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September 6, 2023
Mode als tiefster Ausdruck ihrer selbst – Alejandra Deaza Silva
Susanne Barta
Alejandra Deaza Silva hat sich ihren Lebenstraum erfüllt. Endlich macht sie das, was sie immer machen wollte: eigenständig Mode entwerfen und nähen. Und das so verantwortungsvoll wie möglich. „Schon als kleines Mädchen habe ich meiner Großmutter bei ihrer Arbeit zugeschaut. Sie war Schneiderin und hatte eine für diese Zeit sehr gute Nähmaschine. Ich habe zunächst gelernt, alles, was sie nähte, ohne Nähmaschine per Hand zu machen. Sie hat Kleidungsstücke für Erwachsene genäht, ich für meine Puppen“, erzählt sie.
Ich treffe Alejandra in ihrem Atelier in der St.-Johann-Gasse in Bozen. Erst vor kurzem ist sie eingezogen und gerade dabei, alles entsprechend ihren Bedürfnissen herzurichten. Alejandra kommt aus Kolumbien und lebt seit 1999 in Südtirol. In Bogota hat sie begonnen Design zu studieren, unterbrach ihr Studium jedoch, um ein Jahr lang als Freiwillige in Südamerika in einer Umweltorganisation zu arbeiten. „Dort wurde ich direkt mit den katastrophalen Auswirkungen konfrontiert, die multinationale Lebensmittelunternehmen verursacht haben“, erzählt sie.
Private Gründe haben sie den Entschluss fassen lassen, nach Südtirol zu übersiedeln. Angekommen in Bozen – hat sich Alejandra umgesehen, wo sie im (Mode-)Design-Bereich weiterstudieren und anknüpfen könnte. Mit einiger Ernüchterung musste sie feststellen: „Ich habe zunächst nicht gefunden, was ich gesucht habe, es schien mir alles sehr oberflächlich zu sein. Ein Kleidungsstück ist für mich nicht nur ein Kleidungsstück. Da steht viel mehr dahinter.“ Schlussendlich hat sie an der Fakultät für Design und Künste in Bozen studiert und sich im Schneiderhandwerk weitergebildet.Nachhaltigkeit ist für Alejandra kein Add-on zu dem, was sie sonst tut, sondern gelebte Praxis. Alles wird bei ihr verarbeitet, nichts weggeworfen. Sie verwendet Deadstock, Reststoffe, das, was sie findet und geschenkt bekommt, auch recycelte Stoffe. Sie arbeitet vor allem mit natürlichen Materialien, wenn möglich zertifiziert. „Ich möchte aus Resten etwas Sympathisches machen“, sagt sie lächelnd. Schon vor elf Jahren entwarf sie eine erste Upcycling Collection aus alten Stoffen und Kleidungsstücken, damals hat sie das noch nebenher gemacht. Alejandra arbeitete für das Theater, Kino, verschiedene Unternehmen wie Salewa und Oberrauch Zitt. Und hat dabei Schritt für Schritt daraufhin gearbeitet, sich auf ihre eigene Marke konzentrieren zu können. „Jetzt ist der Zeitpunkt da, wo ich alles das, was ich gelernt habe, umsetzen möchte, meine Vision, was Mode sein kann“, sagt sie entschlossen. „Die Kollektionen, die ich kreieren möchte, sind entkoppelt von Saisonen und Jahreszeiten, ich folge keinen Trends. Die Stücke müssen sowohl vom Material als auch vom Design her langlebig und wandelbar sein.“ Und das geht bei ihr so: Alejandra entwirft Prototypen, die dann in limitierter Stückzahl und auf Maß angefertigt werden. „Wir haben schon mehr als genug Sachen, Überproduktion ist heute ein großes Problem. Wenn wir uns also etwas Neues kaufen, soll es auch etwas Besonderes sein“, sagt sie. Im Herbst geht’s los mit der ersten Kollektion. Ihr Zugang zu nachhaltiger (Lebens-) Praxis sei bereits früh in Kolumbien geprägt worden, erzählt Alejandra. „Wir haben keine Jahreszeiten, unser Kleiderschrank ist auf das ganze Jahr ausgerichtet, von 8 bis 30 Grad müssen die Kleidungsstücke alles abdecken. Da überlegt man sich genau, was man sich anschafft. Man kauft sich nichts für kurze Zeit.“ Aber wirklich verändert habe sich ihr Lebensstil, als sie damals in Südamerika mit eigenen Augen gesehen habe, welche sozialen und ökologischen Folgen ausbeuterische Unternehmen verursachen. Alejandra wurde Vegetarierin, seit einigen Jahren lebt sie vegan. Heute ist es ihr wichtig, verantwortungsvolles Leben und Handeln auch an ihre beiden Töchter weiterzugeben.Zuletzt hat sich Alejandra vor allem auf elegante Kleidungsstücke konzentriert, aus Materialien, „die Mensch und Umwelt respektieren“. Sie weiß, woher ihre Reststoffe kommen und ob es auch wirklich Reste sind. „Ich möchte meine Perspektive auf Mode möglichst vielen Menschen näherbringen und zeigen, dass es bessere Wege gibt zu produzieren und sich zu kleiden. „Ich lege meine ganze Persönlichkeit in meine Kleidungsstücke“, sagt sie, „Nachhaltigkeit ist für mich ein Gesamtprozess, alles ist da wichtig: der Entwurf, die verwendeten Materialien, Packaging, auch mitzudenken, was mit den Stücken passiert, wenn sie nicht mehr getragen werden. Aber vor allem ist die Kundin wichtig, die das Stück tragen wird.“ Nur nachhaltige Materialien zu verwenden reiche nicht, ergänzt sie. Alejandra möchte ihre Marke authentisch aufbauen, aus ihrem Lebensbereich heraus, mit ihren Werten und Idealen. „Nicht alle verstehen die viele Arbeit, die hinter einem Kleidungsstück steckt“. Fast Fashion habe falsche Erwartungen geweckt, kaum jemand mehr möchte den realen Preis für ein Stück bezahlen.
Ihre größte Inspiration sei die Natur, erzählt sie, ihre Formen, Farben, Muster und Details. „Natur ist immer im Wandel, das möchte ich auch für meine Kleidungsstücke.“ Das, was wir tragen, sage viel darüber aus, wer wir sind, worauf wir Wert legen. „Heute ist alles so schnelllebig, da bleibt wenig Zeit, sich darüber wirklich Gedanken zu machen. Ich hoffe, dass möglichst viele verstehen, dass wir hier wieder einige Schritte zurückgehen müssen, auch für uns selbst.“ Denn auch mit weniger Dingen könne man sehr glücklich sein, findet sie. Ihr findet Alejandra Deaza Silva in der St.-Johann-Gasse 3 in Bozen; Termine gibt’s auf Anfrage. Neben ihren eigenen Entwürfen und limitierten Editionen macht Alejandra auch Maßanfertigungen. Außerdem bietet sie Upcycling-Workshops an. Hier findet ihr noch einige Infos zu ihrer Arbeit, schaut auch mal rein auf ihr Instagram. Und am 21. Oktober 2023 eröffnet Alejandra ihr Atelier offiziell unter dem Motto: „La rinascita dei sogni“.
Und noch zwei Veranstaltungshinweise:
Am 9. September findet in Brixen die vierte Ausgabe der Ecotex statt, Südtirols faire und nachhaltige Textilmesse. Da ist wieder richtig viel los. Wir sind mit Fashion for Future dabei und bieten einen Siebdruck-Workshop an. Bring zwischen 12 und 16 Uhr dein T-Shirt, deine Tasche oder was auch immer du upcyceln möchtest, mit und bedruck es mit dem Fashion-For-Future-Emblem. Alle Infos zur Ecotex gibt’s hier. Auch Alejandra Deaza Silva ist eine der Ausstellerinnen.Und: BZ Heartbeat ruft verheiratete Paare auf sich in ihren Hochzeits-Outfits an einem „Hochzeitslauf“ für den Verein Kinderherz zu beteiligen. Am Samstag, 7. Oktober um 10 Uhr am Waltherplatz in Bozen, Anmeldungen bis 15. September. Und wer möchte, kann das Hochzeitskleid danach dem Secondhand-Shop Kleopatra überlassen – die Kleider können dann gegen eine freiwillige Spende dort erworben werden. Auch diese Spenden kommen „Kinderherz“ zugute. Alle weiteren Infos dazu findet ihr hier.
Fotos: (1, 5, 6) © Alejandra Deaza Silva; 2, 3, 4, 7, 8 © Marco di Liello; (9) © Luca Meneghel
>> Supported by CORA happywear (M), Kauri Store (M), Oberalp Group (XL), Oscalito (L) und meiner Freundin Kristin <<
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