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June 26, 2014

Maroc, mon amour #02: Rabat – L’État, c’est moi!

Petra Götsch
Casablanca, Marrakesch, Rabat, Fés, schon allein die Namen klingen schön, so wie alles schön ist, das man noch nie gesehen hat. Zwei Wochen lang reiste ich im Uhrzeigersinn durch Marokko und erlebte ein Land zwischen Okzident und Orient.

Eigentlich will ich nach Fès, aber da Rabat praktisch auf dem Weg liegt und es sich immerhin um die Hauptstadt und Königsresidenz handelt, ist ein Zwischenstopp wohl angemessen. Aus meinem Reiseführer erfahre ich, dass Rabat-Salé einst sogar eine berüchtigte Piratenstadt war, meine Neugier ist also geweckt! 
Gleich nach der Ankunft mache ich mich auf zum Palast von König Mohammed VI. – mein plötzlicher Eifer überrascht mich selbst. Über eine gepflegte Allee erreicht man den Vorplatz des Palastes, einer von vier Königspalästen in Marokko. Leider habe ich Pech, ein Mitglied der königlichen Familie wird erwartet und somit ist der Palast weiträumig abgesperrt. Aus der Ferne sieht die ständige Residenz aus Sandstein nur mäßig beeindruckend aus – wie bei arabischer Architektur üblich, entfalten sich Schönheit und Reichtum erst im Inneren.Marokko Rabat Koenigspalast - Petra GoetschZwei Dinge sind in Marokko unantastbar: Der Anspruch auf das umstrittene Gebiet der Westsahara – und der König. Dass der Flächenbrand des “Arabischen Frühlings” das Land nicht erreichte, ist auch dem cleveren Agieren Mohammeds VI. zu verdanken. In einer großen TV-Ansprache verkündete er genau jene Reformen anzugehen, für die die Menschen im restlichen Nordafrika auf die Straße gingen. In Windeseile wurden Neuwahlen angesetzt, die Demokratie gestärkt, die Verfassung überarbeitet. Und tatsächlich – den ersten vagen Protesten wird die Schärfe genommen. Bei einer astronomisch hohen Arbeitslosigkeit und einem Mangel an Perspektiven und Bildung hat der König das Kunststück geschafft, das Problem los zu werden, ohne es zu lösen. Mohammed VI. hat sein Land fest im Griff, vor allem die Jugend steht vorbehaltlos hinter ihm. Für sie veranstaltet er Gratis-Konzerte, zieht die Stars nach Marrakesch und tritt regelmäßig mit seiner 15 Jahre jüngeren Frau auf, einer wild gelockten Schönheit, die vor Glamour sprüht. Die Jugend dankt es ihm und nennt ihn “King Cool”. Kritiker sagen dazu auch “Brot & Spiele”. Angesichts des Chaos in der arabischen Welt ringsum frage ich mich allerdings, ob manchmal eine vorgetäuschte Stabilität nicht doch besser ist als gar keine. Marokko Rabat - Petra GoetschOb Mohammed VI. seine Staatsreformen aus Überzeugung oder aus politischem Kalkül vorantreibt, wagt in Marokko keiner so recht zu sagen. In seinem öffentlichen Streben nach Rechtsstaatlichkeit und Demokratie überlässt er dem Parlament die Entscheidungen – das letzte Wort hat aber immer noch der König. Den Einfluss und die Macht des Palastes beschneiden? – Also nein. Irgendwann muss mit den Reformen auch Schluss sein. 
Nach einem letzten Blick auf den Königspalast und die Wachen in flotten Plunderhosen und schweren Umhängen und mache mich auf den Weg zum Hassanturm und dem Mausoleum Mohammed V. Marokko Rabat Hassanturm aussen - Petra GoetschDer Hassanturm (hassan = schön) ist das unvollendete Minarett einer nie gebauten Moschee aus dem Mittelalter, aber zumindest zum Wahrzeichen Rabats hat es am Ende dann doch noch gereicht. Genau gegenüber vom Hassanturm befindet sich das Mausoleum Mohammed V., erbaut in den 1960er Jahren als Grablege der marokkanischen Könige. Ich steige die Marmortreppen hoch und betrete den spärlich ausgeleuchteten Raum – und das Innere ist herrlicher, als ich es je zu hoffen gewagt hätte! Allerfeinste und filigranste Verzierungen schmücken die Wände aus Marmor und Granit, während die Decke vom Gold schimmert. Von der Galerie blickt man auf die Särge aus Carrara-Marmor, in denen unter anderem König Hassan II. liegt. Einen Moment lang fühlt es sich merkwürdig an, das Grab eines Tyrannen zu betrachten. Der Vater des heutigen Königs regierte sein Land mit harter Hand, etliche Putschversuche des Militärs ließ er brutal niederschlagen. Packte ihn der Zorn, wurde seiner Umgebung bang und wer ihm gerade nicht passte, landete in einem der berüchtigten Wüstengefängnisse. Als er 1999 starb, ging ein kollektives Aufatmen durchs Land.marokko-rabat-hassanturm-innen-petra-goetsch.jpgNach dem Bad in dieser Pracht verlasse ich das Mausoleum und denke noch eine Weile über das kuriose Phänomen des Geburtsadels nach. Dabei schweift mein Blick über Rabat und Salé und ich bereue es jetzt schon, hier nur einen Zwischenstopp eingeplant zu haben. Ich verlasse die Stadt durch das Botschaftsviertel und mache mich auf den Weg nach Fès, wo ich spätabends ankomme und mich am nächsten Tag glücklich wie ein junger Hund ins orientalische Chaos stürze. 

Nächster Halt: Fès – Liebe ist unsere Religion 

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