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October 4, 2023

Gel Zun – ein Label ohne Kompromisse

Susanne Barta

„Gel Zun“ heißt „gelbe Sonne“ auf jiddisch. Gelbe Sonne ist das Bild, das der Schwester von Lea Lausch einfällt, wenn sie an sie denkt. Und Gel Zun ist ein kleines, feines, in allen Facetten nachhaltiges Label, das Lea vor drei Jahren in Bozen gegründet hat. Ich treffe sie in ihrer Nähwerkstatt im ausgebauten Dachboden in einem sympathischen alten Haus in Gries. Lea ist 31, hat vor sieben Jahren begonnen zu nähen und bietet neben ihren eigenen Entwürfen auch Maßanfertigungen und Änderungsarbeiten an. Dass Lea Autodidaktin ist, sich alles selbst beigebracht hat, sieht man ihren Stücken in keiner Weise an. Mutig hat sie sich in diesen Jahren auf immer neue Aufträge und Herausforderungen eingelassen und Schritt für Schritt ihre Fertigkeiten erweitert. Und wer Lea ein wenig kennenlernt, versteht schnell, dass sie sich nicht zufriedengibt, bis das jeweilige Stück nicht perfekt ist.gel_zun_2+3 (c) lea lauschLea, wie bist du zur Mode gekommen?

Ich hätte mir nie gedacht, dass ich einmal etwas mit Mode mache. Nach dem klassischen Gymnasium und einigen Monaten Philosophie-Studium habe ich gemerkt, wie sehr mir das Praktische fehlt. Also suchte ich nach etwas anderem. Und fand mich wieder im Erziehungsbereich, die letzten sechs Jahre als Montessori-Begleiterin. Mit dem Nähen habe ich parallel dazu angefangen. Ich bin mit nachhaltigem Denken aufgewachsen, in dieser Zeit jedoch begann ich viel darüber nachzudenken, woher ich meine Kleider bekomme. Wie jede brauche ich immer wieder einmal etwas Neues, wollte es aber nicht neu kaufen. Secondhand geht natürlich gut, aber manchmal sollte es auch etwas Besonderes sein. Und so begann ich, meine Kleidungsstücke selbst zu schneidern. Ich erinnere mich noch gut: Ich habe den Stoff auf den Boden gelegt und los ging es mit der Schere. Ohne Schnitt und Vorlage. Bald haben auch andere gefragt, etwas für sie zu machen, und nach einiger Zeit ging sich das nebenher nicht mehr aus.gel_zun_4 (c) lea lauschHast du dir auch Videos angeschaut oder Tutorials, wie man schneidert und näht?

Überhaupt nicht. Einige alte Nähbücher habe ich später ab und zu durchgeblättert, als die Herausforderungen größer wurden. Aber ich habe gemerkt, es geht am besten, wenn man Fehler macht und aus ihnen lernt.

Du hast dein Label „Gel Zun“ dann während der Pandemie gegründet …

Ich habe begonnen, Stoffmasken zu nähen, und brauchte dazu eine Steuerposition. Das war der Moment, wo ich es gewagt habe, mich selbstständig zu machen.

Wie arbeitest du?

Wenn es nicht nachhaltig wäre, würde ich nicht Mode machen. Ich möchte eine Alternative bieten und arbeite mit dem, was schon da ist. Meine Stoff-Quellen sind verschiedene. In der Zwischenzeit wissen schon viele, dass ich Stoffe sammle. Ich suche auch über Anzeigen. Vor drei Jahren unternahm ich eine Stoffreise durch Italien und bin von Fabrik zu Fabrik gefahren um nach Resten zu suchen. Manches kam wirklich aus dem Sack, der für den Müll bestimmt war.gel_zun_5+6 (c) lea lauschHast du einen bestimmten Stil?

Vieles ergibt sich aus dem, was der Stoff ermöglicht. Oft bekomme ich auch nur sehr kleine Stücke. Jedes Mal heißt es also sich neu auf den Stoff einzulassen. Die Stücke sind schon recht unterschiedlich, aber doch schlicht und essenziell, Tragbarkeit ist mir sehr wichtig. Fast alles sind Einzelstücke.

Du arbeitest sehr zurückgezogen, wie finden dich deine Kund*innen?

In der Zwischenzeit hat sich herumgesprochen, was ich mache. Und ich habe neben meinen Eigenkreationen, verschiedenste andere Aufträge. Gerade arbeite ich an einem Hochzeitskleid. Immer wieder dachte ich mir, das klappt nie, aber da war dann auch die andere innere Stimme, die mir sagte, ich müsse durchhalten und Geduld haben. gel_zun_7 (c) lea lauschUnd hatte diese Stimme dann recht? Wie läuft es für dich?

Es läuft immer besser. Aber es ist viel Arbeit. Upcycling ist ein zeitintensiver Prozess. Ich muss zunächst den Stoff finden, ihn holen, manchmal auch von weiter weg, waschen, bügeln oder alte Stücke auftrennen und waschen. Es ist viel Arbeit im Hintergrund, die man nicht sieht. Erst dann kommt die Schneiderarbeit. Dabei versuche ich sehr konsequent zu sein. Ich behalte zum Beispiel die Fäden beim Auftrennen auf und verwende sie dann noch zum Heften.

Nachhaltigkeit ist für dich also ein Rundum-Projekt?

Ja, nachhaltig zu leben ist mir wichtig. Ich habe kein Auto, bisher auch keinen Führerschein. Obwohl ich versuche so wenig Müll als möglich zu produzieren, fällt beim Kleider machen, immer einiges an. Zum Glück ist mir da etwas eingefallen. Ich stelle Sitzkissen her, da kommt alles hinein. Man braucht also nur Ideen. Ich mache zum Beispiel auch aus dem Kupfer von Elektrokabeln Schmuck. Es geht für mich darum, immer nach dem bestmöglichen momentanen Weg zu suchen. Und ich merke, da kann man immer dazulernen. gel_zun_8+9 (c) lea lauschWas stört dich an der Modeindustrie am meisten?

Der Überfluss. Wenn Leute bei mir etwas kaufen, schaue ich sehr darauf, dass das Stück genau passt. Es soll nicht einfach ein Konsumieren von irgendetwas sein, sondern wirklich ein perfektes Stück. Alle meine Sachen haben eine Geschichte, die ich versuche soweit als möglich festzuhalten. Wenn man weiß, woher der Stoff kommt, bekommt man einen anderen Bezug dazu, und weiß das Stück vielleicht auch mehr zu schätzen. Unserer Kleidung Wertschätzung zurückzugeben ist mir wichtig, aber auch den Konsum zu reduzieren. Mit dem Widerspruch, dass ich selbst ja produziere, tue ich mich noch etwas schwer, da habe ich noch nicht die passende Antwort für mich gefunden.

Wo soll es hingehen mit Gel Zun?

Ich habe keine konkreten Pläne, aber wichtig ist mir, dass ich von dieser Arbeit leben kann. An diesem Traum möchte ich festhalten. Noch geht es nicht ganz. Wenn das klappt, passt es. Alle anderen Ziele liegen in der Arbeit selbst: Neugierig bleiben, Neues ausprobieren und Neues lernen.gel_zun_10 (c) lea lauschLeas Kleidungsstücke findet ihr in ihrer Nähwerkstatt – Rottenbuchweg 11 in Bozen –, Termine gibt’s auf Vereinbarung. Sie ist mit Gel Zun auch immer wieder auf Märkten präsent, zuletzt auf der Ecotex in Brixen. An ihrem Online-Shop arbeitet sie noch. Schaut auch rein auf die Socials, Instagram und Facebook.gel_zun_11 (c) lea lauschFotos: (5, 6) auf der Ecotex September 2023 in Brixen © Susanne Barta; alle anderen © Lea Lausch/Gel Zun.

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