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September 7, 2022
Südtirols faire und nachhaltige Textilmesse: ECOTEX 2022
Susanne Barta
Sie findet bereits zum dritten Mal statt: die ECOTEX, Südtirols faire und nachhaltige Textilmesse. Heuer ist die ECOTEX von Klausen nach Brixen übersiedelt, in die Trattengasse. Am 10. September zeigen Kleinproduzent*innen und Sozialgenossenschaften dort, dass Konsum auch anders gehen kann. Besser und fairer. Organisiert wird die Messe von der OEW – Organisation für Eine solidarische Welt in Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern.
Mit dabei sind u. a. Crea.S., The Bad Seeds Company, WiaNui, NanMa, Wipalla, Weltladen Brixen und Kanvarù – in etwa werden 25 Verkaufsstände vor Ort sein. Ein umfangreiches Rahmenprogramm soll der Bewusstseinsbildung dienen – es gibt einen Nähkurs, Upcycling-Workshops, eine Modenschau, Ausstellung, Kleidertauschparty und einen Parcours der Stoffe und Materialien.Dass sich unser (textiles) Konsumverhalten verändern sollte, deutlicher gesagt, muss, lässt sich zum Beispiel mit einigen Zahlen schnell auf den Punkt bringen. Auch wenn das mit Zahlen immer so eine Sache ist, wirklich verlässliche Daten gibt es wenige. Aber zumindest Näherungswerte. An die 90 Prozent der in der EU ausrangierten Kleidungsstücke landen auf Mülldeponien (meist im Globalen Süden) oder werden verbrannt, statt sie im Kreislauf zu halten. Seit 2000 hat sich die Anzahl der Kleidungskäufe verdoppelt und soll sich bis 2030 nochmals verdoppeln, rechnet Greenpeace vor. Allein in der EU werden pro Kopf jährlich fast 26 Kilogramm an Textilien gekauft, weltweit werden über 80 Milliarden Kleidungsstücke produziert. Das ist nicht nur zu viel, das ist viel zu viel.Wer sich also für mehr Nachhaltigkeit einsetzen will, kann als allererstes seinen eigenen Konsum hinterfragen. Oft gibt es nämlich schon im Alltag eine Menge Dinge, die wir besser gestalten können, um so einen Unterschied zu machen. Dazu möchte die ECOTEX anregen. Und darüber habe ich mit Julia Stofner gesprochen, sie ist bei OEW seit März 2022 für bewussten Konsum zuständig.
Julia, was hat euch dazu motiviert vor drei Jahren mit einer fairen und nachhaltigen Textilmesse zu starten?
Die Idee hinter der ECOTEX ist, unfaire Arbeitsbedingungen und ökologische Auswirkungen im Textilbereich aufzuzeigen. Dabei aber den Fokus nicht auf Negatives zu richten, sondern Kleinunternehmer*innen und Produzent*innen, die fair und nachhaltig produzieren, eine Bühne zu geben. Die ECOTEX soll jedoch nicht nur Markt sein, denn für uns als Bildungseinrichtung geht es immer auch um Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung. Im Rahmenprogramm thematisieren wir heuer u. a. ausbeuterische Handelspraktiken im Textilsektor und informieren über die Europäische Bürgerinitiative „Good Clothes, Fair Pay“. Mit der ECOTEX möchten wir auf Problematiken hinweisen, gleichzeitig aber auch Lösungen aufzeigen.Du bist bei der OEW für bewussten Konsum zuständig. Ist das Thema bei uns schon angekommen?
Nachhaltigkeit und bewusster Konsum sind als Themen da. Im Bereich Textilien tut sich einiges, es gibt neue Läden und ein größeres Angebot als noch vor einigen Jahren. Auch wenn es noch mehr leistbares Angebot braucht. Kleidertausch-Partys nehmen zu, privat oder in Schulen oder von Jugenddiensten organisiert. Die jungen Erwachsenen sind da schon recht weit und viele möchten etwas verändern, beobachte ich. Aber so richtig angekommen ist das Thema noch nicht. Es wird zwar viel darüber gesprochen, mittlerweile gibt es hier ja auch die „Sustainablity Days“, aber das Handeln fehlt noch. Vom Denken und Reden ins Handeln zu kommen, darum geht es jetzt.
Ihr setzt auf Bildung, arbeitet mit jungen Leuten …
Bewusstsein und Wille sind da, aber wie gesagt, es fehlt noch etwas an der Umsetzung. Viele Jugendliche sind offen, das ist schon ein Fortschritt.Ihr unterstützt die europäische Kampagne „Good Clothes, Fair Pay“, die einen existenzsichernden Lohn für Textilarbeiter*innen fordert …
Die Kampagne entspricht dem, was wir auch mit der ECOTEX wollen: faire und nachhaltige Arbeitsbedingungen im Textilsektor in den Fokus rücken, daran arbeiten und sie herstellen. Deswegen haben wir die Kampagne auch in unser Programm genommen. Es gibt immer noch zu viele Unternehmen der Modeindustrie, deren Produktionsbedingungen nicht passen. Um sich nicht aus der Verantwortung stehlen zu können, braucht es entsprechende Regelungen. Diese europäische Bürger*inneninitiative fordert solche Regelungen. Und sie ist auch eine Möglichkeit, selbst aktiv zu werden und sich für die Rechte der Arbeiter*innen einzusetzen. Jede*r, die*der möchte, kann vor Ort unterschreiben. Es braucht eine Million Unterschriften! Derzeit sind es knapp 22.000, das ist also noch ein langer Weg. Aber wir müssen anfangen.
Wie kleidest du dich?
Mein Konsumverhalten hat sich verändert in den letzten Jahren. Ich kaufe sehr wenig ein, weil ich dieses System nicht unterstützen möchte. Auch habe ich mich entschieden, nur Secondhand-Produkte oder Fair Trade einzukaufen. Ich lege Wert darauf, wie ich mich kleide, muss aber nicht mit jedem Modetrend mitgehen. Ich schätze einen minimalistischen Kleiderschrank, habe also nicht fünf weiße T-Shirts, sondern zwei. Die ziehe ich an, bis sie kaputt sind. Ich bin froh, dass es heute in Südtirol viel mehr Secondhand-Angebote gibt. Denn natürlich mag ich auch ein bisschen Abwechslung. Meinen Weg kann ich vielleicht so beschreiben: Erst reduzieren und dann bewusst einkaufen. Nach wir vor ist Fast Fashion auf der Überholspur, die Zeichen für eine Veränderung sind noch sehr zaghaft …
Wichtig ist, dass wir alle an einem Strang ziehen. Und die Endkonsument*innen sehen, dass es viele Möglichkeiten gibt, Kleidung nachhaltig einzukaufen, sie dann auch zu pflegen und zu reparieren. Und dass man seinen Knopf durchaus selber annähen kann. Alle diese Aspekte zeigen wir auch auf der ECOTEX und hoffen, dass für jede*n etwas dabei ist.
Die ECOTEX 2022 findet am 10. September von 9 bis 17 Uhr in Brixen in der Trattengasse statt. Hier geht’s zum Rahmenprogramm. Die faire und nachhaltige Modenschau ist um 11 Uhr, organisiert wird sie vom Netzwerk der Südtiroler Weltläden. Ich laufe heuer mit. Wenn ihr ihn noch nicht gelesen habt: Hier geht’s zu meinem Artikel über die Good Clothes, Fair Pay Kampagne.
Und bitte zwei Termine vormerken:
Von 14. bis 16. Oktober 2022 findet das Internationale Festival für textiles Handwerk, textile Kunst und Design auf Schloss Maretsch in Bozen statt.
Und vom 3. bis 6. November 2022 ist GREENSTYLE wieder zu Gast auf der Biolife Bozen mit einem kleinen, feinen und nachhaltigen Fashion-Pop-Up.
Fotos: (1, 2, 4, 5, 7, 8) © OEW; (3) © The Blowup/unsplash; (6) © Fernand de Canne/unsplash
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