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January 12, 2022
Oscalito – Have a look at this Best Slow Fashion Practice
Susanne Barta
Das erste Mal auf Oscalito aufmerksam geworden bin ich, als franzmagazine-Co-Founderin Kunigunde Weissenegger die italienische Brand für ein nachhaltiges Unterwäsche-Special auf diesem Blog empfohlen hat. Kunigunde schwört auf Oscalito. Und wie es der Zufall will, macht eine Freundin meiner Schwiegertochter to be, gerade ein Praktikum bei Oscalito. Ich durfte mir einige Artikel zum Ausprobieren aussuchen und muss sagen: Ich bin begeistert. Nicht nur vom Tragekomfort und vom Style, sondern auch von der Art und Weise, wie Oscalito arbeitet und produziert. Hier ist ein Unternehmen, das Nachhaltigkeit wirklich ernst nimmt und das nicht erst seit heute. Oscalito bietet neben Unterwäsche für Frauen und Männer auch Basics an wie Rollkragenpullover, Lang- und Kurzarm-T-Shirts, jedes Stück kommt mit einer präzisen Material- und Pflegebeschreibung.
Oscalito-CEO Dario Casalini hat sich Zeit genommen meine Fragen zu beantworten. Er war Universitätsdozent für öffentliches Recht und hat 2013 die Leitung des Familienunternehmens übernommen.
Dario, Oscalito ist eine Marke mit Tradition, wofür steht das Unternehmen heute?
Oscalito ist seit 1936 seinen Werten treu geblieben, das bedeutet, ausschließliche Verwendung von Naturfasern oder Fasern natürlichen Ursprungs, höchste Qualität der Rohstoffe und der Verarbeitung und ein authentisches „Made in Italy“. Alle Produktionsphasen vom Garn bis zum fertigen Kleidungsstück – Weben, Finishing, Zuschnitt, Nähen, Qualitätskontrolle, Logistik – finden im Werk in Turin statt. Heute, 86 Jahre später, sind diese Werte eine wichtige Triebkraft für soziale und ökologische Nachhaltigkeit.
Nachhaltigkeit kann viel und wenig bedeuten. Was heißt Nachhaltigkeit für Oscalito?
Für uns bedeutet Nachhaltigkeit in erster Linie auf ein Produktions- und Konsummodell zu setzen, das die Umwelt und den Menschen respektiert. Und zwar nach einem umfassenden Ansatz, der alle Phasen des Textilproduktionsprozesses berücksichtigt: vom Anbau und der Gewinnung der Fasern über ihre Verarbeitung zu Garn und dann zu Stoffen bis hin zum Färben, Zuschnitt und Nähen, der Logistik, der Produktnutzung und schließlich der Entsorgung als Abfall. Nur einen dieser Aspekte zu berücksichtigen ist Greenwashing!
Auch „Made in Italy“ ist nicht immer Garantie für eine transparente und faire Produktionskette. Welche Qualitätsstandards hat Oscalito?
Leider sind die Rechtsvorschriften zum Schutz des „Made in Italy“ absichtlich schwammig formuliert und leicht zu umgehen. Für unsere eigenen Qualitäts- und Lieferkettenstandards haben wir seit 2013 eine vollständige und lückenlose Rückverfolgbarkeit vom Garn bis zum fertigen Kleidungsstück mit Hilfe der RFID-Technologie eingeführt und auch die italienische Identitätszertifizierung erhalten. 2021 hat Oscalito die OEKO-TEX®-STANDARD-100-Zertifizierung für mehr als 80 % seiner Endprodukte bekommen, 2022 möchten wir auch die OEKO-TEX®-MADE-IN-GREEN-Prozesszertifizierung erreichen.
Greenwashing ist eines der großen Themen in der Textilindustrie. Wie baut ihr Vertrauen in eure Marke auf?
Unser Engagement für soziale und ökologische Nachhaltigkeit spiegelt sich in jeder Produktionsphase wider und ist Teil unserer DNA. Der Schutz der Arbeitnehmerrechte ist uns dabei ebenso wichtig wie die Verringerung der Umweltauswirkungen in den Phasen der Produktentwicklung und -herstellung. All das hat zur Definition präziser jährlicher Ziele geführt, wo wir uns immer wieder neue Bereiche vornehmen: zum Beispiel Stickereien, Knöpfe, Reißverschlüsse oder die ausschließliche Verwendung von Energie aus erneuerbaren Quellen, die wir teilweise schon selbst mit einer Photovoltaikanlage erzeugen oder Verpackung, alle Papiere und Kartons werden recycelt, während die Umschläge aus Biokunststoff bestehen, das reduziert den CO2-Ausstoß oder das vollständige (also 100%ige) Recycling von Textilabfällen.
Mit welchen Materialien arbeitet Oscalito?
Oscalito verwendet für seine Stoffe ausschließlich Naturfasern (Wolle, Seide, Baumwolle, Leinen oder deren Mischungen), die auf verschiedene Weise zertifiziert sind (z. B. Mulesing free für Wolle, GOTS für Seide, OEKO-TEX® für Baumwolle) und oft bis zu ihrem Ursprung zurückverfolgt werden können. Wo es nicht möglich ist, Naturfasern zu verwenden, arbeiten wir mit Materialien mit einem hohen Nachhaltigkeitsgehalt: Spitzen aus recyceltem Polyester oder Polyamid, Knöpfe aus Naturfaserabfällen … Jede Saison entwickeln wir auch eine upgecycelte Capsule-Collection, die aus Bestandsmaterialien früherer Saisonen hergestellt wird und zum Beispiel ikonische Stücke aus den Archivkollektionen aufgreift.
Welche Rolle spielt das Design?
Das Design ist sehr wichtig. Für uns bedeutet Nachhaltigkeit nicht, auf „bellezza“, Schönheit zu verzichten. Unsere Idee von Schönheit bezieht aber unsere Werte mit ein, das heißt, es geht um ein gesundes Produkt, das gut für den Träger ist, ein sauberes Produkt, das die Umwelt so wenig als möglich belastet, ein faires Produkt, das die Rechte derjenigen respektiert, die am Herstellungsprozess beteiligt sind und natürlich geht es auch um ein langlebiges Produkt.
Kann die Textilindustrie jemals nachhaltig(er) und fair(er) werden, wenn die Geschäftsmodelle nicht grundlegend verändert werden?
Es gibt Textilunternehmen wie Oscalito, die bereits vieles umsetzen, aber ja, es braucht eine echte Revolution im Bereich der Produktions- und Konsummodelle in unserer Branche. Phänomene wie Fast Fashion und ständig wechselnde Modetrends, die durch hypervernetzte Medien noch beschleunigt werden, sind nicht zeitgemäß und müssen dringend verändert werden. Die Kommunikationsflut, die täglich über uns hereinbricht, ist ein großes Problem, weil Konsumenten immer weniger in der Lage sind, das „Richtige“ vom „Falschen“ zu unterscheiden, Stichwort Greenwashing. Auf Veränderungen seitens der Gesetzgebung oder der Industrie können wir nicht warten, wir müssen selbst aktiv werden. Das heißt, kritisch und bewusst konsumieren und auf gesunde, saubere, faire und langlebige Produkte setzen.
Eure nächsten Ziele?
Für 2022 haben wir uns vorgenommen, noch weniger als bisher mit Plastik zu arbeiten und die Rückverfolgung der Lieferketten weiter zu verbessern, insbesondere im Hinblick auf die Herkunft der von uns verwendeten Fasern. Außerdem möchten wir zwei wichtige Initiativen umsetzen: Unterwäsche auf Maß anbieten und ein Stickerei-Service, das die Spuren der Zeit durch langes Tragen unserer Kleidungsstücke kreativ hervorheben und so die Lebensdauer unserer Produkte verlängern soll. Neben der Weiterentwicklung unserer Nachhaltigkeitsanstrengungen möchten wir aber auch einen Fokus auf eine bessere Kommunikation unserer Aktivitäten setzen.
Was noch?
Ich möchte nochmals betonen, dass Konsument*innen sehr viel bewirken können. Sich für gesunde, saubere, faire und langlebige Produkte zu entscheiden, ist der einzige Weg, unseren Planeten zu retten.
Dario Casalini hat vor kurzem auch ein Buch veröffentlicht, das die Prinzipien von Slow Food „gut, sauber und fair“ auf die Textilindustrie überträgt. „Vestire buono, pulito e giusto. Per tornare a una moda sostenibile” ist bei Slow Food Editore erschienen.
Gerade wenn Kleidungsstücke direkt auf der Haut getragen werden, sollte man, finde ich, besonders gut darauf achten, für welche Produkte man sich entscheidet. Oscalito ist hier, das kann man gut und gerne sagen, ein Best-Practice-Beispiel. Die Brand gibt’s auch bei Rubatscher unter den Bozner Lauben. Ich habe bei Rubatscher-Inhaberin Eva Ritter nachgefragt, wie Oscalito bei ihr und ihren Kund*innen ankommt, sie schätze das Unternehmen sehr, sagt sie, sowohl was die Zusammenarbeit, als auch die Produkte angehe. Oscalito sei innovativ, biete hohe Qualität bei den Materialien und der Verarbeitung und lege auch Wert darauf, gut mit dem Einzelfachhandel zusammenzuarbeiten.
Fotos: (1–11) © Oscalito; (12, 13) © Susanne Barta; ich trage einen dunkelblauen Rolli von Oscalito aus Wolle und Seide, dazu einen Blazer von Everlane, eine alte Cordhose und Secondhand-Stiefel.
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