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November 30, 2023

Angelus Loci: Die Stadt in Hubert Kostners Licht

Maria Oberrauch
Zum zweiten Mal erhellt 2023 das Kunstprojekt „Angelus Loci“, initiiert von der Gemeinde Bozen und dem Verkehrsamt Bozen und kuratiert von franzLAB, von 23. November 2023 bis 6. Jänner 2024 die Plätze und Straßen von Bozen. „Angelo Rosa“ von Carla Cardinaletti ist an der Kreuzung Laurinstraße/Raingasse zu sehen, „Still With Earthly Desires“ und „Aspirant“ von Michael Fliri in der Handelskammer Bozen, „VEHUIAH“ von Elisa Grezzani an der Dominikanerkirche und „L U C I“ von Hubert Kostner bei der eurac research.*

„Materialien und Gegenstände aus dem unmittelbaren Umfeld des Künstlers werden aus dem konventionellen Kontext gelöst und dadurch neu lesbar gemacht. Seine scharfsinnige und individuelle Sichtweise tritt dem Alltäglichen mit den Waffen einer nüchternen Feinsinnigkeit entgegen. Kostners Arbeiten bleiben von Anklagen jedoch entfernt und bewegen sich vielmehr im Bereich einer nicht unbedingt versöhnlichen Ironie. In seinen Werken geht es im Grunde auch darum, hinter einem idealistischen Weltbild ursprüngliche Bedeutungen und tatsächliche Wirklichkeiten zu entlarven und unsere Vision der Welt zurechtzurücken.“ – Um Hubert Kostners Arbeit zu beschreiben, zitiert man am besten Kuratorin Claudia Klammer. 

Im Rahmen des Projektes „Angelus Loci“ von franzLAB, in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Bozen und dem Verkehrsamt Bozen, haben vier hervorragende Künstler*innen den Engel in der Stadt Bozen verortet. Hubert Kostner erhellt mit seiner Lichtarbeit „L U C I“ den Platz unter dem EURAC-Turm in der Drususallee. In alle Himmelsrichtungen strahlt das Wort in den Advent, abseits vom Lichterleuchten des Christkindlmarktes und doch oder gerade deshalb mit unübersehbarer, schöner, warmer Kraft.

Wie bist du das Thema „Engel“ angegangen? Wie hast du diese doch nicht ganz leichte Aufgabe aufgefasst?

Zu Weihnachten feierte man schon immer die Wiederkehr des Lichtes und Licht ist die Verbindung zwischen dem heidnischen Ursprung des Festes – die Tage, die wieder länger werden – und der religiösen Botschaft der Geburt Jesu. Der Engel steht für mich in direktem Bezug zum Licht. Ich wurde christlich erzogen und erinnere ich mich gerne an die Geschichte von den Engeln, die den Hirten am Feld erscheinen und in helles Licht getaucht die weihnachtliche Botschaft der Geburt Christi verkünden. Diese Erzählung und das darin beschriebene helle Licht war für mich der Schlüssel zum Thema Engel.

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Welche technischen Herausforderungen gab es in der Verwirklichung des Kunstwerks?

In den 20 Jahren meiner Tätigkeit bin ich noch nie an solche technischen und bürokratischen Schwierigkeiten geraten wie jetzt in Bozen. Die Herausforderungen betrafen vor allem das permanente Warten auf Genehmigungen, die dann doch nicht erteilt wurden, das damit einhergehende Ändern des Standortes der Arbeit, das erneute Planen und Suchen neuer Lösungen … Insgesamt mussten wir fünf Lösungen andenken, erarbeiten und technisch planen, um bis zuletzt eine Absage im letzten Moment zu erhalten. Die technische Umsetzung selbst war keine Herausforderung mehr, sobald der Standort endlich definiert war. Das Werk ist von einem einheimischen Zimmereibetrieb in Seis am Schlern gezeichnet und umgesetzt worden. Transport und Aufbau verliefen unkompliziert.

Wie arbeitet das Kunstwerk, was soll es bewirken, wie bestenfalls betrachtet werden? Und wie konkret ist der Bezug zu Bozen?

L U C I steht in direktem Bezug zur Stadt und zur faschistischen Architektur in Bozen. Es nimmt auch Bezug auf den politischen Wunsch, die italienischen Zonen von Bozen in das weihnachtliche Geschehen der Stadt zu integrieren. Ursprünglich geplant wurde L U C I für das INA-Gebäude am Siegesplatz, die EURAC mit ihrem vorgelagerten Platz entspricht der Idee aber letztendlich sehr gut: Der Platz ist öffentlich, aber wenig belebt und die Struktur das vielleicht einzige gute Beispiel in Bozen, für eine gelungene Verbindung der formal hervorragenden faschistischen Architektur mit der Jetztzeit. Das Gebäude hat seine Seele bewahrt und ist zu einem wichtigen Teil der modernen Stadt geworden. Es hat Inhalt und Sinn, trotz seiner faschistischen Vergangenheit.
Das Werk selbst ist eine Maßanfertigung und steht für das rückkehrende Licht der Wintersonnenwende, für das christliche Licht der Engel, für die Adventszeit und für die kulturelle Aufwertung des Christkindlmarktes durch Kunst. Es soll das italienische Bozen mit dem deutschen Bozen verbinden. L U C I steht aber auch für eine mentale Erhellung der Menschen selbst: im Sinne eines friedvollen Zusammenlebens und eines erleuchteten Menschseins.

Hubert Kostner Skizze

In welchem Bezug steht das Projekt Angelus Loci zum eigenen künstlerischen Zu- und Werdegang?

Ortsbezogene Umsetzungen, salopp formuliert „locis“, interessieren mich schon immer, der Bezug zu Architektur und Landschaft auch. Bereits 2007 durfte ich am EURAC-Turm ein ortsspezifisches Projekt realisieren, Angelus Loci ist somit eine Rückkehr zu diesem schönen Gebäude. Populäre Themen sind mir sympathisch und beim Arbeiten mit Lettern bin ich Wiederholungstäter. Neu für mich an diesem Projekt ist der Versuch, einer sehr kommerziellen Verkaufsveranstaltung wie dem Christkindlmarkt etwas Kunst beimischen zu wollen. Ich finde den Ansatz gut und auch wenn der Anfang vielleicht noch etwas bescheiden ist, geht in Zukunft hoffentlich noch mehr. Bozen muss noch viele Tabus in Bezug auf die eigene Geschichte angehen und verarbeiten. Im Vergleich mit anderen, viel kleineren Städten in Südtirol, hinkt die Stadt beim Umsetzen von Kunst weit hinterher. Da gibt es unbedingt Aufholbedarf.
Positiv anzumerken in meiner Erfahrung mit L U C I ist, dass keine Arbeit definitv ist, sondern formell einem kontinuierlichen Wandel unterliegt und diesen auch aushalten muss, wenn sie funktionieren will. Es gilt vor allem, für die Inhalte der eigenen Arbeit einzustehen und für deren formelle Umsetzung flexibel und fair zu kämpfen.

Hubert Kostner© Simon Perathoner

Woran arbeitest du sonst gerade? Welche Materialien, Themen, Ideen „beflügeln“ deine Arbeit?

Momentan arbeite ich mit traditionellen Holzschnitzereien, die ich hoble und transformiere, sie mit Buntstiften bemale und so für mich stimmig zurechtrücke. Auschlaggebend für L U C I waren rohe, sägeraue Fichtenbretter, schöne breite Flügel (30 cm) aus einem Stück und der liebenswerte Charakter von Georg Gabrielli.

Was birgt die Zukunft?

Ich bin heuer 50 Jahre alt geworden und tendiere dazu, die Vergangenheit als „Besser“ zu empfinden. Ein Großteil der gesamten Intelligenz meiner Generation wird und wurde dafür verwendet, die Welt zu digitalisieren und ich erkenne keinen großen Mehrwert darin. Die Zukunft digitalisiert sich aber sicher noch mehr und wenn man sich dann noch den fortschreitenden Klimawandel anschaut, klingt das für mich manchmal einfach nach zu wenig „Gutem“, was da aktuell passiert. Vermutlich bringt die Zukunft aber auch vieles „Viel besser“, als ich es jetzt befürchte.

*Das Kunstprojekt „Angelus Loci“ fand erstmals 2021 statt und ist nun in seiner zweiten Auflage von 23. November 2023 bis 6. Jänner 2024 Teil der diesjährigen Bozner Weihnacht. „L U C I“ von Hubert Kostner wurde auch Dank XAL GmbH, Alma Light der Natalie Tschigg und Von Lutz verwirklicht. 
Wörtlich übersetzt bedeutet der lateinische Begriff Genius Loci „Geist des Ortes“. In der römischen Mythologie war mit Genius ein Schutzgeist gemeint, der einen bestimmten Ort in der Natur oder Stadt einerseits beschützt und andererseits dessen besondere Merkmale definiert. In der Weihnachtszeit hat auch „Bozen – Stadt der Engel“ einen ebensolchen Schutzgeist: Mit dem Konzept des Angelus Loci – Engel des Ortes – haben sich vier Südtiroler Künstler*innen auseinandergesetzt und für vier verschiedene Orte temporär vier Kunstwerke geschaffen – im Sinne vieler weiterer Stadtorte: Carla Cardinaletti „Angelo Rosa“, Kreuzung Laurinstraße/Raingasse; Michael Fliri „Still With Earthly Desires“ + „Aspirant“  Handelskammer; Elisa Grezzani „VEHUIAH“, Dominikanerkirche; Hubert Kostner „L U C I“, eurac research, Drususallee. 

Fotos: (1, 2, 3) (c) Valentina Casalini; (4) (c) Simon Perathoner

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