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November 20, 2024
Shopping like a billionaire?
Susanne Barta
Als ich die Temu-Werbung „Shop Like a Billionaire“ das erste Mal kurz vor den ARD-Hauptnachrichten sah, konnte ich es kaum glauben. Zur Klärung: Temu und Shein sind chinesiche Ultra-Fast-Fashion-Online-Plattformen, die den westlichen Markt fluten, als gäbe es kein morgen. Mit Billigstware, die zum Teil gefährliche Inhaltsstoffe enthält. Siehe zum Beispiel hier. Das Zynische daran: Wenn diese Unternehmen so weitermachen und so weiterwachsen, gibt es effektiv ein sehr unschönes Morgen. Die Temu-Werbung lief in europäischen Sendern heuer während der Fussball-EM. „Die Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland ist nicht nur ein sportliches Großereignis, sondern auch eine bedeutende Plattform für Werbetreibende. Die diesjährigen Hauptsponsoren sind stark von chinesischen Unternehmen dominiert, die die Europameisterschaft nutzen, um in Europa an Bekanntheit und ,Trust’ zu gewinnen“, lese ich bei meinen Recherchen.Da Secondhand eine sehr gute Möglichkeit ist, gute Stücke für relativ wenig Geld zu kaufen – klar, man muss sich ein wenig auf die Suche machen – habe ich für die Fotostrecke einige Secondhand-Teile herausgesucht, die vielseitig stylebar sind. Im Sinne von: Find great pieces and let them work hard.
An eye-catching blouse
Diese blaue Bluse habe ich für 10 Euro beim Atelier del RiUso gefunden. Sie lässt sich casual wie hier mit Jeans oder elegant oder irgendwas dazwischen stylen. Auffällige Blusen machen jeden Look sofort zu etwas Besonderem.
Möglich sind die ungeheuerlichen Schleuderpreise der Ultra-Fast-Fashion-Anbieter nur, weil soziale und ökologische Standards keinerlei Rolle spielen. Kenneth Pucker schreibt auf BoF: „Fabriken, die faire Löhne zahlen, exzessive Überstunden begrenzen, Mindestsicherheitsstandards einhalten und in Technologien zur Dekarbonisierung investieren, sind teurer als Sweatshops, die soziale und ökologische Kosten ignorieren.“
Ist es möglich, dass Konsument*innen so leicht zu kriegen sind, weil sie ein bisschen „reich“ spielen dürfen? Indem sie sich säckeweise Billigst-Klamotten kaufen? Und so am vermeintlichen Traum teilnehmen können? Es funktioniert offensichtlich. Leider. Denn Temu, Shein und Konsorten wachsen. Die einzigen, die dabei gewinnen, sind die Ultra-Fast Fashion-Unternehmen selbst. „Temu verzeichnete ein schnelles Wachstum: Im April wurden 75 Millionen Nutzer in der EU registriert, im September waren es bereits 92 Millionen“, berichtete der Guardian Ende Oktober. Im Sommer hat Öko-Test verschiedene Produkte von Shein geprüft. Der Großteil fiel durch. „Acht von 21 getesteten Produkten enthielten etwa Rückstände von giftigen Chemikalien. Dabei handelte es sich vor allem um Kleidung für Kinder und Jugendliche.“Suit Yourself
Beide Anzüge sind Männer-Anzüge und besonders schön geschneidert. Der blaue ist aus reiner Wolle und hat 30 Euro gekostet. Hier einmal mit Gürtel getragen, die Ferragamo-Ballerinas sind secondhand. Für den Smoking hab ich um die 60 Euro gezahlt, er ist etwas weniger im Einsatz, aber gerade in der Weihnachtszeit hole ich ihn immer wieder heraus. Dazu eine durchsichtige, alte Spitzenbluse (hatte sie schon einige Male auf dem Weggeb-Stapel) und Escada-Slingbacks, die mir eine Bekannte gegeben hat. Jacke und Hose können immer auch getrennt getragen werden, das ist das schöne bei Anzügen, da ergeben sich gleich viel mehr Outfit-Möglichkeiten.
Immerhin: Die Kritik an Qualität, Herkunft und Produktion dieser Waren nimmt zu. Denn zudem besteht auch der Verdacht, dass Steuern und Zölle umgangen werden. Die Nachricht, dass ein Verfahren gegen Temu eröffnet wurde, ging vor kurzem durch die Medien, hier zum Beispiel Zeit online: „Die Europäische Kommission nimmt den chinesischen Online-Marktplatz Temu wegen möglicher Verstöße gegen EU-Recht unter die Lupe. Die Brüsseler Behörde leitete dazu ein formales Verfahren ein. Sie prüft laut einer Mitteilung etwa, ob die Plattform genug gegen den Verkauf illegaler Produkte unternehme. Außerdem solle die potenziell süchtig machende Gestaltung des Dienstes untersucht werden.“
Hoppla. Die App macht also auch süchtig? „Bis zu 97 Prozent Rabatt werden auf Kleidung, Spiele, Schminksachen und Co. gegeben, bei glücksspielähnlichen Minispielen kann man weitere Rabatte gewinnen. Der Spieltrieb beim Kunden ist geweckt und junge Kund*innen springen besonders schnell darauf an.“
Chinas Einfallstor in Europa ist Ungarn. Das Land pumpt, so Capital.de, Milliarden in die Wirtschaft Ungarns. Gegen die Tricks der Ultra-Fast-Fashion-Anbieter ist schwer anzukommen. Jedes Schlupfloch wird genutzt. Und derer gibt es viele. Vor allem ist im Fashion-Bereich sehr vieles noch überhaupt nicht geregelt. Die EU will zwar mithilfe der EU-Digital-Gesetze gegen Regelverstöße hart durchgreifen. „Aber bis es möglicherweise zu hohen Strafzahlungen kommt, ist noch ein langer Weg“, sagt zum Beispiel Kathrin Schmid, ARD-Korrespondentin in Brüssel. (hier nachzulesen).Hot Shoes
Diese Pumps von Vigernon Paris habe ich für 3,90 Euro gekauft, ein Secondhand-Schnäppchen. Schauen gut aus zur Jeans oder zu Kleid, Rock oder Hose. Die kragenlose Jacke im Chanel-Stil ist aus Wolle und hat 15 Euro gekostet.
Was tun? Am besten diese Produkte erst gar nicht kaufen, die App nicht herunterladen. Denn am Ende kann es auch teuer werden. Weil viel zu viel bestellt wird und die Ware immer wieder nicht oder beschädigt ankommt. Zurückschicken funktioniert, so Verbraucherschützer, offenbar nicht. Außerdem ist die Qualität meist so schlecht ist, dass die Stücke nicht lange halten. Und wie gesagt, nicht selten sind gesundheitsschädliche Inhaltsstoffe in den Produkten. Das kostet alles in allem mehr, als etwas Gutes zu kaufen. Und das ist erst eine Seite der Medaille. Die sozialen und ökologischen Kosten von Ultra Fast Fashion sind hier noch gar nicht aufgelistet.
Ich will keine Spielverderberin sein, aber es gibt Dinge, die gehen meiner Meinung nach einfach nicht. Und Ultra Fast Fashion zu kaufen gehört dazu. Es gibt so viele Möglichkeiten, sich gut und individuell und zeitgemäß zu kleiden. Ich wiederhole es hier ja geradezu gebetsmühlenartig: make secondhand your first choice. Und wenn neu, bei Brands kaufen, die besser produzieren. Auch für preissensible Kund*innen gibt es viele Möglichkeiten. Allerdings braucht es da ein wenig Initiative und Einsatz und natürlich den Willen, sein Geld nicht rein profitgesteuerten und in jeder Hinsicht rücksichtslosen Unternehmen zu geben. Wie seht ihr das? Habt ihr schon mal bei Temu und/oder Shein was bestellt? Welche Erfahrungen habt ihr gemacht?
Alle Fotos © Susanne Barta
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