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January 20, 2015

Vom Rebell zum Terrorist: Michael Kohlhaas im Stadttheater Bozen

Christine Kofler

Kleists Novelle in ein Drama zu verwandeln, ist kein einfaches Unterfangen. Die komplexen syntaktischen Konstruktionen der Kleistschen Sätze, die über halbe Seiten gehen, sind schon für den 140-Zeichen-gewohnten Leser des 21. Jahrhunderts keine leichte Kost. Doch erst im Theater! Kann das gut gehen? 

Vom Pferdehändler zum Besessenen

Geht es! Die aktuelle Inszenierung von Kleists Novelle “Michael Kohlhaas” der VBB erleichtert mit der abgespeckten Variante des Textes den Zugang zu diesem. Weil die Figuren gleichzeitig auch Erzähler sind und das Stück zwischen szenischer Umsetzung und erzählerischer Darstellung changiert, wirkt das Sperrige leicht – aber nicht zu leicht. Das Paradoxe an der Figur des Pferdehändlers Kohlhaas bleibt bestehen, auch wegen der zurückhaltenden Darstellung von Florian Eisner, die den Zuschauer im Ungewissen lässt. Ohne dass man es merkt, wandelt sich der Pferdehändler zum Besessenen – wenn auch nicht zum blutrünstigen Krieger, wie Kohlhaas andernorts dargestellt wurde. In der Interpretation von Regisseur Alexander Kratzer ist Kleists berühmteste Figur reduziert und unprätentiös.

Am Ende liegt die Stadt in Asche und die Bühne in Trümmern

“An den Ufern der Havel lebte, um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, ein Roßhändler, namens Michael Kohlhaas, Sohn eines Schulmeisters, einer der rechtschaffensten und zugleich entsetzlichsten Menschen seiner Zeit.” So beginnt die Geschichte von Michael Kohlhaas, der, auf dem Weg zum Markt, seine beiden Pferde bei dem Junker Wenzel von Tronka zurücklassen muss, um einen Passierschein zu besorgen. Als er zurück auf die Burg reitet, weiß er, was er bereits vermutete: Der Passierschein ist Schikane, es gibt ihn nicht. Als Kohlhaas nun seine Rappen zurückfordert, sind diese abgemagert bis auf die Knochen, sein Knecht verjagt. Der Pferdehändler zieht vor Gericht, doch der Junker, im Stück von Peter Schorn herausragend gespielt, lässt seinen Einfluss bei Hof walten, um die Klage versanden zu lassen. Beim Versuch zu intervenieren, stirbt Kohlhaas’ Frau. Nach der ruhigen, ersten Hälfte des Stücks beginnt nun der private Kreuzzug des rasenden Entrechteten gegen den Junker Wenzel von Tronka. Am Ende liegt eine Stadt in Asche und die Bühne in Trümmern.

Die Brüchigkeit der Zivilisation

Regisseur Alexander Kratzer bedient sich der Mittel, der sich auch Kleist bedient, um seinen Text nicht nur inhaltlich, sondern auch formal subversiv zu gestalten – Doppeldeutigkeiten und Ironie. So stapft der Wärter in einer SM-ähnlichen Lederkluft über die Bühne, als er Kohlhaas feixend über den angeblich nötigen Passierschein informiert. Die Figuren streifen sich ihre Kleidung und Rollen direkt vor den Augen des Zuschauers über. Sie sind genauso unbestimmt wie die Grenze zwischen Rechtschaffenen und Grausamen und unterstreichen die Brüchigkeit der Zivilisation.

Was ist Gerechtigkeit?

“Darf der Mensch die Gerechtigkeit in die eigene Hand nehmen, wenn der Staat seiner Pflicht, diese herzustellen, nicht nachkommt?”, “Und was ist Gerechtigkeit überhaupt?”, “Wann wird der Rebell zum Terrorist?” sind die zentrale Frage des Stücks. Schlussendlich verrät der Entehrte, der sein Recht einfordern möchte, in blinder Rachsucht all seine Prinzipien. Angesichts der jüngsten Terroranschläge in Paris ist klar – auch 2015 hat Kleists Novelle von 1808 nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. 

Weitere Termine: Am 22., 23. und 24.01.2015 jeweils um 20.00 Uhr im Stadttheater Bozen

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