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December 1, 2012

Endlich Weltuntergang! 1.–21. Dezember: „Theater trifft“ in Innsbruck

Christine Kofler

Theater trifft. Verstand. Herz. Zeitgeist. Zukunft. Chancen, sich so richtig treffen zu lassen, gibt es in den kommenden Wochen so einige: Am Samstag, dem 1. Dezember eröffnet die dritte Ausgabe des freien Theaterfestivals „Theater trifft“ in Innsbruck. Gefeiert wird im neuen Base-Camp der brodelnden Innsbrucker Theaterszene, dem „Freien Theater Innsbruck“ in der Wilhelm-Greil-Straße, das gleichzeitig mit dem Festival eröffnet wird.
Bühnenfans dürfen sich also auf drei Wochen mit allerlei vorweihnachtlichen Leckerbissen, von Jelineks „Winterreise“ über „Apokalypse Wow“ bis hin zum originellen Rahmenprogramm „Hasta la vista, baby“, freuen. Letzteres adaptiert das allseits bekannte Soap-Format für die Bühne und fordert so nicht zur die Zuschauer, sondern auch Regisseure und Schauspieler, die ihre Inszenierung innerhalb von vier Tagen erarbeiten müssen.
Die zehn Produktionen diverser freier Bühnen, bedienen dabei eine große künstlerische Vielfalt und haben sich doch ein gemeinsames Programm auf die Fahnen geheftet: „Endlich Weltuntergang!“ hält sie alle zusammen. Jedes Ensemble nähert sich dem Weltenende auf spezifische Art und Weise, ganz nach dem Motto: Wir spielen bis zum Schluss!
Das detaillierte Programm finden furchtlose Theatergänger, die das Ende der Welt gern vom Zuschauerraum aus verfolgen möchten, unter www.freies-theaterfestival.at/program.html.

Wir haben die Leiter des freien Theaterfestivals „Theater trifft!“, Thomas Gassner und Katrin Jud, um Ein-, Rück- und Ausblicke gebeten.

„Theater trifft“ – den (Zeit-)Geist, das Herz und auch sonst noch allerhand. Wie ist das freie Theaterfestival entstanden?

Thomas Gassner: Es war einmal eine Stadt, in der Reste einer glorreichen freien Theaterszene dahin siechten, bis sich eine zache Bürgermeisterin der verzweifelten Zuckungen der Daheimgebliebenen erbarmte und ihnen Gehör und Herz schenkte. Ich durfte bei der Aussaat vor einigen Jahren dabei sein und die Freie Theaterszene in der Baettle Group for Art vertreten. Bekannterweise gedeiht auf einem gepflügten, gedüngten und gesäten Boden jedwedes Kraut. Glücklicherweise war das Klima so reizvoll und die Samen ausreichend, dass viele wieder zurück kehrten, sehr viele nachdrängten und einige wieder auf die Beine kamen. So ragt jetzt ein üppiger Wald mit verschiedensten Gewächsen in den Innsbrucker Theaterhimmel. Die Idee so viele wie möglich mit ihren Phantasien in einem Festival zu versammeln wird nun bereits zum dritten Mal realisiert. Robert Renk hat tolle Vorarbeit geleistet, Katrin Jud und ich führen nun fort und entwickeln weiter.

„Endlich Weltuntergang!“, hat sich das Festival dieses Jahr auf die Fahnen geheftet. Auf den Untergang folgt im besten Falle der Neuanfang. Was gibt es Neues bei der 3. Ausgabe von „Theater trifft“?

Katrin Jud.: Neu in Anführungszeichen ist sowohl ein gemeinsames Thema, eben „Endlich Weltuntergang!“, an dessen Facetten sich die zehn Produktionen abarbeiten, als auch die Komprimierung des Festivals auf einen überschaubaren Zeitraum, in diesem Fall drei Wochen. Richtig dabei war uns der gemeinsame Auftritt nach Außen, wo nicht jeder sein eigenes Süppchen kocht, sondern die freie Theaterszene trotz ihrer künstlerischen und strukturellen Vielfalt an einem Strang zieht. Zusätzlich wollten wir die Barriere zwischen Theater und anderen Medien aufweichen, um neue Impulse für die Theaterlandschaft zu gewinnen. Dabei steht auch die Förderung junger KünstlerInnen im Vordergrund, die sich beim Theaterfestival austoben und ausprobieren können und die wir aus dem Festivaltopf bedienen konnten.

Welche Theaterstücke sollten die franzmagazine-Leser keinesfalls verpassen?

Katrin Jud: Schwierig zu sagen, jeder mag sein Theater ja auch ein wenig anders, manche eher klassisch, andere experimentell. Die FeministInnen sollten sich auf alle Fälle die „Sirenen.Probe“ von coop.fem.art.productions ansehen, wer`s schrill mag sollte zu „Die Terpentinen“ gehen, einer Cross-Dressing Komödie in der Bäckerei, wild wird’s bei „2013“ im Project, „Amazing Grace“ im neuen Theaterhaus und „Apokalypse Wow“ im Treibhaus, sprachgeballt bei der Jelinekschen „Winterreise“ im Westbahntheater und dem Schwab Stück „Offene Gruben, offene Fenster“ von diemonopol. Das Theater Melone lässt vor dem Ende noch zwei absurde Charaktere aufeinander los in „Vielen guten Menschen fliegt der Hut vom Kopf!“ und das Theater praesent widmet sich dem stillen und persönlichen Untergang. Am besten natürlich alle ansehen, wirklich entscheiden kann ich mich nicht, so sehr ich mir auch das Hirn zermartere.

Ihr adaptiert mit dem Rahmenprogramm „Hasta la vista, baby“ das Soap-Format aus dem TV für die Bühne. Was erwartet uns?

Katrin Jud.: Was uns erwartet, wussten bzw. wissen wir auch nicht so genau :) . Kernpunkt des ganzen Rahmenprogramms ist ja, dass es im Laufe des Festivals erst entsteht und einem Staffellauf ähnelt: sowohl die 5 Texte als auch die 5 Inszenierungen entstehen unter Zeitdruck. So haben die AutorInnen und RegisseurInnen jeweils nur 4 Tage Zeit zur Erarbeitung der Folge, die ihnen zugelost wurde (wie immer hat das Schicksal entschieden), und vor diesen 4 konkreten Tagen keine Ahnung was auf sie textlich und formal zukommen wird, das erfahren sie erst, wenn sie an der Reihe sind und einen schnellen Anschluss finden müssen. Eine besondere Herausforderung ist das für die Schauspieler, die als einzige Konstante der Soap permanent im Einsatz bleiben und nicht ausgewechselt werden. Die erste Folge ist ja schon da und wird gerade inszeniert und alle Ärzteserien-Fans können sich freuen.

Kann Theater die Welt vor dem Untergang bewahren?

Katrin Jud: Eine schöne idealistische Vorstellung ist das schon, aber nein! Kann es nicht. Das Theater ist genauso Teil der Welt wie alles andere auch, eher basteln auch wir am Untergang und zünden die Lunte (was wir im Festival definitiv tun, die Welt so oft untergehen lassen, dass auch der letzte Zuschauer auf den Showdown am 21.12.2012 vorbereitet ist:). Davon abgesehen, wir sind ein kleines und junges Festival einer überschaubaren Szene in einer überschaubaren Stadt, da verneigen wir uns demütig vor dem Weltenlauf, bzw. halten ihm noch mal den ausgestreckten Mittelfinger hin.

In welchem Stück wirst du am 21. Dezember sitzen?

Katrin Jud: Das kann ich sofort beantworten. Um 21.00 Uhr im Finale von „Hasta la vista, baby! Folge 5“ und danach bei der anschließenden „Der letzte Sound“ Closing Party im Freien Theaterhaus. Und da wird mir dann die Kinnlade runterfallen, wenn die Welt um 00.00 Uhr tatsächlich nicht mehr stehen sollte.

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Comments

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There is one comment for this article.
  • brigitte pixner · 

    “sirenen.probe” – von katrin jud speziell feministInnen ans herz gelegt – oder anders herum: allen nicht-feministInnen wird abgeraten?… das macht mich aber neugierig, was DAS für ein theaterstück ist…!