: mit Secondhand-Bluse, Sneakers und Rosen-Brosche (war mal eine Haarklammer, die kaputt ging, kurzerhand zur Brosche umfunktioniert), Tasche aus Griechenland.

Ein gutes Video zum Thema hat die Bozner Green Creatorin Elisa Nicoli vor einiger Zeit auf Instagram veröffentlich, schaut da mal rein. Elisa hat übrigens eben ihr neues Buch „Ecominimalismo“ veröffentlicht. Dazu gibt’s nächste Woche auch einen eigenen Blog-Artikel.

Die Südtiroler Caritas hat vor kurzem zwei Online-Infoabende veranstaltet über den Weg der Gebrauchtkleider aus Südtirol. Ich habe mich zu einem angemeldet, aber leider den falschen Link zugeschickt bekommen. Ich hätte einige Fragen gehabt. Einiges an Info findet sich bereits auf der Website der Caritas, ich habe aber schon geplant Interviews direkt mit einigen Verantwortlichen zu führen. Hier geht’s zum ersten Video und hier zum zweiten. Es sind Werbe-Info-Videos, aber soweit ich das bisher beurteilen kann, gibt sich die Caritas große Mühe, die Altkleiderverwertung so gut und so transparent als möglich umzusetzen. textile_waste_8-9 (c) susanne bartaAnzug mit Secondhand-Hemd und Secondhand-Kurzarm-Wollpullover (bei Kleopatra Event mit Karin getauscht) und Ballerinas wie zuvor. Zweiter Look: mit Secondhand-Leo-Bluse, in Porto gefunden vor einigen Jahren, Collegeschuhe.

Noch einmal zurück zum Anfang: Kleidungsstücke so lange als möglich zu tragen ist wichtig, sie so gut als möglich zu entsorgen, ebenso. Neben der massiven, strukturell bedingten Überproduktion von Textilien sind aber auch wir Konsument*innen Teil des Problems. Das heißt: Unser Umgang mit Kleidung muss sich verändern. 

Weiter Infos findet ihr zum Beispiel über die Or Foundation, sie unterstützt auch die Initiative „Stop Waste Colonialism“.

Fotos: (1) © Earth.Org; alle anderen Fotos © Susanne Barta.

>> Supported by CORA happywear (M), Kauri Store (M), Oberalp Group (XL), Oscalito (L) und meiner Freundin Kristin << 

Wenn ihr diesen Blog auch unterstützen möchtet, gibt‘s hier alle Infos.

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