Music
February 21, 2022
New Wave Soul: Neues von Elis Noa
Florian Rabatscher
Es ist wieder mal soweit: Elis Noa liefern einfach mal so ein feines Soundbrett ab. Ja, bei diesem Duo scheint es langsam wirklich so, als ob sie sich diese einzigartigen Songs einfach aus dem Ärmel schütteln. „I Don’t Like It Here“ nennt sich die neue Single des Duos, welche uns, wie gewohnt, einen ungekünstelten Blick in ihre Gefühlswelt gewährt und einlädt, Verbindungen zu eigenen Geschichten und Gefühlen zu setzen. Ich weiß, ein abgeleierter Satz, weil das natürlich immer alle von ihrer Musik behaupten. Und denkt man an Death Metal Bands wie Cannibal Corpse, könnte uns dieser intime Einblick sogar lieber erspart bleiben. Denn wer bei Songtiteln wie „Hammer Smashed Face“ oder „I Cum Blood“ Verbindungen zu eigenen Geschichten aufbauen kann, dem ist, glaube ich, nicht mehr zu helfen. Aber naja, zurück zu Elis Noa, welche übrigens diesen Mai ein neues Album namens „I Was Just About To Leave“ auf uns loslassen werden. Dieses Album soll den Akt des Loslassens beschreiben. Da Loslassen keine schnelle und einfache Mission ist, nimmt sich das Duo Zeit, jeden Schritt des Prozesses musikalisch zu erforschen und durchläuft mit jedem Song die Reise der Heilung, von Momenten des Widerstands und Schmerzes bis hin zu Akzeptanz und Leichtigkeit. Lustigerweise beschreibt die erste Auskopplung bereits das Ende des Prozesses, einen Moment des Verstehens und der Erkenntnis. Das alles auf ungenierte und lässige Art und Weise.
Die ganze Palette wird geboten: eingängige Gesangsstrukturen, sanfte elektronische Drums, die dich vor allem bei Kopfhörergenuss trotzdem hart treffen, und in sich gekehrte hypnotische Sounds (die man auch oft bei jungen (T)Rap-Artists, die anscheinend viel zu viel von diesem famosen Medikament Xanax einwerfen, hört). Dazu noch ein minimalistisches Schwarz-Weiß-Video, in dem eigentlich nicht viel passiert, aber das trotzdem an den Bildschirm fesselt. Im Nachhinein kann man gar nicht beschreiben, was man da gerade gesehen hat, und trotzdem hinterlässt es Spuren. Du hast irgendwie das Gefühl, die Sängerin spricht mit dir und macht irgendwie gerade Schluss, obwohl du sie ja gar nicht wirklich kennst. Sehr seltsam das Ganze. Aber genau so sollte Musik doch sein, ein bisschen bizarr, nicht wahr? Alles andere als Pop. Nie im Leben würde mir nochmals einfallen Elis Noa als Pop-Duo zu betiteln. Sie selbst nennen ihren Sound „Electronic Soul“, was es eigentlich am besten trifft. Soul der neuen Zeit.
Was mich noch begeistert, ist diese gewisse Kühlheit, die sie an den Tag legen. Als ob sie eine Post-Punk-Band aus dem tristen Manchester der 70er Jahre wären. Dabei spreche ich natürlich von der Ausstrahlung des Duos und nicht vom Sound. Aber schließen wir doch kurz die Augen und sehen, welches Bild sich beim Hören von „I Don’t Like It Here“ in meinen Kopf projiziert: Ich sehe eine klitzekleine Altbauwohnung in einer Großstadt. Es ist Nacht und der Regen verwandelt die Fenster durch das hereinscheinende bunte Licht der Neon-Reklame in eine Art Lavalampe. Die Wohnung ist völlig leer, außer einem Plattenspieler in der Mitte des Raumes, auf dem Nina Simones „I Wish I Knew How It Would Feel To Be Free“ dahinknistert. Dazu legen Björk und Ian Curtis einen undefinierbaren Tanz aufs Parkett. Was für Freaks, aber einfach so passend zu Elis Noas Song. Beide haben sich in ihrem Leben auch dazu entschlossen, eine Situation zu verlassen, die sie wahrscheinlich nicht mehr wachsen ließ. Björk kehrte ihrer isländischen Schlagervergangenheit den Rücken zu und verfiel dem Punk und was aus ihr geworden ist, weiß man ja. Oder Ian Curtis, der seinen Büroalltag, samt Frau und Kind irgendwie hinter sich ließ und völlig der Musik verfiel. Ok, bei ihm nahm es trotz allem kein gutes Ende, aber er passt einfach zu Elis Noas Song. Ja, dieses Duo malt einem wahrhaftig Bilder in den Kopf. Vergesst aber meine wirren Schilderungen dazu und lasst euch selbst darauf ein. Wer weiß, was euch durch den Kopf schießen wird. Oder falls nicht, dann genießt einfach die Coolness dieses Duos und den herausragenden Song dazu.
Foto: Dominik Friess
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