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January 25, 2023
Styling Secondhand Pieces #1
Susanne Barta
Eines meiner Vorhaben für dieses Jahr war es ja, mich mit dem, was ich bereits in meinem Kleiderschrank habe, mehr zu beschäftigen. Neue Kombinationen auszuprobieren, auch Teile hervorzuholen, die ich wenig trage, und mich mit Styling als Praxis intensiver auseinanderzusetzen, auch mit Klient*innen an ihrem persönlichen Stil zu arbeiten. Arbeiten klingt so ernst. Aber gemeint ist, sich mit dem, was man trägt, so gut und lebendig und so selbstbestimmt wie möglich zu fühlen. Dabei möchte ich aber nicht das Phänomen der spätmodernen „Gesellschaft der Einzigartigen“ bedienen, das der Soziologe Andreas Reckwitz so beschreibt: „Die spätmoderne Gesellschaft beruht auf einem Imperativ: Sei originell und einzigartig, dann hast Du große Chancen auf soziale Anerkennung“, sondern im wahrsten Sinne des Worts einen Spielraum aufmachen, ohne das eigene Leben „zu einem Erlebnis-Projekt“ zu machen.
Mich interessieren Fragen wie: Was macht einen zeitgemäßen, persönlichen Look aus? Wie lässt sich die Zeitqualität, in der wir leben, entsprechend umsetzen und in einem Outfit ausdrücken? In ein Outfit, das nicht verkleidet? Ihr kennt sicher den Satz: „Wear the clothes, don’t let them wear you.” Diese Fragen interessieren mich nicht nur auf ästhetischer, sondern auch auf psychologischer und gesellschaftspolitischer Ebene. Ich kann es nicht oft genug betonen: Mode ist politisch, nicht nur eine Frauensache, die man lächelnd abtut. Jedoch sollte der spielerische Aspekt nicht zu kurz kommen. Finde ich.Diesen Tweed-Rock habe ich letztes Jahr im Easy (Second-) Shop in Tscherms gekauft. Und bisher noch nie getragen. Das wird sich nun aber ändern. Hier gestylt mit einem Secondhand-Männer-Hemd, das meine Schwester, inspiriert von @r_e_g_e_n_e_r_a_t_e_d, umgestaltet hat; die Lacktasche ist auch Secondhand und die Stiefel sind von Arket.
Und so beginne ich nun im Rahmen meines Blogs mit dieser Mini-Serie, wo ich Secondhand-Teile verschieden style. Secondhand first ist eine Möglichkeit den (eigenen) Ressourcenverbrauch zu reduzieren. Es gibt bereits so viele Kleidungsstücke auf der Welt, da werden wir doch wohl unter all den Sachen, die schon da sind, was finden, das zu uns passt? Parallel dazu gibt’s auch interessante News über Secondhand Fashion, Plattformen und Marktentwicklungen.Im ersten Bild ist der Secondhand-Rock mit einem Rolli von Armedangels und einer Balaclava von Leandra Medine Cohen x Closed, Secondhand Stiefeln und einer Tasche, die ich vor vielen Jahren in Griechenland gekauft habe, gestylt. Im zweiten Bild mit einem Wollpullover von Lanius, einem Secondhand-Sarner-Trachtentuch, Loafern von Celine und einem Haarreifen, den ich im Hotel Bauer in Venedig gekauft habe.
Gerade habe ich gelesen, dass nun auch die bekannte US Brand JCrew in den Resale Markt einsteigt, sie arbeitet dabei mit der Consignment Plattform ThredUp zusammen. Ich habe die Marke vor sehr vielen Jahren in den USA kennengelernt und trage die Stücke immer noch gerne. In den letzten Jahren haben immer mehr Brands Online-Secondhand-Angebote entwickelt. Gucci zum Beispiel in Zusammenarbeit mit The RealReal, da sind auch schon Burberry und Stella McCartney im Boot. Levis hat eine eigene Secondhand-Seite gelauncht, auch Cos, Zalando und Selfridges sind schon auf diesem Weg. Alle versprechen sich neue Kundschaft und stellen sich auf die veränderte Nachfrage ein.
„Der Wandel wurde durch die Pandemie beschleunigt, die die Branche unter Druck gesetzt hat, neue Wege zu finden, um die Verbraucher in einem wirtschaftlichen Abschwung zu erreichen“, schreibt die Branchenplattform BoF, „und gleichzeitig das Interesse an Marketing-Touchpoints wie Nachhaltigkeit, die sich gut für den Wiederverkauf eignen, verstärkt hat.“Die Secondhand-Strickjacke von Rodier Paris habe ich vor einigen Jahren bei Imparfait Paris gefunden, ein Klassiker, etwas damenhaft, aber das lässt sich beim Styling ausgleichen. Ich hatte Glück, denn sie ist in bestem Zustand und war nicht teuer, in letzter Zeit sind die Preise aber ziemlich nach oben gegangen. Der Rolli ist von Cora happywear, der Pullover von Uniqlo – meine Schwester, Mutter und ich haben uns den gleichen vor Jahren in NYC gekauft –, die Jeans ist Secondhand von Crea.S, Schuhe Arket.
Der Secondhand-Markt boomt. Dazu kommt auch, dass das Stigma von gebrauchter Kleidung mehr und mehr verschwindet. Umso wichtiger sei es aber für Kund*innen, dass sie Secondhand-Angeboten, also auch den Wiederverkäufern vertrauen können. Das habe ich bei Alexander Philipp Prader gelesen, der seine Bachelorarbeit zur Entwicklung des Online-Secondhand-Markts geschrieben und sich dabei die DACH-Region angeschaut hat. Der Südtiroler hat an der TUM School of Management der Technischen Universität München studiert, der genaue Titel seiner Arbeit: „The Appeal of Second-hand Products“. Den Schwerpunkt hat Alexander auf Secondhand Fashion gelegt. Er hat sich durch einiges an Literatur gearbeitet, fünf Leute, darunter auch mich, interviewt, und eine quantitative Umfrage gemacht. Die Arbeit ist auf Englisch erschienen.
Auch hier wird bestätigt, dass die Pandemie dem Thema einen ordentlichen Schub gegeben hat: „In times of the COVID-19 pandemic, the second-hand fashion industry has achieved 11.2% growth despite cross-market restrictions and lockdowns as well as supply chain issues and is expected to maintain solid growth until 2031 (Future Market Insights, 2021).“ Umfrage und Recherche haben auch ergeben, dass noch vor ökonomischen Überlegungen, Nachhaltigkeit die Kaufentscheidung beeinflusst: „Sustainability is still the number one driver for second-hand fashion, the participants of the interviews and the survey agree on that“, schreibt Alexander.
Wie schaut das bei euch aus? Seid ihr „Team Secondhand“ oder doch eher „Team Neu“?Diesen grauen Woll-Blazer von Guy Laroche Paris habe ich vor kurzem in Innsbruck bei Sisters Secondhand gefunden. Leider macht das Geschäft bald zu. Einmal gestylt mit meinem Vintage-Pullunder (über 20 Jahre bei mir), Cos Hose (über 5 Jahre bei mir) und brauen Stiefeletten (über 10 Jahre bei mir); dann mit rotem Rolli von Arket, Karohemd (über 10 Jahre bei mir), Max-Mara-Nadelstreif-Hosen (über 5 Jahre bei mir) Ballerinas (über 5 Jahre bei mir) und Sample-Chanel-Gürtel.
Und zum Schluss noch eine Ankündigung: Nach Jahren der pandemiebedingten Pause hat sich die nachhaltige B2B Modemesse Neonyt neu aufgestellt. Die Messe Frankfurt hat die Neonyt-Lizenz an die WSN nach Paris und an Igedo Exhibitions in Düsseldorf verkauft. Die Neonyt Düsseldorf findet vom 28. bis 31.1.2023 im Areal Böhler statt. Das Format aus Messe, Konferenz und Community-Events bleibt bestehen. Ab nun soll die Messe zweimal jährlich in Düsseldorf zeitgleich mit Fashn Rooms stattfinden.
Fotos © Susanne Barta
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