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December 10, 2020
Moreness in December. Tag Zehn: Frau steigt auf
Eva Rottensteiner
Wenn man auf Wikipedia die Liste berühmter Bergsteiger aufruft, dann sticht einem eines gleich ins Auge: Um die Frauen zu finden, muss man erstmal ganz weit nach unten scrollen. Nach den Männern werden die Frauen gelistet, fast so wie ein Sonderkapitel. In Wirklichkeit waren Frauen aber von Anfang an beim Bergsteigen mit dabei. „Es gibt keine getrennte, keine weibliche und männliche Geschichte. Man kennt nur ihre Namen nicht“, hat die in Bozen lebende Autorin, Journalistin und Übersetzerin Ingrid Runggaldier mal gesagt. Sie hat sich auf die Suche nach all diesen Namen gemacht und 2011 in dem Buch „Frauen im Aufstieg“ ihre Geschichten erzählt.
Wie auch bei der ersten feministischen Welle, gestützt von den britischen und amerikanischen Suffragetten, waren es hier vorwiegend wohlhabende, privilegierte Frauen aus dem Bürgertum, die in den Bergen ihr Abenteuer suchten. Da gab es die Französin Marie Paradis, die als erste Frau den Mont Blanc bestieg; die Niederländerin Jeanne Immink, die durch bis dato unbetretene Dolomiten-Regionen kletterte; die Irin Elizabeth Alice Hawkins-Whitshed, die den Ladies‘ Alpine Club gegründet hat, weil Frauen von Alpenvereinen ausgeschlossen wurden; die Französin Claude Kogan, die mehrere Erstbegehungen für sich verbuchen konnte; die Japanerin Junko Tabei, die als erste Frau auf dem Mount Everest stand, oder die Polin Wanda Rutkiewicz, die acht 8.000er bestieg und ihre Expeditionen nur mit Frauen machte. Über indigene Bergsteigerinnen lässt sich weniger Literatur finden. Womöglich aber haben diese schon lange die höchsten Gipfel erklommen, bevor die weißen Europäerinnen kamen und sie deren Rucksäcke auf die Hütten zu schleppen begannen. Doch die Geschichte wurde zu der Zeit eben hauptsächlich von Weißen (Männern) geschrieben. Das ist wohl auch bei der Berggeschichte nicht anders.
Ob die Wahrnehmung von Bergsteigerinnen heute anders ist? Frauen in den Bergen werden aktuell oft als Trend gefeiert. Doch wie bereits ausgeführt, sind Frauen im Alpinismus keine Mode-Erscheinung. Sie wurden zuvor einfach nicht gesehen. Auch die Modeindustrie profitiert von dieser Hervorhebung des weiblichen Geschlechts der letzten Jahrzehnte: Die Frau wird als Konsumentin und Marktlücke entdeckt. Repräsentation ist nicht die wichtigste aller feministischen Forderungen, aber dennoch sei hier zusätzlich erwähnt, dass Frauen in der Ausbildung zum Bergführer/zur Bergführerin noch immer Mangelware sind. 2015 hat ORF Tirol online einen Artikel über Südtirols erste Bergführerin veröffentlicht: Michaela Egarter aus Niederdorf.
Um Profi-Bergsteigerinnen wie Österreicherin Gerlinde Kaltenbrunner, die Baskin Edurne Pasaban, die Italienerin Nives Meroi und die Südkoreanerin Oh Eun-Sun wurde im Zuge ihrer 8.000er-Besteigungen medial ein großer Wettbewerb inszeniert. Frauen als Rivalinnen darzustellen basiert auf einem alten Geschlechterstereotyp. Genauso wie das Thema Kinderwunsch, das in Interviews mit Kaltenbrunner oft zur Sprache kam. Die Eiskletterweltmeisterin wurde im Bildband „Bergmenschen“ nach ihrer Verantwortung gegenüber ihrem Sohn gefragt. Als der Interviewer nicht nachlässt, antwortet sie: „Außerdem bin ich eine Mutter, wie ein Vater ein Vater ist. Die Väter haben auch nicht ständig diese Zweifel.“ Ob man das Reinhold Messner auch immer wieder fragt? Apropos: Messner hat 2014 auch ein Buch über die Bergsteigerinnen (heute) veröffentlicht und schreibt darin: „Frauen sind nicht nur höhentauglicher als Männer, sie klettern auch eleganter.“ Na dann ist ja alles gut.
WEITERFÜHRENDES FÜR TAG 10:
* „Frauen im Aufstieg. Auf Spurensuche in der Alpingeschichte“ von Ingrid Runggaldier über die Courage von Frauen beim Bergsteigen.
* Der Blog der Eisklettererin und Klettererin Angelika Rainer über ihre inspirierenden und bewundernswerten Erlebnisse und Abenteuer.
* „Meine Glückseligkeit an der Grenze zum Tod. Traum und Albtraum auf den höchsten Bergen der Welt“ von Tamara Lunger über ihre außergewöhnliche Leidenschaft und ihr Gefühl für die Berge.
* „Cabinet de curiosités dolomitiques“ von Anna Quinz in MORENESS #01 über ihre Sammlerleidenschaft von Bergen.
Bild: Auszug aus MORENESS #01 – Above the Tree Line
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