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June 27, 2019
Il Masetto: Spielraum Kreativität im Terragnolo-Tal
Maria Oberrauch
Animierte Steine bewegen sich in einem Stop Motion Laboratorium, Kinder philosophieren unter grünem Nadelwerk, ein Waldradio hallt zwischen den Bäumen, es wird gezeichnet, gedruckt und konstruiert. Auf ein botanisches Laboratorium folgt eine Lesung, auf eine Buchausstellung die „Architektur der Bäume“ und anschließend ein Konzert. Kinder und Erwachsenen spielen, werkeln, forschen, zeichnen, testen, suchen, versuchen, finden, erfahren, gemeinsam und getrennt, nebeneinander und zueinander. Alles geht von diesem Gebäude aus in die Landschaft hinaus und wird in Erfahrungen und handwerkliche Projekte transformiert und irgendwo auch zurückgebracht. Wo wir sind? Vorhang auf: Il Masetto.
Im Frühjahr 2016 schrieb die Gemeinde Terragnolo (Trentino) einen Wettbewerb aus, Gianni Mittempergher und Giulia Mirandola beschlossen, sich mit einem Projekt zu bewerben, das die Landschaft, die Kultur, den Menschen, die traditionelle, ländliche Küche und dazugehörige Gastfreundschaft in den Mittelpunkt stellte. Den Ort dafür fanden sie im „Maso San Giuseppe“ in Geroli, einem Bauernhaus in den Bergen, das leicht abseits vom touristisch und urbanistisch erschlossenen Gebiet in der Valle di Terragnolo liegt. Sie bekamen den Auftrag und entstanden ist ein Sommerrefugium, das jeden beherbergt, der seine Zeit in der Natur verbringen und durch kreative Workshops, sportliche Aktivitäten oder einfach nur ein gutes Essen neue Erfahrungen, Sinneserlebnisse und Weiterbildung erfahren möchte.
Der Masetto ist ein Ort, der sich bewusst zwischen zwei Gewalten platziert, zwischen menschgemachter Kultur und naturgemachter Umgebung und es ist der Versuch, diese Umstände zu verbinden und das Beste daraus zu machen: Freiraum und Schutzort, Schule und Bühne, Gasthaus und Werkstätte, Herberge und Ausgangspunkt für Entdeckungen: Täglich von Mitte Juni bis September finden hier Workshops, Buchpräsentationen, Ausstellungen, Gespräche mit Schriftstellern und Verlegern, Künstlerresidenzen, Wanderungen, Buchbankette, Landschaftsinterpretation und wissenschaftliche Bildung statt. Die Geschichten, die hier geschrieben werden, ergänzen die Geschichten, die gehört und gelesen werden, und so entsteht ein Kreislauf intensiver kultureller Rezeption und Produktion in einem Kontext, den viele Menschen heute missen: Die Abgeschiedenheit der Natur fern von städtischen Mustern, das soziale Miteinander und der Austausch, das Bewusstsein für die Potentiale der Natur und jede Menge Spielraum für den großen Schatz Kreativität.
24 Betten warten auf müde Knochen nach ereignisreichen Tagen und ermöglichen so Urlaubswochen für die ganze Familie. Auch Gäste die nicht am Programm teilnehmen, sondern nur einen Zwischenstopp von ihrer Radtour oder Wanderung einlegen, sind herzlich willkommen, sich hier auszurasten, zu speisen und den Spielplatz Natur zu genießen.
In diesem Sommer geht der Masetto in die dritte Runde und rückt mit seinem Programm in den Fokus, was seine Welt umgibt und prägt: die Landschaft des Terragnolo-Tals. Denn im letzten Jahr ist einiges passiert, das verarbeitet werden will. Im Oktober 2018 wurde das Terragnolo-Tal vom Sturm Vaia heimgesucht, der in wenigen Stunden die gewohnte Berglandschaft veränderte. Im Frühjahr 2019 wurde die Planung einer Autobahnausfahrt und Schnellstraße durch das Tal bekannt. Die Kultursaison 2019 wird sich deshalb insbesondere dem Wald und seiner Erhaltung widmen.
Fotos: Elisa Vettori 1, 2, 3, 4, 5, 6, 11, 12, 13; Zeichnung von Marina Marcolin beim Workshop “Non più non ancora. Disegni di case disabitate” 7; Zeichnung von Gioia Marchegiani aus “Il campanello d’argento” (Topipittori) 8; Poster von Ruggero Asnago für “La parata degli spaventapasseri” 9; Gabriele Moscatelli 10; Il Masetto 13.
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