Fashion + Design > Fashion

March 29, 2023

Arnold Gevers entwirft Mode mit Zero Waste Design

Susanne Barta

Kennengelernt habe ich Arnold und seine Arbeit im Rahmen von GREENSTYLE. Das Konzept Zero Waste – so zu produzieren, dass alle Ressourcen verwendet werden und kein Abfall entsteht – interessiert mich schon lange. Auch überzeugt mich Arnolds Umsetzung ästhetisch. Die Fashion Industrie produziert eine so überwältigende Menge an Abfall, da braucht es dringend (skalierbare) Strategien, die andere Wege ermöglichen. Arnold lebt in München, hat klassisches Design studiert, in Paris für John Galliano und Bernhard Wilhelm gearbeitet und 2019 sein Zero Waste Label AA Gold gegründet. Seine Stücke sind meist one size und zeichnen sich durch hochwertige Materialien und sehr schöne Silhouetten aus. Die kleinen Kollektionen, er spricht von „Drops“, tragen Namen wie „Bausch“ – inspiriert von der legendären Tänzerin Pina Bausch – „Solid“ oder „Nelken“. Arnold beschreibt seine Mode als „smart-casual, ethischer Luxus und inklusiv“. Vor kurzem ist ein neuer Drop erschienen mit Sweatshirts, Hoodies, Hosen und Tops, die so angenehm zu tragen aussehen, dass ich am liebsten gleich hineinschlüpfen möchte.Arnold Gevers 2 © AA Gold:Arnold GeversArnold, wie herausfordernd ist der Weg vom klassischen Design zu Zero Waste?

So zu designen ist natürlich aufwendiger, denn man muss das System ändern, nach dem die traditionelle Modeindustrie funktioniert. Aber wenn diese Prozesse einmal installiert sind, dann kann man gut damit arbeiten. Mich interessiert dieser systemsiche Ansatz. In das Thema bin ich 2016 geradezu hineingestolpert. Ein Künstler hatte einen wunderschönen Jacquard-Stoff für eine Ausstellung entwickelt und es stellte sich die Frage, was denn nach der Schau mit diesem wertvollen Stoff passieren soll. Ich wollte kein bisschen davon verlieren und so fing ich an mich mit Zero Waste Design zu beschäftigen. Ich komme ja aus dem klassischen Design und früher dachte ich, dass mich Nachhaltigkeit in meiner Arbeit einschränken würde. Obwohl sie immer ein wichtiger Teil in meinem Privatleben war. Erst später begann ich zu erkennen, welch besonderes Potenzial darin liegen könnte. Als Pionierin möchte ich Holly McQuillan nennen – mittlerweile gibt es eine weltweite und sehr aktive Zero Waste Community, die ihr Wissen auch gerne teilt. Arnold Gevers 3+4 © AA Gold:Arnold GeversWie muss man sich den Designprozess vorstellen?

Ich bemühe gerne das Bild von Karl Lagerfeld, der dasitzt und zeichnet. Daran anschließend beginnt der Prozess, das Bild in die Realität umzusetzen. Ein Schnitt wird gemacht, die Stoffe gesucht … alles wird diesem Bild untergeordnet. Für mich verläuft dieser Prozess genau umgekehrt. Ich fange mit meinen Rahmenbedingungen an: womit arbeite ich, welche Breite hat der Stoff … dann erst geht’s darum, welches Kleidungsstück möchte ich entwickeln. Der Designprozess ist nachgeordnet. Wenn ich die erste Form, die erste Hülle entwickelt habe, schaue ich, was das Kleidungsstück kann. Es ist also die Umkehrung des bekannten Wegs.

Ich habe auf deiner Website gelesen, dass du Mode als Medium nutzen möchtest. Was kommunizierst du?

Ich liebe Mode und verstehe das Vergnügen, sich zu kleiden, sich mit dem, was man anhat, auszudrücken. Oftmals habe ich den Eindruck, dass man Mode nicht wirklich darf, wenn man über Nachhaltigkeit spricht. Es ist wichtig, den Prozess, wie Mode entsteht, zu hinterfragen. Denn das, was übrigbleibt, wird kaum bedacht, es interessiert auch kaum jemanden. Mir ist es wichtig, mich mit dem beschäftigen, was bleibt, wenn man zuschneidet. Auch wie man das, was es schon gibt auf der Welt, nutzen und daraus etwas Neues machen kann. Konzepte wie „Repurposing“ interessieren mich. Wie kann man sein System Richtung Zirkularität ausrichten, dass am Ende nichts übrigbleibt? Das möchte ich vermitteln. Arnold Gevers 5 © AA Gold:Arnold GeversZero Waste verstehst du in Bezug auf Ressourcen, Schnitte und Techniken?

Wenn ich an der Nähmaschine sitze habe ich viel Zeit nachzudenken. Zero Waste ist nur ein Teil von Nachhaltigkeit. Material ist ein wichtiges Thema, Bio-Baumwolle das große Schlagwort. Aber bei genauem Hinsehen ist die Verwendung von Bio-Baumwolle auch nicht unproblematisch. Es gibt so viele Materialien, die schon da sind, mit denen sollte man zuerst arbeiten. Vor allem mit Materialien, die für einen zirkulären Prozess taugen, die man recyclen kann, die biodegradable sind. Das sind spannende Möglichkeiten und ich für mich brauche es, über meine Rolle als Designer immer wieder nachzudenken.

Du entwirfst kleine, feine Kollektionen, du sprichst von Drops. Wie läuft dein Label?

Das, was ich anbiete, richtet sich nach meinen aktuellen Möglichkeiten. Ich arbeite vor allem mit einer Größe. Das hat auch praktische Gründe, denn wenn ich den Stoff einmal angepasst habe, ist das Gradieren nicht so einfach. Auch hat mich meine Vorliebe für Secondhand Kleidung geprägt. Wenn mir etwas gefällt und es passt, dann kaufe ich es, egal welche Größe draufsteht. Diese Idee der genauen Größe ist mir also etwas fremd. Ein Label aufzubauen ist sehr komplex. Ich bin alleine und arbeite mit einer Näherei in München und einer in Rumänien zusammen. Ich mache also, was ich schaffe.Arnold Gevers 6+7 © AA Gold:Arnold GeversDu unterrichtest an der AMD München Mode und Design. Wie gehen deine Student*innen an das Thema Nachhaltigkeit heran?

Das Thema ist da, aber gerade am Anfang setzen sie sich sehr zögerlich mit Nachhaltigkeit in der Mode auseinander. Ich beobachte das Gefühl, „man nimmt mir was weg, ich kann nicht alles machen, was ich möchte.“ Diese Einstellung verändert sich meist im Laufe des Studiums, viele fangen an nachhaltige Strategien in ihre Arbeit einzubauen. 

Du sprichst davon, Kleidung für das Future Self zu designen. Was meinst du damit?

Das Future Self ist mein Protagonist, meine Muse. Wir sind im Übergang von etwas zu etwas. Es gibt viele Ansätze, keiner weiß genau, was die Lösung, welcher Weg der richtige ist. Für mich ist daher wichtig, wenn ich über Kleidung nachdenke, die ich anziehe, dass das in die Zukunft gerichtet ist. Ich möchte Kleidung lange Zeit benutzen, keinen schnellen Trends folgen und heute damit anfangen, mein Selbst schlauer zu machen. 

Wo findet man deine Designs?

Es ist sehr schwierig als kleines Label irgendwo hin zu kommen. 2019 habe ich über Crowdfunding angefangen AA Gold aufzubauen. Dann kam erst mal Corona. Im Moment gibt es noch viele Fragzeichen, wie meine Stücke an die Endverbraucher*innen kommen. Ich setze vor allem auf online und möchte in Zukunft die Eigenvermarktung noch mehr forcieren.Arnold Gevers 8+9 © AA Gold:Arnold GeversDie SS 2023 Kollektion von AA Gold heißt NELKEN – Love Pushes & Love Pulls. Interessiert euch Zero Waste Design? Schaut vorbei auf Arnolds Website oder Instagram. Und hier gibt’s auch ein Video mit der Zero Waste Pionierin Holly McQuillan. 

Fotos © AA Gold/Arnold Gevers

Print

Like + Share

Comments

Current day month ye@r *

Discussion+

There are no comments for this article.

Archive > Fashion