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October 8, 2024
Ständig in Bewegung – Linda Jasmin Mayer und ihre Kunst
Elisa Barison
Linda Jasmin Mayer ist eine gebürtige Meraner Künstlerin, die mittlerweile wohl weit über die Landesgrenzen (welche sie, wie ein Vogel, vor geraumer Zeit verlassen hat, jedoch immer mal wieder zurückfliegt) hinaus bekannt ist. Sie lebt und arbeitet mit ihrer Familie in Gent, Belgien. 2022 schloss sie dort das praxisbasierte Rechercheprogramm in Visual Arts am HISK – Institut für Post-Graduate-Studies – ab. Vorher erhielt sie einen MFA-Abschluss im Studienprogramm „Time and Space Arts“ der Finnischen Akademie der Bildenden Künste in Helsinki, einen BFA-Abschluss in Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in Brera, Mailand. In den Jahren 2014 und 2015 studierte sie an der School of Media Arts der Royal Danish Academy of Fine Arts, Kopenhagen und im Jahr 2018 nahm sie am ISP von Maumaus in Lissabon teil. Ein wahrlicher Zugvogel also, mit beeindruckendem Curriculum.Dieses ganze Name-Dropping wäre gar nicht nötig, um Linda Jasmin gut zu finden. Ihre Arbeiten kümmern sich darum. Egal ob fesselnde Erzählungen in Videos oder (oft durch Performances) in Szene gesetzte Skulpturen und Installationen – Lindas Arbeiten berühren tief, ohne dabei laut und plakativ zu sein. Die oben angestellte Assoziation mit einem Vogel kommt auch daher, dass Linda zum Beispiel in einer ihrer Arbeiten, der mehrteiligen Videoinstallation Dove fermarsi? von Wesen erzählt, halb Vogel halb Mensch, die irgendwie verloren scheinen, beziehungsweise in teilweise für die Vögel typischen, aber auch untypischen Habitaten nach etwas suchen – sich selbst, einer Heimat, Gleichgesinnten? Man weiß es nicht. Das hier auftretende Thema der sozialen Entfremdung und der Frage nach der Beziehung zwischen Mensch und Natur sind zentrale Themen in Linda Jasmins künstlerischer Praxis.
Keine Vogelmasken, dafür andere, wandernde Wesen, zeigte die Künstlerin bei der letzten Biennale Gherdeina heuer mit Drifters: fünf anthropomorphen Masken, die sich am Leben von Plankton (griechisch für „das Umherirrende“, „das Umhergetriebene“) inspirieren. In einer Performance zur Eröffnung der Biennale schwebten die Masken auf den Körpern der Performer*innen durch die einzigartige Grödner Berglandschaft (ehemals Meerlandschaft).Auch heuer, vor kurzem eigentlich, erhielt Linda Jasmin den Paul-Flora-Preis durch das Land Tirol und Südtirol und kann somit eine weitere Sache zum Eigentlich-nicht-notwendigen-name-Dropping hinzufügen. Let’s see, was die Künstlerin selbst zu ihrer Arbeit zu sagen hat.
Was bedeutet Kunst für dich, Linda?
Mit der Kunst kann man einen symbolischen Raum schaffen und neue Perspektiven aufzeigen. Kunst hat für mich die Aufgabe, uns daran zu erinnern, dass es eine andere Möglichkeit gibt, eine andere Realität möglich ist und dass unser Dasein begrenzt ist. Mit meinen Werken hoffe ich einen Ort zu schaffen, der diesen Kontemplationen Raum gibt. Wobei die Interpretation meiner Werke immer offen bleibt.
Du beschäftigst dich viel mit sozialer Entfremdung, welche Rolle spielen dabei die fantasievollen Masken, die immer wieder in deiner Arbeit auftauchen?
In meinen Videoarbeiten nehme ich oft Aspekte der realen Welt auf, die ein Gefühl von Magie oder Illusion wiederherstellen. Dieses Gefühl wird durch das Fehlen von Licht, den Wechsel von Licht und Dunkelheit oder die Anwesenheit von Masken sichtbar.
In meinen aktuellen Projekten untersuche ich die Metamorphose von Mensch und Tier und möchte zeigen, wie der Verlust der Zugehörigkeit die hybriden Wesen zwingt, nach neuen Bezugspunkten zu suchen und ihre Bestimmung zu überprüfen.
Die Masken haben hierbei ein unglaubliches Potential der Veränderung. In meiner Arbeit dienen sie, um einen Zwischenzustand zu beschreiben, weder ganz das eine noch ganz das andere zu sein. Sie verwandeln zu Grenzgängern.Wie ist das Umfeld in Gent, wo du aktuell lebst und arbeitest? Schöpfst du viel Inspiration daraus?
Gent ist eine lebenswerte Stadt. Es gibt viele Künstler*innen und Kulturschaffende hier. Ich hatte immer den Eindruck, dass jeder arbeitet, wie er will, es herrschen diesbezüglich wenig Vorschriften und man wird als Künstler*in akzeptiert, es wird als Beruf angesehen. Wenn man so einen Platz in der Gesellschaft hat, in der man als Künstler*in wahrgenommen wird, inspiriert es in diesem Sinne. Außerdem inspiriert es, in einer Stadt gemeinsam mit einer großen Gemeinschaft von Kulturschaffenden und in einem professionellen Umfeld zu leben, es regt immer wieder an, weiter zu arbeiten und Neues zu schaffen.Wo liegt der Unterschied zwischen Magie und Realität und wie spiegelt sich dies in deiner Arbeit wieder?
In meiner Arbeit suche ich oft nach der Magie innerhalb der Realität, innerhalb des „Alltäglichen“. Es gibt in jedem Augenblick, je nach Betrachtungsweise, eine Art von Magie, die uns den existentiellen Fragen näherbringt.
Könntest du für einen Tag ein Tier sein, welches wäre es?
Vielleicht ein Vogel!Photos (c): (1, 2) Dove fermarsi, Stills, 2023, Linda Jasmin Mayer; (3) Linda Jasmin Mayer, 2024 (c) Linda Jasmin Mayer; (4, 5, 6) Drifters, 2024, Linda Jasmin Mayer, Foto Daniel Mazza; (7) Itara, 2021, Linda Jasmin Mayer, Camera Daniel Mazza; (8) Dove fermarsi, Stills, 2023, Linda Jasmin Mayer.
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