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February 12, 2020
Auf den Apfel gekommen – Hannes Parth
Susanne Barta
2008 hat er begonnen, aus Apfelresten neue Materialien zu entwickeln. Kaum einer hat daran geglaubt, dass es gelingen wird. Mit Ausdauer, Überzeugung, kleinen Schritten vorwärts, aber auch Rückschritten, ist Hannes Parth heute mit seinem Start-up „Frumat“ nicht nur Pionier, sondern auch am Markt gefragt. Die Materialien sind zeitgemäß, werden nachhaltig und fair produziert und können den jeweiligen Bedürfnissen angepasst werden. Derzeit entsteht nach über zehn Jahren harter Arbeit gerade die erste Website. Frumat bietet heute Apfelpapier und die sogenannte Appleskin an, neue Materialien sind bereits angedacht. 2018 hat Hannes Parth bei den „Green Carpet Fashion Awards“ an der Mailänder Scala den Preis in der Kategorie „Innovation and Technology“ entgegengenommen.
Hannes, wie bist du mit Frumat gestartet?
Unser Vorhaben war, industriellen Biomüll, also alles das, was nach der Saftpresse übrigbleibt, wiederzuverwerten und in einen Rohstoff zu verwandeln. Bei der Analyse der Reststoffe sahen wir, dass viel Zellulose enthalten ist, so lag es auf der Hand mit der Herstellung von Papier zu beginnen. Der Weg von der Idee zum Prototyp und dann in die Produktion war lang.
Wie bist du auf den Apfel gekommen?
Wir haben verschiedene Fruchtreste getestet: Karotten, Trauben, Zuckerrüben, sogar Cranberries aus Canada und haben gesehen, dass sich der Apfel am besten eignet, auch weil er das ganze Jahr über verarbeitet werden kann.
Wo stehst du heute mit Frumat?
Inzwischen hat sich vieles getan. Nachhaltigkeit ist heute ein großes Thema, sei es im Packaging, Printing oder in der Mode. Wir haben neben Papier 2015 auch Appleskin auf den Markt gebracht. Leder darf man ja nicht sagen, da das Rohmaterial nicht vom Tier stammt. Der Trend zu veganen Produkten wird größer und da sind wir gut dabei.
Woraus besteht Appleskin?
Zu den Apfelresten kommt ein Bindemittel dazu. Wichtig ist, dass das Material, also die Zusammensetzung, den Bedürfnissen der weiterverarbeitenden Industrie entspricht. Das können wir und das so nachhaltig wie möglich. Der 50%-Anteil von Apfelfasern ist sehr hoch, das Bindemittel sorgt dann für die geforderten technischen Eigenschaften.
Wer arbeitet schon damit?
Mit unserem Papier, die weiterverarbeitende Industrie, die zum Beispiel Shoppers macht, Packaging, Druckereien für Kunden, die auf Nachhaltigkeit setzen, mit Appleskin, Einrichtungs-, Schuh- und Modeindustrie, Automotive, Buchbinder … Das Produktionsverfahren ist patentiert und wir vergeben Lizenzen.
Seid ihr noch ein Start-up?
Ja, ein Start-up, das den Industrialisierungsprozess schon beendet hat und skaliert. Das Thema Nachhaltigkeit ist aber noch ganz am Anfang und nimmt erst allmählich Fahrt auf.
Ist Nachhaltigkeit in deinen Augen ein Trend oder wird das Thema bleiben?
Ich denke, das kommt erst noch richtig. Greta Thunberg hat die Konsumenten sensibilisiert und die Industrie reagiert auf die Nachfrage. Sie macht das wohl nicht, weil sie unbedingt möchte, sondern weil vor allem die neuen Generationen sehr darauf schauen, woher die Materialien kommen und wie etwas produziert wurde.
Was kann Appleskin?
Appleskin ist sehr anpassungsfähig. Wir können die verschiedenen technischen Eigenschaften je nach Gebrauch spezifisch produzieren. Ein Material, das zum Buchbinden verwendet wird, hat nicht dieselben Eigenschaften wie eines für Schuhe. Man kann Appleskin auch gut färben, wir machen das mit Pigmenten auf Wasserbasis. Auch das nachhaltig. Wir können Produkte personalisieren, mit Prägungen versehen, digital bedrucken, es gibt verschiedene Stärken und unterschiedliche Dehnbarkeit. Wir produzieren auf Anfrage, also nur das, was gebraucht wird.
Wie schaut es preislich aus?
Wir können natürlich nicht mit in Asien produziertem Kunstleder mithalten. Wir produzieren in Italien, in der Nähe von Florenz. Für uns ist das auch ein ethisches Projekt, zu wissen, wer was macht und dass die Leute entsprechend bezahlt werden. Für ein italienisches Produkt sind wir im Preis aber sehr kompetitiv.
Kann euer Material wieder in den Kreislauf zurück?
Das Material ist recyclebar, mit anderem Gebrauch anschließend: Man kann daraus zum Beispiel Böden machen. Einiges ist auch kompostierbar. Beim Apfeltrester schließen wir den Kreislauf ganz.
Das erste Mal habe ich Appleskin vor einigen Jahren bei einem Notizbuch bewusst in den Händen gehalten. Heute verarbeiten immer mehr Brands das Material. Auf der Neonyt in Berlin gab es zum Beispiel Taschen und Accessoires von nuuwaï aus Appleskin. Das italienische Label Womsh, ihr findet die Marke im Kauri Store in Bozen, produziert einige Sneaker-Modelle aus dem Material. Und auch die großen Brands haben begonnen, sich in diese Richtung zu bewegen und werden wohl bald einiges aus Appleskin in ihre Kollektionen aufnehmen. Hier noch ein Link, der euch vermutlich überraschen wird. Von Hannes Parth und Frumat werden wir noch viel hören, da bin ich sicher.
Hannes wird auch im März bei der nächsten Ausgabe der Greenstyle Conference in München dabei sein und über seine Arbeit sprechen.
Fotos: (1) Frumat, Hannes Parth bei den „Green Carpet Fashion Awards“; (2) Frumat; (3) Taschen aus Appleskin von nuuwaï auf der Neonyt; (4) Frumat, Cassina Croque La Pomme Philippe Starck ∏X MUYARD; (5, 6, 7) Fruma.
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