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October 30, 2013
“borntobehere” T-Shirt-Aktion von Perkmann und Holzknecht: die Verpunkung des Stammtischspruches
Kunigunde Weissenegger
Da haben sich die richtigen 3 zusammen getan, würde ich sagen: Holzknecht meets Perkmann meets Blutdruck und raus kommt die T-Shirt-Serie borntobehere mit zunächst vier Motiven. Gewachsen ist die Idee anlässlich des Meraner Sprachspiele-Festivals auf dem Mist der beiden Punker Peter#Kompripiotr#Holzknecht und Haimo Perkmann, die dann den Siebdrucker und Illustratoren Blutdruck bzw. Blut Tanzt involviert haben. Wer sind nun die drei Jungs?
Peter#Kompripiotr#Holzknecht beschäftigt sich seit Anfang der 1990er Jahren mit elektronischer Klangforschung; seine Arbeiten bewegen sich zwischen Klangkunst, Aktionismus und Musik. Die meisten seiner konzeptbasierenden und gleichzeitig fluxuesken, radikalen Ausdrucksformen sind Performances oder Aktionen mit dem Fokus auf Klang und Wahrnehmung.
Haimo Perkmann war lange Zeit im Ausland, vor allem in Wien und in Prag. Irgendwann hat er gemerkt, dass er überall, auch in London oder Paris, den Leuten von Südtirol erzählt. Mensch hat ihn schon ironisch „Botschafter“ genannt. Also hat er eines Tages die Konsequenz gezogen und ist ins Etschland zurück gekehrt. “Hier liegen meine Kindheitserinnerungen und meine Großeltern begraben”, meint er, “zudem bietet die Binnen-Insel die richtige Lebensqualität und jenen Melting Pot, der mir gefällt – der etwas andere ‘Big Apple’”.
Und last but not least: Emil Blutdruck ist ein sehr naturverbundener Freund aus Badia, der einen wunderschönen Hang zum D.I.Y. hat, sehr schöne Siebdrucke anfertigt und sein Wissen mit ansteckender Begeisterung bei Workshops weitergibt.
Bei den beiden Initiatoren Peter Kompripiotr Holzknecht und Haimo Perkmann haben wir nachgebohrt, warum sie starke Sprüche klopfen und diese auf T-Shirts knallen.
Was war denn der Anlass für die 4 T-Shirts, Peter und Haimo?
Holzknecht & Perkmann: Der politische Ansatz bestand darin, sich einmal zu Wort zu melden und andere Töne anzuschlagen, anstatt immer derselben Leier zuzuhören. Seit Jahren melden sich stets die gleichen rechten Jahrmarktschreier zu Wort. Die Kommentare in den Online-Medien sind voll mit nationalistischem Auswurf kleinmütiger Mittelmäßigkeit. Es wirkt manchmal so, als würden nur noch Ausländerfeinde und Hüter von Sprachreinheit und Moral herumlaufen. Bei den Parlamentswahlen haben wir dann gemerkt, dass die Mehrheit der WählerInnen sich für ein Zusammenleben aller Volksgruppen entscheidet, das war beeindruckend. Aber die schweigende Mehrheit darf den falschen Patrioten nicht das mediale Feld überlassen, sonst werden sie zunehmend stärker. Auch bei den aktuellen Landtagswahlen haben 70 % der Wähler für ein Zusammenleben gestimmt, nur 30 % bevorzugen den rechten Rand. Aber sie sind laut und so gewinnt man den Eindruck, dass sie in der Mehrheit sind. Wir wollen mit unserer T-Shirt-Satire also etwas Terrain zurückgewinnen. Und sehen, wie es bei den Leuten ankommt, wenn man sich zur Abwechslung mal über sich selbst und über Südtirol lustig macht und unsere Nabelschau im Sinne eines Sepp Schluiferer als Binnen-Insulaner bezeichnet. In zwei Tagen waren alle T-Shirts weg.
borntobehere ist der Titel der T-Shirt-Serie – geht das auch mit mir sein mir zu übersetzen oder was steckt darin und dahinter?
Das here ist nicht geographisch gemeint. „born to be here“ ist eher die Antwort auf das ebenso redundante „killed by death“, und auf diese ganzen „born to be wild“-Verschnitte. Alle, die geboren und noch nicht gestorben sind, sind da. Unser Label versucht, den ontischen Vorrang und die Heideggersche Geworfenheit in eine Maxime zu bringen. Wir scheitern natürlich daran, denn die Relevanz der Aussage tendiert Richtung null, das ist ja schon bei Heidegger selbst der Fall. Die Aussage wäre dann nicht „mir sein mir“, sondern „so oder so, mir sein do“.
Was ist denn nun auf den T-Shirts abgebildet?
Die T-Shirts spielen mit Sprache, also mit unserem Sprachgebrauch, dem Dialekt und mit diversen Soziolekten, z. B. mit der Sprachenvermengung in bestimmten Kreisen – wie der alte Witz “deitsch bleibm, fratelli”. – Die Aktion ist ja auch im Rahmen des Festivals Sprachspiele in Meran entstanden. “Deitsch bleibm, fratelli” ist nun einmal die Realität. Es gibt keine Reinheit der Sprache, so wie es keine Reinheit im täglichen Leben gibt. Sprache verändert sich – oder stirbt. Daher sind Sätze wie “deutsch seit 1200 Jahren” Ausdruck von geistigem Leerlauf. Unsere Antwort “dut ie perdù” (d. h. alles ist verloren auf Ladinisch) weist darauf hin, dass die Ladiner schon vorher da waren, wenn man so argumentieren wollte. Und dann diese Treue-Symbole, die an den SS-Wahlspruch erinnern. Was bedeutet denn “Ich halte dir die Treue”? Es bedeutet: “Ich bleib bei dir, auch wenn ich lieber weit weg wäre. Ich liege im Schützengraben, auch wenn ich lieber am Strand liegen würde.” Die Rechten reden von Treue, die Linken von Toleranz, beide Begriffe sind total zum Vergessen. Loyalität ist gut, Treue ist Firlefanz. Die Deutschen sagen “wir halten die Treue”, die Italiener sagen “il paese va a puttane”, da war unsere Sprachencollage naheliegend. Auch die ganze Toponomastik-Debatte läuft völlig an der Realität vorbei. Wir hätten natürlich nichts dagegen, wenn alle italienischen Ortsnamen neu übersetzt würden, das brächte eine gewisse Dynamik ins provinzielle Sprachspiel, das wäre spannend. Aber diese “Kreise” wollen ja nicht neue italienische Namen, sondern nur etwas rückgängig machen, das es bereits gibt. Früher wurden Masten gesprengt, heute Ortstafeln abgebaut, eine Provinzposse. Darauf verweist unser viertes T-Shirt “SüdTritol”. Wir wollen keine Masten sprengen, sondern höchstens „Toponomasten“ versprengen. Die Ortstafeln und auch die Denkmäler sollen stehen bleiben. Man könnte stattdessen Künstler damit beauftragen, sie zu bemalen und zu bespielen. Schade, dass Kippenberger nicht mehr lebt, dem wäre da sicher was un-passendes eingefallen.
Wer kriegt die T-Shirts wie und wo?
Die T-Shirts sind total Punk. Sie sind zugleich eine hybride Kunstaktion. Fair-Trade-T-Shirts in Siebdrucktechnik. Da es sich nicht um Kommerz handelt, sind die Shirts einfach über Facebook bei Kompripiotr oder bei Sprachspiele zu bestellen.
War dies eine einmalige Aktion?
Die T-Shirt-Aktion ist gut gelaufen, wir haben gesehen, dass es Bedarf nach Siebdruck-Satire gibt. Wir werden jetzt aber die lokale T-Shirt-Polit-Satire in sich ruhen und auf sich beruhen lassen und uns weiteren künstlerisch-grafischen Aktionen, Shirts, Plakaten, Stoffen etc. zuwenden. Es liegen jede Menge Ideen in der Luft, offen ist nur die Frage nach deren Umsetzung. Wir finanzieren unsere Aktionen schließlich selbst, auch um frei und ungebunden zu bleiben.
Foto: borntobehere
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