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June 8, 2022
Brautmode Secondhand
Susanne Barta
Der Traum, in einem weißen, sehr oft überbordenden Prinzessinnen-Kleid zu heiraten, wird nach wie vor geträumt. Und natürlich auch umgesetzt. Ich werde mich hier nicht in feministischen Diskursen oder jungfräulich-reinen Kirchen-Phantasien verlieren, warum auch heute noch viele moderne Frauen den „schönsten Tag ihres Lebens“ als verkleidete Sahne-Torte mit dazu passender Frisur begehen möchten.
Schon seit langem frage ich mich, wohin all diese Kleider nach der Hochzeit verschwinden. Die meisten wohl im Schrank. Denn ein Brautkleid ist mit vielen Emotionen und Erinnerungen verbunden. Wenn es die Gelegenheit gibt, werden sie weitergegeben in der Familie, manche lassen ihr Kleid umarbeiten, wenn das irgendwie möglich ist, einige werden auf Faschingsbällen wieder rausgezogen und immer öfter wird auch der Versuch unternommen, sie wieder in den Kreislauf zurück zu bringen und an eine Braut in spe zu verkaufen. Als ich vor einiger Zeit bei Lila Secondhand in Naturns war, gab es ein Brautkleid-Special. Da werden jedoch vor allem Kleider abgegeben, seltener welche gekauft. Bei der Hochzeit in weiß scheint die Braut auch heute vor allem auf neu zu setzen.Ich habe mich ein wenig umgehört bei Bekannten und Freundinnen und ihren Töchtern. Ich selbst bin da wenig hilfreich, da ich nicht kirchlich und auch nicht weiß geheiratet habe, dafür aber zweimal „normal“. Einmal in einem Kostüm, das zweite Mal in einem Kleid von Kochè, das ich schon hatte. Aber ich habe ein wenig recherchiert und unter anderem gelesen, dass auch standesamtliche Hochzeiten immer öfter in weißen Kleidern absolviert werden. Da mein Sohn im Juli heiratet, erlebe ich nun einiges, trotz der geographischen Entfernung, recht nahe mit. Meine Schwiegertochter ist spe ist eine überaus bewusste junge Frau, Nachhaltigkeit ist ihr sehr wichtig. Der neu gekaufte Traum in weiß aber ist fixer Bestandteil der Hochzeit. Ich bin gespannt, was mit dem wunderschönen und in seinem Umfang durchaus beachtlichen Kleid nachher passiert. In den Schrank ihres kleinen Appartements in Lissabon passt es jedenfalls nie und nimmer. Wie gesagt, ich habe mich ein wenig umgehört. Eine Bekannte hat ihr ganzes Umfeld befragt, also Brautkleid in weiß it is. „Ich bin verwundert“, schreibt sie mir, „der Traum in weiß scheint auch heute zu bestehen.“ Die meisten Kleider der Frauen mit denen sie gesprochen hat und die schon geheiratet haben, hängen noch im Schrank, nur wenige geben es weg oder lassen es umarbeiten. Einige junge Frauen finden Secondhand eine gute Möglichkeit, einige bestehen sogar darauf. Da hat sich also schon was verändert.
Eine Freundin schrieb mir: „Beide meine Hochzeitskleider habe ich noch. Das erste weiß, das zweite zartes hellgrau. Das erste war gedacht für ein einmaliges Tragen, das zweite, angekommen in der Realität, weniger fokussiert auf Einmaligkeit, als auf Dauerhaftigkeit und Alltagstauglichkeit. Schlicht und schön. Wie es heute aussieht? Na ja, die, die heiraten, wollen schon meist das ganze Programm. Die Tochter einer Freundin wollte 2020 im Mai heiraten und war mit ihrer Mutter in einem Brautsalon, bereits neun Monate vor der Hochzeit. Outcome war ein Kleid um 7.000 Euro, ein Traum. Dann kam Corona. Geheiratet hat sie dennoch, wie geplant nur standesamtlich, mit 10 anstatt mit 120 Gästen, in einem schlichten weißen Baumwollkleidchen. Das andere Kleid hängt im Schrank und hat ungetragen ausgedient. Meine Töchter stellen sich weiß vor, beiden darf es was kosten, beziehungsweise den Eltern. Vor einigen Wochen habe ich das Hochzeitsfoto der Tochter einer anderen Freundin gesehen, auch nur Standesamt, aber weiß. Tja, es bleibt bei weiß in meiner Umgebung!“ Ich habe mich auf die Suche gemacht, welche Secondhand-Angebote es in punkto Brautmode so gibt in Südtirol. Also abgesehen vom Kleiderschrank der Mama, Tante, Schwester, Cousine oder vielleicht sogar der Oma. Und da bin ich auf Braut Bazar in Klausen gestoßen. Nadia Schwingshackl ist Schneiderin, gemeinsam mit ihrer Mutter bietet sie seit 20 Jahren Brautkleider an, neue und gebrauchte. Auch eine Textilreinigung ist Teil ihres Betriebs. Am Anfang, meinte Nadia, seien die Leute noch skeptisch gewesen, mittlerweile werde ihr Angebot aber gerne in Anspruch genommen, da viele auch auf ihr Budget achten (müssen). Wenn neu bei ihr gekauft wird, können Nadias Kundinnen ihr Kleid nach der Hochzeit ein Jahr lang im Geschäft zum Verkauf anbieten.
Auch glück.ich in Olang bietet Secondhand-Brautmode an. Die Nachfrage sei da, sagt Sarah, aber Brautmode Secondhand zu verkaufen sei schwieriger als normale Secondhand-Mode. „Denn meistens wurden die Kleider perfekt an die Braut angepasst. Da muss dann schon vieles zusammenstimmen, um ein gebrauchtes Kleid zu verkaufen“. Manchmal sei auch der Preisunterschied zwischen einem gebrauchten und einem neuen Kleid nicht groß genug, deshalb greife die Braut dann doch lieber zum neuen. Jedenfalls kann man bei Sarah und Silvy gebrauchte Brautkleider finden und auch das eigene nachher in Kommission geben.
Perfect Plans in Nals hat viele Jahre Secondhand-Brautkleider angeboten. „Seit einiger Zeit leider nicht mehr“, sagt mir Katja Messner. Denn es sei geschäftlich zu aufwendig geworden. „Wir hatten sehr viele gebrauchte Brautkleider im Geschäft, konnten aber nur wenige verkaufen. Das ging sich vom Platz irgendwann nicht mehr aus.“ Auch die Preise, die sich die Bräute für ihre gebrauchten Kleider vorstellten, seien meist zu hoch. „Außerdem wollen die Bräute dann doch Perfektion und ein gebrauchtes Brautkleid kann auch mal einen kleinen Fleck haben.“ Das habe sich nicht mehr ausgezahlt. Nachhaltigkeit sei ihr sehr wichtig, sagt Katja, aber leider bei Brautmode in der Praxis sehr schwierig. Auch eine Facebook-Gruppe gibt es. Auf „Alles für die Hochzeit und Bekleidung für besondere Anlässe- Südtirol“ kann man sich austauschen und einiges sicher auch gebraucht finden.
Spätestens seit J.Lo als toughe und verliebte Wedding Plannerin filmisch sehr erfolgreich unterwegs war, boomt auch bei uns das Business. Der Perfektionsdruck und die Erwartungen scheinen so hoch zu sein, dass man/frau sich heute meist unterstützen lässt. Und die Auswahl des perfekten Hochzeitskleids gehört da natürlich dazu.
Wenn ihr mitverfolgen möchtet – und vielleicht auch einige Tipps abholen –, wie die Planung einer nachhaltigen Hochzeit so läuft, samt Kleid und allem Drum und Dran, schaut rein bei Anna Masiellos (Italienerin in Portugal) Instagram. Anna ist ein Zero-Waste-Insta-Star, die Gründerin von R-Coat und war hier auf meinem Blog schon zu Gast.
Jedenfalls: Brautkleid-Schrankleichen finde ich etwas schade. Ich würde mir vielleicht, hätte ich sowas im Schrank hängen, einige weiße Sommerblusen daraus machen lassen. Oder einen Rock. Oder ein Nachthemd. Oder versuchen, es zu verschenken. Ich kann mir vorstellen, dass das Glück bringt, aber zumindest kann man eine andere Frau für einen Tag glücklich machen.
Fotos: (1) © Maria Orlova/unsplash; (2, 3) Brautspecial bei Lila Secondhand/Naturns © Susanne Barta; (4, 5) © Nicolò Degiorgis, Susanne trägt ein bereits mehrmals getragenes Kleid von Kochè und einen Mantel von Ecoalf; (6) © Marius Muresan/unsplash; (7, 8) © Filipp Romanovski/unsplash; (9) © Kate/unsplash
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