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February 5, 2020

„Nachhaltige Mode kann wunderschön sein“ – Irmgard Tschurtschenthaler

Susanne Barta

Vor über zehn Jahren hat Irmgard Tschurtschenthaler begonnen, eine Auswahl nachhaltig produzierender Marken im Brunecker Familienbetrieb „Mode Tschurtschenthaler“ anzubieten. Zu dieser Zeit war das noch ein absolutes Nischenprogramm. Eco-Mode fand man vereinzelt in einschlägigen Geschäften, aber nicht in Geschäften mit Anspruch auf Stil und Ästhetik. Kaum jemand hat damals Mode und Nachhaltigkeit wirklich miteinander in Verbindung gebracht. Das ist heute anders.

Irmgard, wie bist du gestartet?

Der Weg von Mode zu nachhaltiger Mode ist bei uns in der Familie über die Ernährung gegangen. Wir ernähren uns nun schon sehr lange biologisch. Die erste Linie, die wir ins Geschäft nahmen war Kuyichi. Ich habe dann aus Interesse begonnen, mich mehr mit dem Thema zu beschäftigen und Schritt für Schritt mehr Sensibilität entwickelt. Ich erinnere mich, dass ich in Berlin auf der Modemesse war und einen wunderschönen Mantel sah, der sich auch sehr gut anfühlte und da stand Fairtrade drauf. Der Mantel war von Lanius, diese Marke führen wir immer noch. Heute bieten wir neben herkömmlichen Marken, einen Mix aus nachhaltigen Labels, an und es wird mehr. Ich bin sehr glücklich darüber, dass nun auch unsere Tochter mitarbeitet. Stefanie hat die Modeschule in Graz besucht, ist sehr hellhörig in Bezug auf das Thema und entdeckt immer wieder Neues. Und es ist ja so: Sobald man beginnt sich intensiv mit etwas zu beschäftigen, fliegt einem auch alles Mögliche zu.

Susanne Barta Mode_Tschurtschenthaler Foto_2

Wie reagieren die Kunden auf euer nachhaltiges Angebot?

Es gibt Kunden, die fragen nach Mode, die nachhaltig produziert wurde, manche fragen auch nach bestimmten Marken, andere wiederum suchen es nicht, entdecken es aber. Wenn ein Stück gefällt, ist Nachhaltigkeit nochmals ein Grund mehr, es zu kaufen, denn die Leute kaufen gerne etwas, bei dem sie das Gefühl haben, es ist in Ordnung. Auch zur Qualität von Materialien gibt es Reaktionen: Einige sagen zum Beispiel, wenn man einmal biologische Baumwolle getragen hat, dann möchte man keine herkömmliche Baumwolle mehr tragen. Ich empfinde es als unsere Aufgabe, Kunden mitzunehmen, sie gut zu beraten, aber nichts aufzudrängen. 

Du kennst die Modebranche seit langem. Was beobachtest du, verändert sich gerade etwas?

Ich glaube, wir stehen noch am Anfang, aber es bewegt sich etwas. Ich bin optimistisch. Es wird Kunden ja nicht leicht gemacht, die Versuchungen beim Preis sind groß und Konsum ist Teil unseres Lebens. Das Schöne und Spannende an nachhaltigen Marken sind die Geschichten und da gibt es so viele zu erzählen. Auch ich freue mich über etwas Neues, aber eben nicht über irgendetwas. Einfach eine Einkaufstasche bei einer Modekette zu füllen, das finde ich bedenklich. In meiner Jugend gab es alle diese Billigmarken ja noch nicht. Meine Mutter hat genäht und so habe ich einen ganz anderen Zugang zu Kleidung bekommen, habe einen Stoff gespürt und gerochen und gesehen, wie viel Arbeit dahinter steckt. Da ist viel verloren gegangen. Diese Feinfühligkeit müssen wir erst wieder lernen und Kleidung wieder als etwas Wertvolles betrachten. Wer sich selbst und andere wertschätzt, überlegt sich doch, womit er sich bekleidet. Das ist eine Frage des Respekts. Und der fehlt heute sehr oft, gegenüber der Umwelt und gegenüber den Menschen, die unsere Kleidung herstellen.

Der Preis ist für viele Menschen ausschlaggebend, oft auch aus Notwendigkeit. Ist nachhaltige Mode zu teuer?

Faire Mode muss nicht teurer sein. Sie ist jedenfalls nicht teurer als gute Marken, aber sie ist natürlich teurer als bei Ketten. Bei diesen Produkten gibt es auch keine Kostenwahrheit. Unser Geschäft ist eher hochpreisig, Kunden, die zu uns kommen, rechnen also mit einem bestimmten Preis. Die nachhaltigen und Fair Trade Labels, die wir führen, sind zum Teil günstiger als die anderen Marken, die wir in unserem Sortiment haben. Für die Konsumenten ist es sicher nicht einfach, auch weil wir alle so verblendet worden sind von dieser großen Marketingmaschinerie, die uns einredet, dass man alles billig haben kann. Und man nicht daran denkt, warum das so billig ist. Viele Menschen haben auch keinen Bezug mehr zum Handwerk, keine Ahnung davon, was es heißt, ein Kleid zu nähen, was der Stoff kostet, wie viel Zeit es braucht. Da muss man viel Aufklärungsarbeit leisten, aber das ist es wert.

Susanne Barta Mode_Tschurtschenthaler Foto_3

Wie schätzt du das Bewusstsein der Südtiroler Kundinnen und Kunden und deiner Geschäftskollegen ein?

Bei Geschäftskollegen vermisse ich dieses Bewusstsein schon noch, muss ich sagen. Aber zumindest beginnen einige darüber nachzudenken. Auch in Bruneck gibt es viele Ketten, nur mehr wenige eingesessene Geschäfte mit Markenbewusstsein. Auf der Kundenseite tut sich mehr. Ich mache mir immer wieder Gedanken darüber, ob es heute überhaupt noch angebracht ist, ein Modegeschäft zu führen. Es gibt so viele erschreckende Berichte über die Textilindustrie und den Zustand der Welt. Mode hat für mich viel mit Leichtigkeit zu tun, mit Schönheit. Ich möchte also nicht alles verdammen, möchte manchmal auch einfach nur etwas Schönes anziehen. Ich frage mich aber: Geht das noch? Ich bin zum Schluss gekommen, es braucht im Leben unbedingt auch etwas Spielerisches und die Mode hat hier eine Aufgabe. Nachhaltige Mode kann wunderschön sein und ich kann das heute noch vertreten.

Fotos: (1 + 3) Mode Tschurtschenthaler; (2) Claudia Lanius auf der Neonyt, Susanne Barta

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