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October 20, 2016

Kunst ist keine Einbahnstraße:
Nicole Abler, Kuratorin

Petra Götsch

Die Kunsthalle Eurocenter Lana schließt ihr Jahr mit einer besonderen Veranstaltung: Die Meraner Kuratorin Nicole Abler konnte für „Perfourmance“ die vier internationalen KünstlerInnen Bella Angora, Filippo Riniolo, Matthias Schönweger und Thomas Sterna gewinnen, die Live-Performances und Installationen präsentieren werden. Im Vorfeld sprach Nicole Abler mit uns über den Galeriebetrieb, in welche KünstlerInnen man investieren sollte und warum auch Kunst immer mehr zum Prestigeobjekt wird. Die Ausstellung „Perfourmance“ wird am 21. Oktober um 19.30 Uhr in der Kunsthalle Eurocenter Lana eröffnet und ist auch am 22. Oktober von 16.00 bis 19.00 Uhr dem Publikum zugänglich. 

Nicole, Geld spielt keine Rolle: Die Bilder wessen Künstlers würdest du in deine Wohnung hängen? 

Auf jeden Fall ein Bild von Picasso. Sein Gemälde „Les DemoisellesD´Avignon“ von 1907 ist das Paradebeispiel des Kubismus und, als ich dieses Bild das erste Mal im Museum of Modern Art in New York gesehen habe, war es um mich geschehen. Picassos Malweise und Ausdruckskraft hat in mir große Emotionen hervorgerufen und auch meine Liebe zur Kunst bestärkt, sodass dieses Bild unbedingt einen Platz in meiner Wohnung haben würde. Einen weiteren Künstler, den ich persönlich sehr schätze, ist der Hauptprotagonist des abstrakten Expressionismus, Jackson Pollock der durch seine kraftvollen Bilder für mich ein großer Künstler ist und der deshalb in meiner Wohnung anzufinden sein müsste. Würde ich Kunst als ein Investment sehen, dann würde bestimmt ein Bild von Damien Hirst und dem Südtiroler Rudolf Stingl und dazu eine Skulptur von Jeff Koons in meiner Sammlung nicht fehlen dürfen, denn diese Künstler haben es in den Olymp des Kunstmarktes geschafft und dominieren die Kaufrekorde.Filippo Riniolo

Als Außenstehender stellt man sich den Kunst- und Galeriebetrieb immer als schillernd und weltläufig vor. Phantasie oder Realität?  

Der Kunst- und Galeriebetrieb ist tatsächlich eine schillernde und atemberaubende Welt, mit interessanten Persönlichkeiten, wohlhabenden Investoren und Kunstliebhabern, welche sich auf Vernissagen in Museen und Galerien, Kunstmessen, Biennalen und Auktionsabende treffen. Eine Welt, wo wichtige Galeristen, Kuratoren und vermögende Kunstliebhaber, Kunst kaufen, Künstler fördern und mit einem Glas Champagner über die letzten Ankäufe sprechen. Das ist eine Seite der Medaille, die von den Medien stark thematisiert wird. Die andere Seite zeigt jedoch eine sehr konkurrierende Welt, in der auch das Glück, im richtigen Moment am richtigen Ort zu sein, eine Rolle spielt. Die richtigen und einflussreichen Leute zu kennen (wie Francois Pinault, einer der größten Kunstsammler unserer Zeit und zudem Eigentümer des Aktionshauses Christie’s) ist maßgeblich, um in die elitäre Gruppe der Kunstreichen zu gelangen. Wie in jedem anderen Business sind auch in der Kunstwelt Schattenseiten zu finden. Meiner Meinung nach wird der Künstler immer mehr zu einem Produkt, der sich und seine Kunst vermarket, um von Sammlern, Galerien und Museen angekauft zu werden. Was zählt, ist nicht nur die Qualität der Werke, sondern auch, wie man sich als Marke präsentiert. Kunst ist ein Prestigeobjekt geworden, wobei der Künstler als Manager fungiert und, wer mehr Leute kennt und besser auftreten kann, hat größere Chancen bekannt zu werden. Trotz allem ist die Kunstwelt aber mit einem Zusammentreffen spannender Menschen gekoppelt, welche alle die Leidenschaft zur Kunst vereint.

Dein besonderes Interesse gilt der Konzeptkunst, also Performance und Installationen. Wie bist du dazu gekommen? 

Während meines Kunstgeschichtestudiums habe ich mich sehr mit Fotografie, der Renaissancemalerei und der abstrakten Malerei beschäftigt. Jedoch hat mich immer mehr die zeitgenössische Kunst inspiriert. Seit meinem Masterstudium in „Innovation and Organization of Culture and the Arts“ interessiere ich mich sehr für die jungen „emerging“ Künstler, welche sich auf Installations- und Performancekunst spezialisiert haben und sich auf dem Kunstmarkt erst positionieren müssen. Auch verschiedenste Recherchen über die weltbekannte Performancekünstlerin Marina Abramovic haben mich dazu bewegt, die Performancekunst besser verstehen zu wollen. Am Ende meines Studiums hat mir dann mein Professor für Cultural Economics, mit dem ich auch meine Masterarbeit schreibe, eine Assistenzstelle beim jungen Performancekünstler Filippo Riniolo in Rom verschafft, wo ich für einige Monate dem Künstler bei verschiedenen Projekten wie beispielsweise im “Salone del Mobile“ in Mailand assistieren durfte. Zusammen waren wir auch im Dynamo Camp in der Toskana, wo Filippo mit physisch und psychisch beeinträchtigen Kindern ein Projekt realisiert hat. 

Diese Erfahrung, hautnah mitzuerleben, wie ein junger Konzeptkünstler arbeitet, und zu analysieren, wie Konzeptkünstler sich am Kunstmarkt positionieren, hat mit noch mehr bestärkt, mich der Konzeptkunst widmen zu wollen. 

Bella Angora

Am 21. Oktober präsentierst du in der Kunsthalle Eurocenter Lana das Projekt „PERFOURMANCE“, eingeladen hast du die internationalen KünstlerInnen Bella Angora, Filippo Riniolo, Matthias Schönweger und Thomas Sterna. Was erwartet das Publikum und wie kam es zu dieser Zusammenarbeit? 

Die Ausstellung „PERFOURMANCE – vier performative Installationen“ ist der Performance- und Installationskunst gewidmet. Das Publikum soll dabei die Kunsthalle als eine Art Spielfeld erleben, in denen die vier KünstlerInnen einerseits installative Werke zeigen und andererseits auch live performen werden. Die Kunsthalle wird dabei durch Bodenmarkierungen in vier Flächen unterteilt, in denen die Künstler frei ihren Raum gestalten können. Als ich Filippo Riniolo in Rom assistiert habe, entstand sofort die Idee einer Zusammenarbeit. Ich unterbreitete meine Idee dem Kunsthalle-Team, in einigen Meetings erarbeiteten wir dann das Konzept und legten die verschiedenen KünstlerInnen fest. Neben Filippo Riniolo sind noch drei höchst interessante Konzeptkünstler Bella Angora, Matthias Schönweger und Thomas Sterna dabei. 

Die Künstler kommen aus vier Generationen und drei Nationen (Deutschland, Österreich und Italien) und bilden somit eine interessante Symbiose. Alle vier Künstler beschäftigen sich mit installativen und performativen Ausdrucksformen, welche sie durch verschiedenste Mitteln wie Video, Musik, Gesang und Sprache den BesucherInnen näher bringen. Genau das ist das spannende an dieser Ausstellung. 

Wie arbeiten die verschiedenen Künstler in den verschiedenen Territorien? Welche Themen sprechen sie an und wie vermitteln sie es? Ich möchte dazu keine konkreten Antworten geben. Das Publikum soll sich selbst eine Meinung bilden, indem es verschiedene Positionen aufgezeigt bekommt und durch diverse Ausdrucksformen neue künstlerische Sichtweisen sammelt. Denn Kunst ist am Ende keine Einbahnstraße, sondern eine interessante Reise mit verschiedenen Wegen.

Thomas Sterna„PERFOURMANCE“ ist auch die Premiere für dich als Kuratorin. Was muss ein_e KünstlerIn haben, was vermitteln, damit er dich anspricht? 

Er/Sie muss Persönlichkeit haben und vor allem Engagement und Wille. Die Kunstwelt ist eine komplexe und Erfolg gerichtete Branche und zum wirklich großen internationalen Erfolg schaffen es nur wenige. Dennoch bin ich überzeugt, wenn man etwas wirklich will und von sich und seiner Kunst überzeugt ist, dann findet man einen Weg. 

Für mich ist es ist wichtig, dass der/die KünstlerIn ein USP (unique selling proposition = Alleinstellungsmerkmal – A. d. R.) hat, eine Eigenheit die ihn/sie unterscheidbar von den anderen macht. Zudem sollte für mich ein/e KünstlerIn kommunikativ und bodenständig sein, auf Leute zugehen können. Dann kann eine Zusammenarbeit Früchte tragen. Ob MalerIn, BildhauerIn oder PerformerIn, das zwischenmenschliche und eine bestimmte Chemie zwischen KuratorIn/GalleristIn und KünstlerIn ist die Basis jeder Zusammenarbeit. Ist die nicht gegeben, wird es meiner Meinung nach schwierig werden, langfristig eine erfolgreiche Zusammenarbeit anzustreben. 

Vor allem die zeitgenössische und moderne Kunst gilt vielen als zu sperrig und nicht nachvollziehbar (siehe im Museion, als eine Installation zusammen mit dem Müll weggeräumt wurde). Ist es dir auch schon passiert, dass du etwas siehst und denkst, das kapiere ich einfach nicht?

Nun, ich versuche immer mich bei Museumsgängen und Vernissagen vorab zu informieren. Ich recherchiere über den/die KünstlerIn und schau mir deren Werke an, um zu verstehen, welche Themen sie adressieren und wie sie diese künstlerisch dem/der BesucherIn vermitteln. Natürlich ist die zeitgenössische Kunst nicht immer klar verständlich, da durch die neuen Kunstformen ab den 1960er Jahren, wie Konzept-, Installations- und Performancekunst, die Idee hinter dem Werk immer wichtiger geworden ist. Das fertige Produkt, wie ein Bild oder eine Skulptur, sind leichter nachvollziehbar, da der/die BesucherIn etwas „Fertiges“ vor Augen hat. Bei der Konzept-, Installations- und Performancekunst ist es bereits schwieriger, denn oft ist die Message nicht direkt erkennbar, bzw. wird der Besucher aufgefordert, mitzudenken und womöglich auch mitzuagieren, ein Protagonist des Werkes zu werden. 

Durch mein Kunstgeschichtestudium habe ich viele verschieden Kunstepochen studiert und gelernt wie man Kunstwerke analysiert. Dennoch kommt es auch bei mir vor, dass ich vor einem zeitgenössischen Werk stehe und nicht genau weiß, was dieses genau ausdrücken soll. Wenn dies passiert, zögere ich aber nie lange und hole mir immer schnellstmöglich die Informationen von einem/r MuseumsaufseherIn, GaleriemitarbeiterIn und/oder VermittlerIn. Am Ende ist dann meist einiges klarer als zu Beginn. Man braucht manchmal nur eine kurze Erklärung.

 Matthias Schoenweger

Welche Pläne hast du für deine Zukunft? Kannst du dir eine Rückkehr nach Südtirol vorstellen?

Im Dezember schließe ich meinen internationalen Master an der Universität in Bologna ab, dann möchte ich im Galeriewesen Fuß fassen. Da ich in London mein Auslandssemester absolviert habe und mich die Stadt durch die vielen Kulturangebote und der vielen Galerien und Museen so beeindruckt hat, schließe ich eine Rückkehr dorthin nicht aus. Auch Zürich würde mich sehr interessieren, da dort einige gute Galerien, Kunstberatungsstellen in Banken und Foundations zu Hause sind. Ich lasse mir dennoch alle Wege offen und schaue, welche Möglichkeiten entstehen. Vor allem durch die immer stärker werdende Digitalisierung wird auch die Kunstwelt vor einer großen Herausforderung stehen – wird es traditionelle Aktionshäuser überhaupt noch geben oder wird es in Zukunft nur noch Online-Auktionshäuser wie beispielsweise das New Yorker Paddle8 existieren? – und wer weiß, welche Veränderungen in den nächsten Jahren bevorstehen, ich freue mich jedenfalls schon auf die Herausforderung! 

Südtirol wird aber immer meine Heimat bleiben und, wenn ich mal länger fort bin, fehlen mir meine Familie, die Ruhe und die Natur. Eine Rückkehr nach Südtirol ist daher bestimmt nicht ausgeschlossen, aber im Moment möchte ich wieder ins Ausland, um dort Erfahrungen, neue Ideen und Sichtweisen zu sammeln.  

Nicole Abler, 1990 in Meran geboren und aufgewachsen. Studium der Kunstgeschichte in Wien, Master in Innovation and Organisation for Culture and the Arts in Bologna und London, Assistentin des Künstlers Filippo Riniolo in Rom. Ihr besonderes Interesse gilt der Konzeptkunst. 

Fotos: (1) Nicole Abler; (2) Filippo Riniolo; (3) Bella Angora; (4) Thomas Sterna; (5) Matthias Schönweger

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