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November 10, 2021

Style Series #1 – Nora Gomringer

Susanne Barta

Da mir real oder virtuell immer wieder sehr gut und eigenwillig gekleidete Frauen begegnen, möchte ich hiermit eine neue Style-Serie beginnen, die sich in lockerer Folge fortsetzt, immer im Rahmen dieses Blogs natürlich. Ich freue mich, euch heute als erste Protagonistin Nora Gomringer vorzustellen. Die Dichterin und Performerin – und auch Bachmannpreisträgerin – ist eine Klasse für sich. Ich erinnere mich an einige ihrer Vortragungen in Südtirol und Deutschland mit Wort, Gesang, Mimik, Gestik und tollem Style, voll Witz, Ironie und sprühender Energie. Ich war und bin begeistert. Auf ihrem Instagram-Account mag ich besonders ihre Posts mit den Outfits der Woche, die sie vor dem großen Spiegel des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia in Bamberg fotografiert, dem sie als Direktorin seit vielen Jahren – modisch immer bestens gerüstet – vorsteht.Nora Gomringer 2Nora, deine Outfits der Woche auf Instagram, entstehen die spontan oder schon geplant am Abend vorher?

Es gibt Phasen der Konzentration und der Selbstdisziplin, da lege ich mir die Sachen raus, die ich am nächsten Tag anziehe, so verfahre ich auch mit den Laufsachen, dass ich dann wirklich brav morgens laufen gehe. Aber es gibt auch Phasen, wo mir das alles aus den Händen gleitet. Ich reise sehr viel, da muss ich planen und leide immer, dass ich gar nicht alles mitnehmen kann, wonach mir der Sinn steht, und so muss ich mich vorher reduzieren. Man merkt aber auf einer gut gepackten Reise, dass einen auch nur wenige Teile sehr froh machen können, durch die Kombinatorik, wie es auch dann immer wieder neu an einem erscheint. Ich kleide mich schon ein bisschen extravagant, merke aber auch, dass auffallen oft ziemlich anstrengend ist. Weil immer jemand was sagt und immer muss man reagieren. Sehr oft gehe ich bei der Auswahl meiner Kleidung aber auch nach der Stimmung und es geht meistens nach dem kleinsten Teil, es fängt zum Beispiel an mit dem Ring, den ich morgens auswähle. Dann beginnt das Zusammenbauen des Outfits.

Wie würdest du deinen Stil beschreiben?

Ich bin eklektisch und immer stark davon abhängend wie viel Volumen ich gerade habe. Ich kenne mich durch sehr viele unterschiedliche Körperphasen hindurch und mag es mitunter auch nicht so bequem. Ich ziehe gerne Dinge an, die mich in Form halten und auch zwingen, eine bestimmte Haltung einzunehmen. Das klingt vielleicht komisch und ein bisschen masochistisch, aber allzu bequeme Kleidung ist eigentlich eine Absage an gutes Aussehen, denke ich oft. Ich mag es ein bisschen strenger mit mir. Also mein Stil ist eklektisch, mitunter verspielt, da ist immer auch ein Spiel für mich dabei und oft denke ich, wieso kann ich eigentlich nur mich kleiden und niemanden sonst? Ich kann zum Beispiel ein ganzes Foto-Set herstellen, aber anderen nicht sagen, was sie anziehen sollen. Ich bin meine eigene Projektionsfläche, das ist eine Kommunikation zwischen mir und meinen Wünschen. Seit frühester Jugend hadere ich ja mit meiner Figur, ich kenne mich gut und hab mich liebgewonnen, auch wiedermal verloren und wiedergefunden. Es ist keine kriegerische aber eine sehr ernste Auseinandersetzung. Wann immer ich mich da zu mir ehrlich verhalte, merke ich zum Beispiel, dass wenn ich viel abgenommen habe, ich nicht mehr so mutig bin und in Kleidungsmuster verfalle, die angepasster sind. Da sehe ich fast fremd aus für mich. Ich hab es gerne, wenn ich eine Balance halte zwischen mutig und präsentierend, aber auch nicht unbedingt wie der bunte Elefant rumlaufe. Nora Gomringer 03Magst du Vintage und Secondhand?

Sehr gerne Secondhand, vor allem was Mode der 1970er Jahre angeht. Da hat man in einer bestimmten Art geschneidert, die mir steht. Da gibt es Kleidermaße, die ich tragen kann, dann haben sich die Taillen verschoben, die Proportionen sind anders geworden. Diese Mode steht mir gut, sie sieht sehr statuesk aus. Ich mag zum Beispiel gerne Op-Art-Muster, etwas Farbiges kombiniert mit etwas Strengem ist eine sehr schöne Kombination und etwas, wozu man große, goldene Ohrringe tragen kann. Aber es ist auch so, dass ich einiges an Mode neu kaufe, zu viel würde mancher sagen. 

Die Modeindustrie ist ja leider eine recht schmutzige. Nachhaltige Mode, ist das ein Thema für dich?

Ja, ist es, es schränkt auch meinen Modekonsum ein und macht mich insofern bewusster, dass ich mir anschaue, was die Labels, die ich gerne mag, machen, wo sie fertigen lassen. Aber wie weit kommt man da wirklich in der Recherche als normaler Bürger? In meinem vorletzten Lyrikband „Moden“ ging es dann auch nicht nur um Kleidung, sondern auch um unser Verhalten zu bestimmten Moden der Zeit, sei es das Textile, aber auch das Habituale und was man so als Tradition und Wertschöpfungsmaschinerie wahrnimmt. Da gibt es auch ein paar Gedichte, wo ich frage, was wir da tun, was es uns kostet, wenn es uns so wenig kostet. Für uns ist es reines Konsumieren, aber wie das alles hergestellt wird, das wiegt auf dem Gewissen. Wenn ich aus Moden vorlese, bin ich immer wieder erstaunt darüber, wie viel junge Menschen so zwischen 16 und 18 darüber wissen, manchmal viel mehr als ich.   

Da scheint sich also doch was zu verändern …

Ja, allein wenn man kuckt, wie sich zum Beispiel H&M anstrengt und eine recycled und re-recycled Line macht. Ich will jetzt nicht Bashing irgendeiner Marke betreiben, ich fühle nur und sehe und verstehe, dass alle Marken sich gerade danach strecken müssen, weil die Käufer aufgewacht sind.Nora Gomringer 5Hast du Lieblingsmarken? Lieblingsgeschäfte? Kaufst du ein, wenn du unterwegs bist?

Secondhand ist für mich auch eine Art mit Souvenirs umzugehen. Ich suche bewusst einen Laden, wenn ich länger an einem Ort bin, um ein Schmuckstück, einen Gürtel, eine Mütze oder ein schönes Kleidungsstück zu kaufen. Ansonsten kaufe ich ganz viel online, ich bin ein klassischer Online-Käufer. Ich gestehe es ganz ehrlich, da kommen Fahrer an unser Haus herangefahren, die kennen mich schon und denken sicher „ohje, schon wieder ein Paket für die“. Und wenn es nicht passt, ich es nicht gut finde oder es billig aussieht, ich mich also völlig geirrt habe, dann wird es wieder zurückgebracht zur Versandstation. Da bin ich schon ein Beispiel für regen Verkehr und kann mir da gar kein Ruhmesblatt wohin heften. Aber schon für nächstes Jahr ist der Gedanke gefasst, mein Kaufverhalten strikt eingrenzen. Auch weil ich wirklich Geld sparen muss und will. Wir werden sehen, ich kann berichten dann.

Gibt es Lieblingsteile, Styles für den Herbst, die du gerade besonders gerne trägst?

Saisonal bin ich immer schlecht. Also dieses Befolgen von Saisonalem, ich komme da nicht richtig hinterher, muss immer erst erfühlen und sehen, wie es läuft. Was immer geht sind teure schöne Lederteile, ein schöner Lederrock zum Beispiel ist was Phantastisches, in A-Linie oder als Midi-Mini-Rock, den man kombinieren kann mit einer warmen Strumpfhose und schwarzen hohen Schuhen. Ab jetzt bis Mai sehe ich aus wie jemand der unten drunter einen Full-Body-Suit trägt mit Strumpfhose. Da ist man gerüstet für alles, da kann man auch die schönen Sommerkleider nochmals anziehen für den Herbst mit ein paar Stiefeln. Gute Hosen finde ich selten, aber vor Kurzem hab ich eine gefunden und die gleich viermal in schwarz gekauft.Nora Gomringer 04Findest du, hat die Pandemie unseren Zugang zu Mode, zu unserem Stil, verändert?

Wir haben uns in der Pandemie ja komplett auf Social Media zurückgezogen und dort geschaut, was die Menschen in dieser Zeit so tragen. Wie haben wir uns einander gezeigt, als wir uns nicht zeigen konnten? Das hat zu einer Art Auflösung der Körper geführt. Und jetzt, wo wir wieder voreinander stehen können, ist es kein Wunder, dass die Leute zurückkommen zu einem sehr körperbetonten, sehr strukturierten Look. Es scheint ein großes Bedürfnis zu geben, Haut zu zeigen, im Sinne von „ich bin wieder hier“. Auf der anderen Seite gibt es auch die Designer, die ganz lang werden und bedeckend, mit einer ganz anderen Silhouette arbeiten, fast japanisch, sehr unbetont. Der klobige Schuh, die weite Hose, das schmale Tank Top, der große Blazer, das lange Haar, die Tasche an einer Kette, dieser Look verbindet die jungen Mädchen gerade quer durch Europa. Auch eine Art Uniformierung, für mich etwas befremdlich, ich mag vor allem den klobigen Schuh nicht so.Nora Gomringer 6Danke Nora, dass du es geschafft hast, trotz ständiger Termine und Reisen, dieses Gespräch zu führen. Gibt’s noch was Wichtiges, das hier unbedingt stehen sollte?

Ich frag mich oft, ob es tatsächlich Dinge gibt, die wir am Ende der Consumer-Kette dezidiert tun können. Ich frag mich, ob ich mich zurecht besser fühlen kann, wenn ich bei bestimmten Labels was kaufe, oder ob ich diese Pfade einfach mal verlasse, weil es auch reicht mit dem Kaufen. Ich habe so viele Klamotten, die Kombinatorik ist unendlich. Ich tu ja so, als hätte ich 20 Körper, die ich täglich viermal einkleiden muss. Das kann man ja auch mal lassen. Dagegen steht die große Lust auszuprobieren, wie sich dies und jenes anfühlt, also die Freude daran, das Design zu erleben. Ich möchte das dann gerne haben und spare auch darauf. Aber ich frag mich dezidiert, was ich tun kann in Europa – indem ich etwas anwende oder vermeide – um die Arbeitsbedingungen für Frauen und Mädchen in anderen Ländern tatsächlich zu verändern. Nora Gomringer 7

Und hier ein Video , wo ihr kurz mal reinhören könnt in Noras Band „Moden“ und wie er entstanden ist:

 

Fotos © Nora Gomringer

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