Fashion + Design > Fashion

December 20, 2023

Die Modeindustrie und COP28

Susanne Barta

Vor kurzem habe ich auf ZEITonline gelesen, dass die CO2 Konzentration in der Atmosphäre 2023 auf ein neues Rekordhoch gestiegen ist. „Die Menschheit steuert derzeit auf eine Erderwärmung von drei Grad zu.“ Errechnet wurde das vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen zur Vorbereitung der Weltklimakonferenz in Dubai, die letzte Woche zu Ende gegangen ist. Wieviel die Modebranche dazu beträgt ist nicht ganz klar, angenommen wird, dass sie für zwischen drei und acht Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. Das ist aber nicht das ganze Bild. Da ist einerseits die Produktion, wo sich nicht leicht, aber doch einige Zahlen erheben lassen. Dann kommt das dazu, was sich rundherum abspielt, die nicht geschlossenen Kreisläufe, Stichwort: Entsorgung unserer abgelegten Klamotten, und nicht zuletzt unser Konsumverhalten, das sich in alle Lebensbereiche hinein verhakt.

Dass die Modeproduktion selbst aber immer häufiger spürbar vom Klimawandel betroffen ist, das beginnt offensichtlicher zu werden. Die globalen Lieferketten sind verletzlich, spielt sich doch vor allem am Anfang der Lieferkette viel in Ländern ab, die der Klimawandel bereits direkter betrifft. „Bis 2030 könnten extreme Wetterereignisse die Bekleidungsexporte im Wert von 65 Milliarden Dollar gefährden und fast eine Million Arbeitsplätze in vier Volkswirtschaften vernichten, die zu den wichtigsten für die globale Modeindustrie gehören“, schreibt Business of Fashion (BoF). Die vier Volkswirtschaften sind Bangladesch, Kambodscha, Pakistan und Vietnam. Vor kurzem erschien der „BoF-McKinsey State of Fashion 2024 Report“ und dort wird erwartet, dass die Führungskräfte der Modebranche, sich neben Herausforderungen, wie wirtschaftliche Unsicherheit, geopolitische Spannungen und Inflation, in den kommenden Monaten vor allem mit Klimarisiken beschäftigen werden müssen. „In der gesamten Branche ist ein Umdenken erforderlich und endlich zu begreifen, dass die Beibehaltung des Status quo keine Option mehr ist. Das Klimarisiko nicht mehr als langfristiges Projekt betrachtet werden kann, das man erst später in Angriff nimmt. Das vergangene Jahr sollte ein Weckruf für die Modebranche sein“, heißt es dort.cop_2+3 (c) Susanne BartaJeans > Secondhand, Pumps > Secondhand, im Oktober in Lissabon bei Dona Ajuda gefunden, Blazer > Secondhand Jil Sander, Gürtel > Secondhand, Weste > vor 25 Jahren bei einer Geschäftsauflösung gekauft.

Mode war beim Klimagipfel in Dubai ein Randthema. Einige Veranstaltungen fanden statt, wie zu lesen war, eher kosmetisch als richtungweisend. Die wichtigste Nachricht aus der Modebranche war jedoch die Zusage von „Bestseller“ und „H&M“ mit 100 Millionen Dollar einen Offshore-Windpark in Bangladesch zu finanzieren. Dieses neue Pilot-Windkraftprojekt soll die grüne Energieinfrastruktur des Landes stärken. Der Journalist und Autor Alec Leach schreibt dazu in seinem letzten Newsletter auf Substack: „Es ist ein Zeichen dafür, dass die Branche endlich begreift, was Wissenschaftler, Aktivisten und Nachhaltigkeitsexperten schon seit Jahren sagen: Die einzige Möglichkeit für die Modebranche, die Emissionen, die den Planeten zerstören, wirklich zu reduzieren, ist die Dekarbonisierung der Lieferkette, und das geht nur, wenn wir in die Orte investieren, an denen unsere Kleidung hergestellt wird.“ BoF ordnet die Ansage des H&M-Projekts etwas weniger euphorisch ein: „Die Eindämmung der den Planeten erwärmenden Emissionen der Branche erfordert Investitionen in Höhe von Hunderten von Milliarden Dollar. Ein Großteil davon muss in die Umstellung des Energiemixes in den großen Produktionsländern fließen, in denen der größte Teil der Umweltauswirkungen der Modebranche stattfindet, von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien.“ Eher ein Tropfen auf den heißen Stein also, aber immerhin ein Schritt.

As for COP28 (Conference of the Parties to the Convention, UN-Klimakonferenz in Dubai 2023): Ich habe mir unter anderem Luisa Neubauers sehr gut gemachte Live-Berichte auf Instagram von der Konferenz angeschaut. Die Fridays-For-Future-Aktivistin ist in meinen Augen international derzeit die (glaubwürdige) Frontfigur der Bewegung, nachdem sich Greta Thunberg in meinen und vieler anderer Augen mit ihren unqualifizierten, politisch und historisch unkorrekten Aussagen zum Krieg im Nahen Osten selbst ins Abseits gestellt hat. Hoffnung und Enthusiasmus, aber auch Wut und Verzweiflung haben diese Konferenz begleitet. Die Bedingungen waren schwierig: eine Klimakonferenz in einem „Petrol-Land“ mit einem Vorsitzenden, der Chef des staatseigenen Ölkonzerns des Landes ist. Es hätte eine historische Konferenz werden können. Jedoch hat sich, wie befürchtet, die Öl-Lobby gegen den notwendigen Ausstieg aus Kohle Gas und Öl gesperrt. Nicht wirklich überraschend, ehrlich gesagt. Es wird von einem Übergang gesprochen, nicht von einem Ausstieg. Das wird als großer Erfolg verkauft, Optimisten betonen, dass der festgeschriebene Ausbau der erneuerbaren Energien auf jeden Fall ein Fortschritt sei. Alle Schlupflöcher sind jedoch offen. Luisa Neubauer schreibt dazu u. a. auf Instagram: „Es fehlt der Plan wie, wann und von wem finanziert der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas umgesetzt werden soll.“cop_4+5 (c) Violeta NevenovaJeans > Secondhand, Strickjacke > JCrew, family Secondhand, Jacke > Secondhand, bei Klamotte gefunde, Gürtel > Secondhand

Mir und, ich glaube, vielen anderen fällt es nicht leicht, in diesen Tagen einfach weiterzumachen und sich nicht von den immer größer werdenden Herausforderungen und krasser werdenden Folgen des Klimawandels runterziehen zu lassen. Aber wir nähern uns dem Jahresende, es heißt neue Kräfte sammeln, denn aufgeben ist keine Lösung. 

Nochmals zur Modeindustrie: Bislang hat sich die Modebranche ja nicht hervorgetan, die wahren Ursachen für den Impact, den sie auf das Weltklima hat, ernsthaft anzugehen. „Es ging um kleine grüne Kollektionen, neue Materialinnovationen, die noch nicht nutzbar sind, oder Kompensationsprogramme, die nur auf dem Papier funktionieren“, schreibt Alex Leach dazu. Und weiter: „Wir sollen unsere Gesamtemissionen bis 2030 um 43 % senken, um die katastrophalsten Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden, aber die Emissionen der Modebranche werden bis zum Ende des Jahrzehnts voraussichtlich um 45 % steigen. 

Die Outfits zum Text sind Secondhand. Ganz im Sinne: Shop your Closet. Shop Secondhand. Choose well and make it last. cop_6+7 (c) Susanne BartaHose > aus Flohmarktstoff genäht von Johanna Finger @artelier, Jacke > Secondhand, mit Karin @Kleopatra getauscht, Schuhe > Secondhand

Fotos: alle © Susanne Barta; außer (4, 5) © Violeta Nevenova

>> Supported by CORA happywear (M), Kauri Store (M), Oberalp Group (XL), Oscalito (L) und meiner Freundin Kristin << 

Wenn ihr diesen Blog auch unterstützen möchtet, gibt‘s hier alle Infos.

Print

Like + Share

Comments

Current day month ye@r *

Discussion+

There are no comments for this article.

Archive > Fashion