Fashion + Design > Fashion

July 7, 2021

Ein Lieferkettengesetz für Italien!

Susanne Barta

Frankreich hat eins. Deutschland hat eins beschlossen. Und Italien bekommt hoffentlich (irgendwann) auch eins. Ein Lieferkettengesetz. Dass der Weg dorthin vermutlich ein langer wird, ist anzunehmen, aber immerhin sind die ersten Schritte gesetzt. Die grüne Fraktion im Südtiroler Landtag hat im März 2020 einen ausführlichen Begehrensantrag gestellt, der nun in reduzierter Form am 30.6.2021 beschlossen wurde. Worum geht’s hier genau?

Die Lieferketten, vor allem in der Textilindustrie, sind lange und komplex. Ein Beispiel: Ein T-Shirt, das für einige Euro bei einer der großen Ketten erworben werden kann, startet seine Reise vielleicht in Usbekistan, Kasachstan, einem afrikanischen Land oder den USA, wo die Baumwolle angebaut wird, in China und/oder Indien wird die Rohbaumwolle dann in großen Textilfabriken versponnen, verstrickt, gebleicht und gefärbt, in Bangladesch wird das T-Shirt genäht und dann kommt es nach Italien zum Verkauf. Bei einigen dieser Schritte sind zum Teil auch jede Menge Subunternehmen involviert.© Lieferkettengesetz­.de 2Das ist natürlich nicht besonders nachhaltig, wenn ein T-Shirt mehrere Kontinente durchquert, bis es im Laden ankommt. Dazu kommt aber: Unternehmen haften bisher nicht dafür, wenn zum Beispiel die Baumwolle, die sie verwenden unter menschenunwürdigen Bedingungen produziert wird, in Sweatshops rund um die Uhr zu Hungerlöhnen genäht oder Chemikalien eingesetzt werden, die bei uns schon längst verboten sind. Deshalb braucht es ein Lieferkettengesetz, damit unternehmerische Sorgfaltspflichten nicht nur im eigenen Land gelten, sondern eben auch für die Länder der Lieferkette. Nicht verwunderlich, dass sich viele Unternehmen dagegen sträuben, denn das hieße transparent zu machen und Verantwortung dafür zu übernehmen, wo und wie die Materialien und Produkte hergestellt und verarbeitet werden. Ein „Made in Italy“ zum Beispiel sagt noch gar nichts darüber aus, wo der Großteil der Arbeitsschritte erfolgt ist.

Der Zusammenbruch der indischen Textilfabrik Rana Plaza 2013, bei dem über 1.100 Menschen ums Leben kamen und mehr als 2.000 verletzt wurden, hat erstmals weltweite Aufmerksamkeit auf die Arbeitsbedingungen in der globalen Modeindustrie gerichtet. Die Unternehmen schworen Besserung, Konsument*innen wollten bewusster einkaufen. Passiert ist ein bisschen was, weniger auf Seite der Unternehmen, als auf aktivistischer Ebene. Aber immerhin geht das Thema nicht mehr weg, vor allem seit Corona. Die Pandemie hat stärker als jemals zuvor offengelegt, was im System schiefläuft.© Remy Gieling unsplash 3Da Südtirol zu diesem Thema keine Gesetzgebungskompetenz hat, hat die Grüne Fraktion einen Begehrensantrag gestellt, der sich an das italienische Parlament richtet. Wie gesagt, er wurde empfindlich reduziert, die reduzierte Form ist ein Kompromiss mit der SVP. „Mehr war nicht drin“, sagt die grüne Landtagsabgeordnete Brigitte Foppa. Der Antrag lautet nun so: „Italien braucht ein Lieferkettengesetz: Für Textilien, aber nicht nur.“ Es wird der Auftrag erteilt „gesetzliche Maßnahmen zu ergreifen, um in Zusammenarbeit mit Unternehmen-und Konsumentenverbänden, Lohn-, Sozial-, und Umweltdumping beim Import von Rohstoffen, Produkten, Handelswaren und Dienstleistungen zu unterbinden.“

Ich habe Brigitte Foppa im Landtag getroffen und sie dazu befragt: 

Brigitte, Sensibilisierungskampagnen richten sich meist an Konsument*innen, unternehmerische Verantwortung, auch staatliche, wird gerne außen vor gelassen, wenn es um transparentere Lieferketten geht. Was habt ihr euch hier vorgenommen?  

Wir nehmen genau dieses Dreieck in den Fokus. Die globalen Lieferketten sind komplex, deshalb ist es so wichtig, neben der Verantwortung der Konsument*innen, auch die der Unternehmen und der Staaten miteinzubeziehen. Das Problem bisher ist, dass jeder die Verantwortung auf den anderen abwälzt. Unternehmen sagen, die Konsument*innen sollen das regeln, die Konsument*innen sagen, der Staat müsse was tun, und der Staat sagt, dass die Unternehmen hier gefragt seien. Im Begehrensantrag haben wir versucht, eine entsprechende Formulierung zu finden, aber zunächst ist es wichtig, dass der Staat, also Italien, hier ein Gesetz ausarbeitet, das Unternehmen Sorgfaltspflichten für ihre Lieferketten auferlegt.© Susanne Barta 4Die Grünen haben sich mit der SVP geeinigt, zumindest eine reduzierte Variante dem italienischen Parlament vorzulegen bzw. den Auftrag zu erteilen, ein Gesetz auszuarbeiten. Wie geht’s nun weiter?

Wir haben jetzt keine Kontrolle mehr darüber, was im Parlament passieren wird. Aber wir sind in Kontakt mit der sehr energischen Parlamentarierin Rossella Muroni, sie war die Ex-Präsidentin von Legambiente. An sie möchte ich das Thema in einem persönlichen Gespräch weitergeben und hoffe, dass sie unser Anliegen aufgreift. Ich denke auch an Julia Unterberger als Ansprechperson. Mit diesen beiden Frauen gibt es eine Chance, dass das Thema nicht wieder versandet. 

Viele Unternehmen fürchten, dass mit einem Lieferkettengesetz zu viel Verantwortung und Bürokratie auf sie zukomme, das Schweizer Referendum dazu ist kürzlich vor allem auch daran gescheitert …

Auch wenn klar ist, dass Lieferketten zum Teil schwer zu überblicken sind, oft viele Sub-, Sub-, Sub-Unternehmen beschäftigt sind, muss man doch einmal anfangen, Verantwortung zu übernehmen, welche Produkte man auf den Markt bringt. Genauso habe ich auch als Konsumentin Verantwortung möglichst bewusst einzukaufen. Dazu braucht es aber Anhaltspunkte, denn wenn die Lieferkette im Dunkeln liegt, kann ich mich nicht orientieren. 

Bisher hat sich in Italien, so wie es aussieht, noch niemand dieser Sache angenommen. Was hat euch dazu bewogen, das Thema aufzugreifen?

Wir überlegen schon lange wie man Umwelt-, Klimaschutz- und Menschenrechts-Themen weg bekommt von der reinen Verantwortung der Konsument*innen. Die Reichweite des/der Einzelnen ist zu klein, es braucht strukturelle Voraussetzungen. Wir suchen also nach Punkten, wo man das verzahnen kann. Die Lieferkette ist so ein Thema, wo man die verschiedenen Verantwortlichkeiten entwickeln und stimulieren kann.© Trisha Downing unsplashIn Deutschland ist es gelungen, die Zivilgesellschaft für das Thema zu aktivieren. Kann das auch in Italien gelingen?

Das wäre sehr wünschenswert, meine Erfahrung aber ist, dass es selten funktioniert, wenn es von der politischen Ebene ausgeht. Das geht nur, wenn das Thema schon wirklich präsent ist in der Gesellschaft, bisher habe ich das in Italien noch nicht gespürt. Allerdings können Gesetzesinitiativen starke Katalysatoren für gesellschaftliche Debatten sein. Ich bin aber realistisch, diese Prozesse dauern lang, denn es braucht die verschiedenen Akteure, um eine Sache weiterzubringen. Wir haben die Debatten in Deutschland zum Lieferkettengesetz verfolgt und gesehen, dass es stark von den Unternehmen abhängt, wie wichtig ihnen das Thema ist, wie weit sie auch Selbstsensibilisierung betreiben. In Deutschland ist das Gesetz nun ab 2023 für Betriebe ab 3.000 Mitarbeiter*innen wirksam, ab 2024 ab 1.000 Mitarbeiter*innen. Das ist auch ein zentraler Kritikpunkt, der geäußert wird, dass das Gesetz nur für die Großen gilt. Ich hoffe sehr, dass sich was tut in Italien.

Wie gesagt, es wird vermutlich ein langer Weg. In Deutschland ist es dann doch einigermaßen flott gegangen. Eine der Wegbereiterinnen, Lisa Jaspers, hat mit ihrer Initiative #fairbylaw (nur) zweieinhalb Jahre für ein Lieferkettengesetz gekämpft. Auch wenn das Gesetz in einigen Punkten aufgeweicht wurde, geht es laut Lisa aber vor allem um einen „Wandel im Mindset“. Und genau das braucht es auch in Italien.

Fotos: (1) © Fashion Revolution – Saheli Women; (2) © Lieferkettengesetz­.de; (3) © Remy Gieling unsplash; (4) © Susanne Barta; (5) © Trisha Downing unsplash 

Print

Like + Share

Comments

Current day month ye@r *

Discussion+

There are no comments for this article.

Related Articles