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May 30, 2014
IFFI 2014, Tag 3: “Ich geh’ doch nicht auf Filmfestivals…”
Marco Russo
“Ich geh’ doch nicht auf Filmfestivals, um Filme zu schauen”, sagt Helmut Groschup, Direktor des IFFI. Nein, lieber Helmut, du brauchst keine Filme anzusehen, hast ja gemeinsam mit Evelin Stark die ganze Vorarbeit geleistet: Kümmere dich lieber um die zahlreichen Gäste, leite den einen oder anderen Film ein, erzähle Anekdoten aus den vergangenen 23 IFFI-Jahren, empfange die BesucherInnen und genieße das eine oder andere Glas Wein. Den Rest (zumindest einen Teil des medialen Rests) erledigen Kunigunde und ich.Das diesjährige IFFI ist in neun Kategorien unterteilt. Neben dem Eröffnungsfilm gibt es zwei Wettbewerbssektionen (Spielfilm und Dokumentarfilm), die Sektion des Südwind Filmpreises, die Retrospektive zum indischen Kino (natürlich Programmkino und kein Bollywood), die Hommage an Shaji N. Karun (dem gestern der IFFI-Ehrenpreis verliehen wurde und siehe Foto oben), der Fokus auf die türkische Regisseurin Yeşim Ustaoğlu, eine Hommage in Memoriam des kürzlich verstorbenen kubanischen Regisseuren und IFFI-Freundes Daniel Díaz Torres und schließlich jede Menge Filmspecials und Shorts.
Von den bisher gesichteten Filmen hat mich ein Film besonders irritiert: Good Morning Carachi (DE/GB/PK 2011, Regie: Sabiha Sumar, 77 min, Farbe, DCP, OmdU). Der Film erzählt die Geschichte von Rafina, einer jungen Frau, die mit ihrer Mutter und ihrem jüngeren Bruder im Armenviertel der Millionenstadt Karatschi wohnt. Rafina arbeitet in einem Schönheitssalon und soll bald heiraten. Ihr Zukünftiger aber entlarvt sich als Konservativer, ein Mann, der seine Frau vielmehr als “Besitz”, denn Person betrachtet und nicht will, dass Rafina arbeitet und Geld verdient. Der Film entwickelt sich dahingehend, dass Rafina Model wird, sich allmählich von den konservativen Umständen distanziert und sich kurzerhand emanzipiert. (Der Film wird heute, 30.5.2014 um 16:45 Uhr in Anwesenheit der Regisseurin nochmals gezeigt).Dieser Film – und darin liegt wohl seine Stärke – greift eine durchaus brisante und aktuelle Thematik auf, nämlich die Rolle der Frau in Pakistan. Die drei zentralen Frauenrollen im Film sind Rafina, ihre Mutter und Rosie, die Mutter ihres zukünftigen Ehemannes, die schließlich Rafina motiviert und unterstützt, ihr eigenes Geld zu verdienen und mit ihr im Schönheitssalon zu arbeiten. Mittels dieser Rollen werden drei Frauentypen in Relation zueinander gebracht: Rafina, die junge sich emanzipierend wollende Frau; Rafinas Mutter, eine offene jedoch in der Tradition verankerte Frau, und schließlich Rosie, gewissermaßen die goldene Mitte der beiden.
Der gesamte Film dreht sich um Rafinas Wunsch und Wille zur Freiheit und Emanzipation. Sie ist sich durchaus im Klaren, dass ihr zukünftiger Ehemann ihre Pläne nicht teilt, doch ihre Sehnsucht und ihre Kämpfernatur sind stärker: Sie will – zumindest in den letzten Wochen vor der Hochzeit – diese Freiheit verkosten und sie in vollen Zügen genießen. Bis hier alles schön und recht: Emanzipationsprozesse formen und stärken die Persönlichkeit. Das für mich Irritierende besteht jedoch im Freiheitsbild, das im Film vermittelt wird. Rafina findet ihre Freiheit, indem sie zum Model wird. Mit anderen Worten: Die pakistanische Frau ist nur dann frei und emanzipiert, wenn sie sich “verwestlicht” und sich der kapitalistischen Maschinerie der Vergegenständlichung hingibt. Kurzum: die pakistanische Frau hat nur zwei Möglichkeiten: Entweder traditionell-konservativ oder westlich. Ein dritter Weg ist nicht gegeben.
Foto ganz oben: Shaji N. Karun zwischen Helmut und Eva Groschup, (c) Joze Rehberger Ogrin
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