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October 27, 2023

Critical Consumption – eine Anregung für bewussten Modekonsum

Susanne Barta

Man kann unsere Konsumgesellschaft nicht besser auf den Punkt bringen, als Barbara Kruger das 1987 in ihrer berühmten Arbeit „I shop therefore I am“ getan hat. Was die Künstlerin damals vor allem als Phänomen aufzeigte, erfahren wir heute auch in seinen Konsequenzen. Dass Überkonsum, Überproduktion und verschiedene Aspekte von Nachhaltigkeit immer öfter auch in Museumsausstellungen thematisiert werden, ist ein Zeichen dafür, dass das Thema angekommen ist. Das Museum für angewandte Kunst, kurz MAK, in Wien hat die Mode(industrie) ins Visier genommen und dafür bereits internationales Presseecho bekommen. „Mit der Ausstellung „Critical Consumption“ öffnet das MAK den kritischen Blick für einen Bereich, der wie kein zweiter für Konsum, den ständigen Wunsch nach Neuem und für schnellen Wandel steht“, heißt es auf der Homepage. Leider habe ich die Ausstellung noch nicht gesehen, sie wurde Ende August eröffnet und läuft bis Anfang September 2024, da ist also noch Zeit. Ich wollte aber nicht warten, auch weil ich denke, dass einige Wien-based Slow-Fashion-Leser*innen dieses Blogs sich das anschauen möchten und habe die Kuratorin der Schau Lara Steinhäußer auf Zoom zum Interview getroffen. Sie ist Kustodin der MAK-Sammlung Textilien und Teppiche.critical consumption_2 (c) mak WienDie Ausstellung ist Teil der Initiative 10 x 17 SDGs (Sustainable Development Goals), in der 10 Wiener Museen nachhaltige Entwicklung thematisieren und sich mit einem ausgesuchten und einem zugelosten SDG beschäftigen – für das MAK waren das bewusster Konsum und Kollaborationen. Wichtig sei bei der Konzeption gewesen, sagt Lara Steinhäußer, möglichst viele Leute zu erreichen und eine Präsentationsweise zu entwickeln, die einlädt, sich mit den Themen auseinanderzusetzen und aktiv zu partizipieren. Inspiriert habe sie dabei auch die Ausstellung „Fast Fashion. Die Schattenseiten der Mode“, die 2015 im Museum für Gewerbe und Kunst Hamburg stattfand und wo bereits viel Recherchearbeit geleistet wurde.

Lara, wie ist die Ausstellung „Critical Consumption“ angelegt?

Die Idee für diese Ausstellung ist während der Pandemie entstanden, ich habe mich aus phänomenologischer Perspektive mit dem Prinzip des Konsums beschäftigt. Es gibt diese tolle künstlerische Arbeit von Barbara Kruger „I shop therefore I am“, sie thematisiert u. a. gesellschaftliche Zugehörigkeit, denn die Dinge, die man sich aussucht, repräsentieren uns auch. Diese Kultur des Shoppings und welche Rolle das Museum dabei spielt, das hat mich interessiert. Die Ausstellung erstreckt sich über 160 m2, es gibt eine zentrale Vitrine mit historischen Stücken, rundherum sind Hands-on-Stationen, Kunst-Installationen und Videoarbeiten.critical consumption_3 MAK Wien (c) 01_SylvieFleuryAcneWie wird die Ausstellung bisher angenommen?

Unserer Direktorin Lilli Hollein war wichtig, dass wir eine graphische und visuelle Gestaltung entwickeln, die das Thema auch für junge Zielgruppen interessant und greifbar macht. Viele Schulklassen sind bereits gekommen und das Pressecho ist sehr gut. Ich habe viel recherchiert und darüber nachgedacht, was in den Vordergrund gerückt werden soll, was wichtig ist. Und das scheint aufgegangen zu sein.

Die Schau verknüpft historische Objekte und zeitgenössischen Arbeiten …

Ich komme aus der Kunstgeschichte und schaue gerne in die Vergangenheit, vor allem, was gelernt werden kann für heute und die Zukunft. So werden in der Ausstellung verschiedene Geschichten erzählt, wir zeigen textile Objekte, Designobjekte und Zeitschriften, auch zeitgenössische Kunst. Kunst drückt vieles so pointiert aus und zeigt gleichzeitig Ambivalenzen auf. Die Kombination von angewandter und bildender Kunst ist auch für Lilli Hollein ein wichtiger Ansatz und eine spannende Möglichkeit, Besucher*innen abzuholen. Dazu gibt es Hands-on-Stationen und interaktive Angebote, zum Beispiel eine Kleiderschrank-Analyse.critical consumption_4 (c) mak WienDiese Analyse findet ihr auch auf der Website, man kann das entsprechende Pdf herunterladen. Da wird zum Beispiel gefragt, wie zufrieden man mit seinem Kleiderschrank ist, wie gut sich die Teile kombinieren lassen, was man mit Fehlkäufen macht oder ob einen der Inhalt seines Schrankes überfordert – ich gestehe, mich manchmal schon. Ein sehr guter Ausgangspunkt jedenfalls, sich den Status quo bewusst zu machen und daraus bessere Konsumgewohnheiten zu entwickeln. 

Lara, neben dem Ziel der Ausstellung das eigene Kaufverhalten zu reflektieren und für bewussten Konsum zu sensibilisieren, geht’s auch darum, die Probleme der Modeindustrie aufzuzeigen?

Ja, es geht auch um Problemsensibilisierung in dieser Hinsicht. Mit Blick auf die Geschichte lässt sich da viel erforschen. Ich habe dazu den Zeitraum der letzten 300 Jahre ausgewählt – kurz vor der Industriellen Revolution bis heute. Da lässt sich gut erkennen, wie sich unsere Konsummuster und Shopping-Kultur, aber auch die Produktionsbedingungen und Herstellungsweisen entwickelt haben. Vor allem sieht man, dass es ein gewachsenes Phänomen ist, das verglichen mit der Menschheitsgeschichte nur einen sehr kurzen Zeitraum einnimmt. Unsere Realität ist also nicht in Stein gemeißelt, das heißt, sie lässt sich auch wieder verändern. Wir sind nicht nur ein konsumierendes Ich, wir sind auch mündige Bürger*innen, die viele Möglichkeiten haben. Deshalb zeigt die Ausstellung auch positive Beispiele, nicht nur negative. Die Kritikfähigkeit der Konsument*innen, so beobachte ich, hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen, es gibt Initiativen wie die Clean Clothes Campaign oder Fashion Revolution. Das Thema scheint bei vielen, auch bei Unternehmen, angekommen zu sein. Wir sprechen in der Ausstellung auch Greenwashing an, möchten jedoch keine Gräben aufreißen, sondern dafür sensibilisieren, dass wir alle Verantwortung tragen. Es gibt ja keine Definition bisher, was per se nachhaltig ist, aber es gibt bereits viel, woran man anknüpfen kann. Alles läuft darauf hinaus, weniger zu konsumieren und bewusster.critical consumption_5 MAK Wien (c) 11_InesDoujakFiresWir alle sind Konsument*innen und werden wohl nicht aufhören, zu konsumieren in naher Zukunft. Was mich nachdenklich stimmt ist, wie sorglos wir mit Bekleidung umgehen und wie wenig wir immer noch wissen über ihre Herstellungsweise …

Die Ausstellung will auch vermitteln, dass konsumieren nicht nur den Akt des Kaufens meint, sondern auch die Beziehung mit den Objekten darüber hinaus. Wir sprechen Pflege an, wie wichtig es ist Kleidungsstücke gut zu entsorgen, zum Beispiel durch Weitergeben, es geht um Recycling, Upcycling, Sharing & Caring, thematisiert werden auch die ökologischen und soziale Implikationen von Materialien. Das ist zwar alles nicht neu, aber führt konkret vor Augen, wie sich unsere Wegwerfgesellschaft historisch entwickelt hat und dass wir unsere Konsummuster auch wieder verändern können. Deutlich werden soll auch, wieviel manuelle Arbeit hinter Textilien steckte und steckt. Wir thematisieren Aspekte des Kreislaufdenkens und die (historische) Verbindung von Weiblichkeit und textiler Handarbeit. Auch Konsum und Frau sind sehr stark miteinander verknüpft und wir regen zum Nachdenken an, was das über die Rolle der Frau damals und heute aussagt.critical consumption_6 (c) mak WienWie schaut dein persönlicher Zugang zu Mode aus?

Ich interessiere mich sehr für Kleidung und textiles Handwerk und habe eine große Faszination und Respekt für historische und zum Teil auch noch zeitgenössische Techniken. Ich schaue mir immer wieder Ausstellungen zu Designer*innen an und beschäftige mich auch mit Modetheorie. Es ist spannend zu sehen, welche gesellschaftlichen Bewertungen mit Mode verbunden sind und wie wir darüber unseren sozialen Status kommunizieren. Schon seit ich 15 trage ich gerne Vintage-Kleidung, doch in den letzten Jahren macht sich verantwortungsbewusstes Konsumieren immer stärker bemerkbar in meinem Kleiderschrank. Ich kaufe zum Beispiel keine Teile mehr, die nur im Moment funktionieren, weil sie so trendy sind. Aber ich bin kein Beispiel dafür, wie man alles richtig macht. Das versuche ich auch in der Ausstellung zu thematisieren: Es ist besser, viele machen es ein bisschen gut, als niemand macht irgendwas richtig.critical consumption_7 (c) mak WienDie Ausstellung „Critical Consumption“ im MAK, kuratiert von Lara Steinhäußer, bietet auch ein umfangreiches Vermittlungsprogramm. Eröffnet wurde sie mit einer Gesprächsrunde mit Alec Leach – hier gibt’s Infos zu seinem sehr lesenswerten Buch – und der (von mir sehr geschätzten) Designerin Sabinna Rachimova, das Gespräch könnt ihr hier nachhören. Zu sehen ist die Ausstellung noch bis 8. September 2024. 

Fotos: (1, 4, 6, 7) Ausstellungsansicht © MAK; (2) Lara Steinhäußer im Gespräch mit Sabinna Rachimova und Alec Leach im Rahmen der Eröffnung; (3) Sylvie Fleury, Acne 2014, Courtesy Galerie Mehdi Chouakri © Gunnar Meier, Schweiz; (11) Ines Doujak, Detail aus dem Textil Fires, 2010 © Ines Doujak.

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