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February 7, 2012

Tyrannen, die WIR schaffen. Ein Gespräch über die zeitgenössische Oper The Tyrant

Kunigunde Weissenegger

Ein König sitzt auf seinem Thron in einem Zimmer und horcht. Allein. Er horcht, was um ihn herum in seinem Königreich geschieht. Aus dem Zimmer bewegt er sich nicht hinaus, seit er den Königsthron bestiegen hat und das Zepter in der Hand hält.
Vom 8. bis 11. Februar 2012 zeigt die Stiftung Stadttheater im Stadttheater Bozen erstmals in Europa die zeitgenössische Oper The Tyrant. Geschrieben von Jim Lewis nach dem Stück Un re in ascolto von Italo Calvino und der Musik von Paul Dresher animiert die Solo-Kammeroper über Freiheit, Unterdrückung, Macht und Tyrannei nachzudenken.

Regisseur Michael Hunt bringt die Oper auf kleiner Bühne auf den Punkt: “Der Titel des Stücks ist zwar The Tyrant, aber es geht um mehr als die Geschichte eines Tyrannen. Eigentlich geht es um uns alle. Denn diese Leute waren einmal Kinder und hatten Eltern, sie lebten ihr Leben und wurden durch uns zu dem, was sie jetzt sind. Also kann man sagen, dass wir, die Gesellschaft, Tyrannen schaffen.”
O-Ton (Audio-File) Regisseur Michael Hunt

In der Oper geht es also um einen Tyrannen und “besonders um das Hören. Er isoliert sich in diesem Raum von allem. Das ist seine Art der Kontrolle. Er verdrängt den Lärm und sondert sich, warum auch immer, von der Realität und dem Leben ab,” beschreibt Tenor Michael Bennet seine Rolle.
O-Ton (Audio-File) Tenor Michael Bennet

“Wir wollen auf der Bühne zeigen, was diesem Tyrannen durch den Kopf geht, und gleichzeitig auch das Psychologische zur Sprache bringen, das den Text untermalt und zwischen den Zeilen zu lesen ist. Die Bilder der Vergangenheit, an die er sich erinnert, interessieren uns und ob er die Wahrheit spricht. Auch beschäftigt uns die Zerbrechlichkeit des menschlichen Wesens am Ende seines Lebens,” so der Regisseur.

Es ist die Geschichte eines Mannes, der niemandem mehr vertrauen kann. Die Geschichte eines mächtigen, wahnsinnigen Mannes. Der auch panisch und paranoid ist – Folgen der erreichten Macht. – Er kann und darf niemandem trauen. Michael Hunt: “Was geht in so einem Mann in Isolation vor? Was für ein Leben lebt ein Gaddafi in so einem Moment? Gejagt, und erschreckt. Das Stück soll keine Kritik sein – Tyrannen sind böse und so weiter, sondern Anteilnahme am menschlichen Wesen im Allgemeinen schaffen.”

Auf der Bühne ist Michael Bennet als Sänger allein. “Das Interessante bei dieser Oper ist, dass alles sehr kompakt ist und wir in einem kleinen Team arbeiten,” erzählt der musikalische Leiter Peter Valentovic. “Es ist eine Kammeroper, das heißt jeder Musiker ist ein Solist. Es gibt nicht nur einen Dirigenten, der mit den Händen wedelt, und die anderen spielen. Nein, ich leite und spiele gleichzeitig am Klavier und alle anderen Musiker müssen zusammen und auch solo spielen. Wir sind auf der Bühne also alle gleichwertig – das ist das Spannende an dieser Oper. Wir sind sechs Musiker: Flöte, Klarinette, Geige, Cello, Schlagzeug und Klavier. Und logischerweise auch ein Sänger. Also sind wir insgesamt sieben auf der Bühne. Manchmal spielt die Flöte alleine, dann gibt es wieder ein Klavier-Solo oder er spricht, alleine. Manchmal gibt es nur Stille oder man hört nur das Klavierpedal.” Und der Regisseur Michael Hunt weiter: “Das ist sehr cool für das Publikum. Zu sehen, wie die Musiker arbeiten und spielen. Denn normalerweise sieht man das nicht in einer Oper.”
O-Ton (Audio-File) Peter Valentovic und Michael Hunt

Das macht die Oper auch so zugänglich. Der musikalische Leiter: “Die Leute haben manchmal Angst vor zeitgenössische Kunst. Sie wissen nichts damit anzufangen. Wie manchmal bei zeitgenössischer Kunst, wenn man nur einen Punkt sieht und nichts versteht.” Und der Regisseur fügt zustimmend hinzu: “Es ist keine schwierige Musik, sondern eine für das Publikum leicht zugängliche.” Und gleichzeitig finden die Zuschauerinnen und Zuschauer auch über den Inhalt einen direkten Zugang, denn die Oper ist aktueller denn je. “Für mich als Regisseur ist es wichtig, die Frage zu beantworten, warum wir dieses Stück genau jetzt machen. Wir wurden im August 2011 engagiert. Der gesamten Welt ist nun dieses Thema bewusst. – Während wir uns auf das Stück vorbereiteten, wurde Gaddafi gejagt. Es gibt sie also, die sozusagen modernen Ausgaben dieser Figuren. Und wir tragen auch eine Verantwortung, denn diese Personen würden ohne uns nicht existieren. Unsere Verantwortung ist es, auf unsere Strukturen zu achten und beispielsweise das Regime in Syrien nicht zu unterstützen. Und wir als Kreative, die dieses Stück interpretieren, halten uns diese aktuellen Geschehnisse immer vor Augen, denn das geschieht jetzt, in diesem Augenblick.”
O-Ton (Audio-File) Regisseur Michael Hunt

The Tyrant, Solo Champer Opera by Paul Dresher
08. + 10. + 11.02.2012, h 20.00, Studio, Stadttheater Bozen, 90 min.
In lingua inglese con sovratitoli italiani e tedeschi
In englischer Sprache mit deutschen und italienischen Übertiteln

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