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December 5, 2012
Sehr geehrter Herr Rammstedt! #3
Marco Russo
Sehr geehrter Herr Rammstedt!
Morgen ist es soweit! Wir sehen uns um 19.00 Uhr in der Haymon-Buchhandlung. Es ist egal, dass Sie meine Fragen nicht beantwortet haben. Wir können auch im Anschluss an Ihre Lesung ein kurzes Gespräch führen.
Lg, M.
Langsam – sehr langsam – und im Laufe einiger Wochen und Gespräche mit meinem literaturbewanderten Freund, realisierte ich, was geschehen war: Herr Rammstedt war Herr Tillmann, der deutsche Tourist, den ich im Mai kennen gelernt hatte! – Woher sollte ich denn wissen, dass dieser deutsche Tourist, namens Tillmann, Herr Rammstedt war? Ich wollte die Sache zwischen uns wieder gut machen und fragte nach seiner Email-Adresse. Doch alle meine E-Mails gingen ins Leere. Dann, jetzt, in diesen Tagen, die zweite Chance und definitive Möglichkeit: das Interview für Franz. Aber auch auf diese Mails keine Reaktion seinerseits. Soll ich morgen wirklich um 19.00 Uhr in die Haymon Buchhandlung gehen?
Rammstedts Buch hatte ich nur kurz überflogen. Gerade genug gelesen, um daraus vier Fragen für das Interview zu formulieren. „Ich bin eine äußerst facettenreiche Person“, schreibt Herr Rammstedt auf S. 37. Ja, eine facettenreiche Person war er wirklich, der ehemalige Bankberater von Herrn Rammstedt. So facettenreich, dass sich Rammstedt sogar bei Bruce Willis bedankt, dass alles, was sich ereignet hatte, einem Ende zugeführt wurde. Beide, Herr Rammstedt und sein Bankberater, gingen oft miteinander aus. Sie hatten eine innige Beziehung, sprachen über Gott und die Welt, die großen und kleinen Dinge des Lebens. Ein sympathischer Kerl, Herr Rammstedts Bankberater. So wollte der ehemalige Bankberater, das soll er Rammstedt erzählt haben, nie Lokomotivführer oder Fußballer werden, sondern immer schon Bankberater. Einmal soll er sogar sein fünfjähriges Ich neben sich stehen gesehen haben, „in kurzen Hosen, mit diesem Topfschnitt, eine Eiswaffel in der Hand“, schreibt Herr Rammstedt – mein „deutscher Tourist Tillman“, über seinen Bankberater: „Das fünfjährige Ich würde stolz und glücklich lächeln. ‚Wir haben es geschafft,‘ würde es sagen, und mein ehemaliger Bankberater würde auch lächeln und ihm das Haar verwuscheln. ‚Nein, nicht wir‘, würde er sagen und seinem fünfjährigen Ich das Eis wegnehmen. ‚Ich habe es geschafft.‘ Und dann würde er genüsslich am Eis lecken, auch wenn es Erdbeereis wäre und er Erdbeereis eigentlich gar nicht möge.“
„Die Abenteuer meines Ehemaligen Bankberaters“ sind 2012 bei Dumont erschienen. Herrn Rammstedts Antworten habe ich immer noch nicht erhalten. Ich glaube, dass ich überhaupt keine Antwort erhalten werde.
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