Music

March 14, 2023

„Winterreise“ – „in Zeiten wie diesen“ – mit Clara Frühstück und Oliver Welter

Kunigunde Weissenegger

„Fremd bin ich eingezogen, Fremd zieh’ ich wieder aus“, so beginnt es.

Es ist ein Liederzyklus, den Clara Frühstück und Oliver Welter mit Klavier und Stimme aufführen. 24 Lieder, getextet von Wilhelm Müller, vertont von Franz Schubert, beide jung an Jahren nacheinander gestorben, ohne sich je kennenzulernen. Kummer in jeder Zeile. 

Hört selbst. 

Clara Frühstück und Oliver Welter interpretieren mutig vor knapp 200 Jahren Verfasstes neu. Und kommen damit auch nach Südtirol. Am Sonntag, 19. März 2023 ist „Winterreise“ im Rahmen von Oper 2023 im Studio des Stadttheaters Bozen zu erleben. Gewiss wird es unerwartet. Und wer’s mit nach Hause nehmen will: Als Album ist es bei col-legno erschienen. 

Erstere hab ich zum Interview gebeten …

Lest selbst. 

Du bist nicht nur Pianistin, sondern auch Klang- und Performancekünstlerin – wie geht das zusammen auf eine Bühne in einer Person?

Clara Früstück: Mein lieber Freund (übrigens auch Sinnstifter des Projekts „Winterreise“ und Musikjournalist, Direktor der Schule für Dichtung) Fritz Ostermayer hat mal diese drei Bezeichnungen für mich gefunden. Ich fand das eigentlich schön. Man könnte aber auch ganz schlicht einfach nur „Pianistin” zu mir sagen. Wär mir auch recht. Als Pianistin solltest du ja hoffentlich sowieso immer darauf Lust haben zu zaubern – Klänge, Farben, Bilder, neue kleine große Welten zu kreieren. Und wenn man auf der Bühne steht, ist man ja automatisch eine Performerin. Was mich vielleicht unterscheidet von den klassisch klassischen Pianistinnen, dass ich nicht nur klassisch Klavier und/oder Kammermusik spiele, sondern es mich schon immer interessiert hat, vielmals mehr über diesen besagten Tellerrand zu blicken. Ich wage die diversesten Verschränkungen und finde verschiedenste Kollaborationen, arbeite am liebsten transdisziplinär und versuche mit Kolleg*innen immer wieder aufs Neue unkonventionelle Zugänge zum Klavier und zum klassischen Konzert zu kreieren.  

Wie schaffst du es, ein – dein – Gefühl auf das Publikum zu übertragen, Emotionen auszulösen …? 

Wenn ich mit meinem ganzen Körper präsent in der Musik bin, meine beiden Ohren (auch) im ganzen Saal Platz nehmen, das Klavier mein Sprachrohr ist für Emotionen, dann beginnt sich (hoffentlich!!) was auszubreiten. Wenn ich sage – was Magisches auszubreiten – klingt das vielleicht eingebildet, aber viele haben mir schon mal gesagt, dass ich das schaffe. Ein lieber Freund von mir, pensionierter Theaterintendant, hat es mal so schön ausgedrückt: Du fährst deine Kralle über das ganze Publikum aus und ziehst sie erst wieder ein, wenn das Konzert vorbei ist. Haha! Das finde ich gut. Daran denke ich seither auch immer wieder.  

Du hast ja eine klassische Ausbildung, brichst mit deinen Performances immer wieder aus. Warum?

Warum nicht? Ich sehe es auch nicht unbedingt als Ausbruch. Es ist eher eine Suche, auf die ich mich immer wieder aufs Neue mache, wie man einem vielfältigen breiten Publikum, klassische Musik vermittelt. Und sowieso interessiert mich die Bühne, Dramaturgie, Licht. Es ist nicht nur die Musik allein, die mich ausmacht. Und all das, was da so sprudelt, integriere ich in meine Konzepte. 

Ich glaub auch zu verstehen, dass es dir wichtig ist, die Wand zwischen Frack und Jeans, Konzerthaus und Straße … einzureißen – wie und warum?

Weil es mich begeistert für die diverseste Menschen zu spielen. Der klassische Konzertbetrieb ist mir oft einfach zu elitär. Und wenn sich da nichts bewegt, stirbt uns das Publikum weg. 

Wie gestaltest du denn ein Programm, einen Auftritt, eine Inszenierung …? 

Das ist eine sehr allgemeine Frage. Kommt ganz drauf an, an welchem Programm und in welcher Formation ich arbeite. Meist gibt es eine Idee und die spinne ich dann bis ins Unendliche und dann hol ich sie wieder zurück, sammle die Bausteine und rolle sie aufs Neue wieder aus. Nun zur romantisch düsteren „Winterreise“ – was fasziniert dich daran, gemeinsam mit Oliver Welter „in Zeiten wie diesen“ so viel Melancholie auf die Bühne zu bringen?

Ich bin schon seit tausend Jahren ein großer Fan der „Winterreise“ und hab sie in den verschiedensten Versionen gehört. Selbst auch im Original gespielt und als Zuhörerin Tränen vergossen. Es war mir ein großes Anliegen, daraus mal was zu machen – es irgendwie noch näher in unsere Zeit zu holen. Mit Oliver Welter eine Popversion draus zu machen oder, besser gesagt, mit ihm eine ganz eigene Version zu finden, war das Beste was mir passieren konnte. Wir haben uns gegenseitig bereichert und motiviert. GENAU DAS, was wir da geschaffen haben, ist unsere Winterreise. Und unsere Winterreise nun „in Zeiten wie diesen“ auf die Bühne zu bringen, passt für mich perfekt. 
Und es fasziniert mich auch immer wieder aufs Neue, wie sehr – während unserer „Reise“, unserer Konzerte – Freude und Lächeln in mir hochsteigt. Diese Auftritte sind für mich sehr beglückend. Auch wenn es keinen Weg zurück gibt … (Aber vielleicht genau deswegen …) 

Was für ein Klangerlebnis darf sich das Publikum erwarten? 

Das Publikum wird von uns mitgenommen auf diese Reise. Wir ziehen sie hinein in einen Sog, aus dem es kein Entrinnen gibt. Es ist ein direktes Erlebnis – ganz direkt – von uns zum Publikum. Man kann sich förmlich bei uns „einhängen“ und mit uns diesen unerbittlichen Weg gehen. 

Daran anschließend die Frage: Wie relevant mag ein knapp 200 Jahre alter Liederzyklus für uns heute noch sein …? 

Die Winterreise ist ein Meisterwerk. Was Schubert da geschaffen hat, ist überirdisch – sowohl die Musik, aber auch der Text von Wilhelm Müller sind für die Ewigkeit. 

Premiere war 2021, habt ihr euch inzwischen nicht überdrüssig gespielt? 

Es ist immer wieder aufs Neue eine Freude mit Oliver auf den verschiedensten Bühne zu musizieren. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es je zu Überdruss kommen könnte. Es geht nicht, dass die „Winterreise“ mal „abgespielt“ ist.

Foto: Ingo Pertramer

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