Fashion + Design > Fashion

June 14, 2023

Maren Krings – Auf den Hanf gekommen

Susanne Barta

Maren Krings hat ein Buch über Hanf geschrieben. Und war dazu in 26 Ländern auf 4 Kontinenten unterwegs. „H is for Hemp“ hat über 600 Seiten, wurde auf Hanf-Papier gedruckt, ­und Maren hat darin den Hanf und seine Geschichte aus allen möglichen Perspektiven beleuchtet. Das Buch ist DAS Referenzwerk, wenn es um einen umfassenden Blick auf diese unglaublich vielseitige Pflanze geht. Ein Kapitel – „T is for Textile“ – ist den textilen Qualitäten und Möglichkeiten des Hanfs gewidmet. Impressionen von dem Road Trip von der Hafenstadt Algeciras nach Tanger und von dort nach Merzouga in die marokkesische SaharaDer Nutzhanf ist eine jahrtausendealte Kulturpflanze, er braucht relativ wenig Wasser, wächst schnell, wächst vor allem ohne Einsatz von Pestiziden, reinigt die Luft und kann noch einiges mehr. Schon die Römer haben mit Hanf gebaut, in China wurde bereits vor 10.000 Jahren Hanfpapier verwendet und wenn wir näher ans Heute herankommen, in Italien war der Hanf bis Anfang des letzten Jahrhunderts bei Bekleidung die bevorzugte Faser.

Maren ist (in der Zwischenzeit) nicht nur internationale Hanf-Expertin, sondern auch Fotografin, Künstlerin und Autorin. Ich habe sie vor einiger Zeit als Gesprächspartnerin zu meiner Radiosendung „Forum Zukunft“ eingeladen – gemeinsam mit Valentine Troi und Werner Schönthaler. Hier geht’s zum Podcast. Maren blieb einige Tage in Südtirol und da ging es sich auch noch aus, ein Gespräch für diesen Blog zu führen.Hemp ChinaMaren, Bekleidung aus Hanf war in Europa früher nicht nur beliebt, sondern auch üblich. Heute ist der Hanf weitgehend verschwunden in der Textilindustrie. Was ist da passiert?

Hanf ist eine unglaublich facettenreiche Pflanze. Vor allem als Textilie war er sehr wichtig. Er war die erste Kulturpflanze des Menschen. Gerade im Alpenraum hat der Hanf eine spannende Geschichte. Es gab Täler, da wurde eher Flachs angebaut, in anderen Tälern eher Hanf. Hanf wurde vor allem für die Werktagskleidung verwendet, da er die stärkste Pflanzenfaser ist. Meist als Mischgewebe mit Flachs, da der Hanf alleine als Stoff eher schwer und sperrig war. Diese Kombination nannte man Leinen. Hanf hat viel Wissen gebraucht. Ihn zu ernten und zu verarbeiten ist nicht so einfach und auch aufwendig. Dadurch, dass der Hanf irgendwann nicht mehr en vogue war, ist der Textilindustrie viel von diesem Wissen verloren gegangen. Durch das THC, den psychoaktiven Wirkstoff, wurde die Pflanze stigmatisiert und nicht mehr angebaut. Nach der industriellen Revolution übernahm die Baumwolle, sie war einfach zu spinnen und zu verarbeiten. Das wirkliche Verschwinden des Hanfs hängt meiner Meinung aber vor allem mit der Erfindung der „Cotton Jenny“ zusammen, einer Spinnmaschine, die die Verarbeitung der Baumwolle sehr erleichtert hat. 

Die Baumwolle hat also „gesiegt“?

Genau. Was man aber damals nicht so genau auf dem Radar hatte, war, dass die Baumwolle vor allem dort wächst, wo meist schon ein Wettbewerb um Wasser besteht. Das war damals noch nicht so Thema, heute aber schon. Sie wächst zum Teil in den trockensten Gebieten unserer Erde. Auch braucht Baumwolle ein Vielfaches an Pestiziden als andere Pflanzen. Also: viel Wasser und generell viele Pflanzenschutzmittel. Das braucht der Hanf alles nicht. Und er ist ein Tiefwurzler im Gegensatz zur Baumwolle, kann also auch Grundwasser hochziehen. Auf lange Sicht hat die Baumwolle viele negative ökologische Folgen mitgebracht. Maren Krings Hanf Hemp 4+5 (c) maren kringsDer Hanf ist also in Europa mehr oder weniger verschwunden…

Wie gesagt, das Problem war das THC. Geblieben ist das Wissen vor allem in Rumänien. Unter dem kommunistischen Regime unter Nicolae Ceaușescu gab es noch viele Hanffabriken, sie heißen Hanfschwingen. Aber diese Hanfproduktion war nach dem Fall des Diktators offensichtlich eine Konkurrenz für die italienische Textilproduktion. Da hat sich, so erzählt man sich, die italienische Textilmafia eingekauft, um sie außer Gefecht zu setzen. Damit war das Wissen mehr oder weniger dahin.

Die Textilindustrie sucht ja händeringend nach Materialien, die die Industrie nachhaltiger machen können. Ist Hanf da eine der Schlüsselpflanzen?

Definitiv. Wenig Wasser, keine Chemie für den Anbau, wenig Düngemittel: genial. Und er verbessert auch noch die Bodenqualität. Das könnte schon ein Schlüssel sein, für das Dilemma, in dem wir stecken. Natürlich muss man schauen, den Hanf in den richtigen Regionen anzubauen, wo er gute Chancen hat groß zu werden. Wir müssen auch die richtigen Hanf-Sorten anbauen. Für die verschiedenen Nutzungen gibt es unterschiedliche Sorten. Und wir dürfen Hanf nicht mit Baumwolle gleichsetzen. Er braucht seine ganz eigene Produktion und das entsprechende Know-how. China hat sich hier viel Wissen aufgebaut, ebenso die Türkei. Greenland company in Shanxi Province, where yarn is spun and fabric is wovenChina ist ja der größte Hanf-Produzent …

Auch einige lokale Unternehmen haben sich bemüht Hanf anzubauen. Zum Beispiel Salewa. Aber sie können nie diese Mengen und diese Qualität bieten, um ihre Kollektionen damit auszustatten. China ist und bleibt wohl vorerst der größte Produzent, auch was die Hochwertigkeit der Hanfgarne und Stoffe betrifft. In China wurde der Hanf nie komplett verbannt. Auch hat das chinesische Militär vor einigen Jahrzehnten herausgefunden, dass die Hanffaser antiseptisch ist und das ist natürlich sehr wichtig gewesen für das Militär. Die meisten Soldaten sterben ja nicht an den Schusswunden, sondern an den Folgen. Die Wunden entzünden sich leicht bei Kunststoffasern. Und so hat sich die Hanf-Produktion in China etabliert und wird mit viel Forschungseinsatz kontinuierlich weiterentwickelt.

Wie bist du auf den Hanf gekommen?

Die Pflanze hat mich gefunden und langsam aber fest umgarnt. Je mehr ich recherchiere, je weniger kann ich mir meinen zukünftigen Weg durchs Leben ohne diese Pflanze vorstellen.

Kann Hanf ein großer Player werden?

Auf jeden Fall. Dadurch, dass er vielseitig genutzt werden kann, bringt er auch so etwas wie eine Ökonomie mit sich. Wir suchen immer nach schnellen Lösungen, obwohl wir wissen, dass es Zeit braucht, sich gut aufzustellen und gute Qualität zu liefern. Und diese Zeit werden wir auch dem Hanf geben müssen. Denn mit dem Wissen sind wir heute noch ziemlich am Anfang. Wir müssen die Komplexität der Pflanze begreifen und uns langsam weiterarbeiten. Auch braucht es noch viel Aufklärung um die Akzeptanz für die Pflanze zu erhöhen. Und Zeit, eine Industrie aufzubauen, altes Wissen auszugraben, zu reintegrieren, anzupassen an heute und dabei auch finanzielle Anreize zu schaffen. Hemp ChinaMaren hat mir auch einen Link geschickt, wo ihr Brands kennenlernen könnt, die sich mit Hemp Fashion beschäftigen. Ich selbst habe Kleidung aus Hanf durch das Südtiroler Label The Bad Seeds Company kennen- und schätzen gelernt. Ich kann bestätigen, dass die Teile sehr angenehm zu tragen, dabei atmungsaktiv, wärmeregulierend und unkompliziert zu pflegen sind.Maren Krings Hanf Hemp 8+9 (c) susanne bartaFotos: (1) © Mel Pretsch für Maren Krings Photography; (2–7) © Maren Krings Photography; (8, 9) © Susanne Barta 

>> Supported by CORA happywear (M), Kauri Store (M), Oberalp Group (XL). <<

Wenn ihr diesen Blog auch unterstützen möchtet, gibt‘s hier alle Infos.

Print

Like + Share

Comments

Current day month ye@r *

Discussion+

There are 2 comments for this article.

Archive > Fashion