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January 15, 2020
„Jeder Depp kann heute Jeans produzieren“ – Kay Alexander Plonka
Susanne Barta
Die Jeans ist nicht wegzudenken aus unseren Kleiderschränken und auch längst in der High Fashion angekommen. So selbstverständlich das Tragen von Denim heute ist, so aufwendig ist die Produktion. Unsere heiß geliebte Jeans gilt als Textilumweltsünder Nummer 1. Die Herstellung verbraucht viele Ressourcen und schadet durch den Einsatz von Chemikalien Mensch und Umwelt. Für ein Kilogramm Baumwolle werden bis zu 10.000 Liter Wasser benötigt und konventionell angebaute Baumwolle ist durch die Menge an eingesetzten Herbiziden und Pestiziden in hohem Maße umweltbelastend. Die Verarbeitung setzt dann noch einiges drauf: Bleichen, Sandstrahlen, Färben, vor allem mit künstlichen Farben, sind alles andere als harmlos. Alternativen dazu gibt es bereits, sie sind vielen Produzenten jedoch zu teuer.
Die klassische Jeans wurde von Levi Strauss 1873 erstmals produziert. Robust verwebte Baumwolle, doppelt vernähte Kanten und mit Nieten verstärkte Taschen sorgten für Langlebigkeit. Manche Jeans wurden über Generationen vererbt. Innerhalb der letzten 200 Jahre ist die Jeans aber vom Nachhaltigkeitsvorbild zu einem der umweltschädlichsten Kleidungsstücke der Welt geworden. Ich habe darüber mit dem Journalist Kay Alexander Plonka gesprochen, er ist Berlin-Korrespondent von „style in progress“ und schreibt seit vielen Jahren über Nachhaltigkeit in der Mode.
Kay, die Jeans begann ihre Karriere als widerstandsfähige Arbeitshose, heute ist sie oft nur mehr ein billiger Modeartikel …
Die Jeans hat sich zu einem Alltagsbekleidungsstück entwickelt, man kann sie mit wenigen Ausnahmen auch im Büro tragen. Fast jede Jeans hat heute einige Prozent Elasthan und Polyesteranteil damit sie schön dehnbar ist. Deshalb kann auch heute jeder Depp Jeans produzieren. Früher, als Jeans noch ganz aus Baumwolle bestanden, war das eine Kunst, die mussten sitzen, weil der Schnitt bestimmte, wie die Passform war. Jetzt pumpt man Elasthan und Polyester hinein und die Jeans passen sich dem Körper einfach an. Diese Gewebe sind dann auch nicht mehr zu recyceln. Eine Baumwoll-Jeans kann man Tage und Wochen tragen ohne dass sie die Passform verliert. Früher war der Stoff auch dicker und hielt demnach auch länger. Grundsätzlich muss man eine gute, reine Baumwoll-Jeans nicht oft waschen, die mit den hohen Kunstfaseranteilen beulen sich hingegen schnell aus. Damit sich die Fasern wieder zusammenziehen werden sie viel öfter gewaschen, deshalb leidet das Material. Ich wasche meine unbehandelten Raw Denim Jeans gar nicht, sondern lüfte sie ausschließlich, dadurch halten sie viele Jahre und bekommen wie eine gute Lederjacke eine authentische Patina.
Bis zu 8.000 Liter Wasser verbraucht die Herstellung einer einzigen Jeans. Darüber hinaus ist die Produktion, mit wenigen Ausnahmen, auch eine ziemlich unsaubere …
Das größte Problem bei der Jeans-Herstellung ist, dass sie mit Chemikalien behandelt und dann in riesengroßen Waschmaschinen als fertiges Produkt gewaschen werden. Die Chemikalien beginnen auszuwaschen und wenn das nicht ordentlich gemacht wird, dann geht das Wasser ungefiltert in die Natur. Auch wenn es heute bessere Anlagen gibt, ist dieses Wasser verseucht. Die Kombination aus Färbungen und intensiver Effekt-Behandlung der Stoffe führt dazu, dass die Jeans-Industrie beispielsweise in China der drittgrößte Produzent giftigen Schmutzwassers ist.
In Xintang, der Welthauptstadt der Blue Jeans in China, werden jährlich hunderte Millionen Jeans hergestellt und in die ganze Welt exportiert. Auch wenn es bestimmte Auflagen gibt, sind die Umweltbelastungen nach wie vor sehr groß, habe ich gelesen …
Immer wenn es darum geht noch 50 Cent oder einen Euro einzusparen, dann geht das fast immer auf Kosten von Mensch und Umwelt. Je aufwendiger eine Jeans produziert wird, desto teurer wird sie. Das heißt aber nicht, dass sie unbedingt unter besseren Bedingungen hergestellt wurde. Die billigen Jeans werden nicht aus hochwertigen Materialien hergestellt, sondern mit dem Billigsten vom Billigen gemacht und das schadet der Umwelt natürlich am meisten. Wir haben heute schon die Möglichkeit, dass fast gar kein Wasser mehr verbraucht werden muss. Einige Unternehmen konnten das bereits auf ein Zehntel reduzieren und darüberhinaus den Wasser-Kreislauf schließen. Wunderwerk, zum Beispiel, kommt bei der Jeansherstellung mit gerade mal 3-9 Liter Wasser pro Hose aus. Natürlich kann man eine solche Hose dann nicht für 19 Euro anbieten. Primark zum Beispiel bietet eine sogenannte nachhaltige Jeans für 17 Euro an, ganz ohne Siegel und sonstigen Nachweis. Solchen Unternehmen geht es nur um Profit. Solange kein GOTS-Siegel vorhanden ist und sich kein unabhängiger Prüfer mit dem Produkt auseinandergesetzt hat, ist das nicht seriös. Jeder kann hinauf schreiben, was er will, auch weil in diesem riesigen Dschungel an Rohstoffen, die da hin und her verschoben werden, nicht mehr nachzuvollziehen ist, was woher kommt und wie es produziert wurde.
Wie bist du zu Beschäftigung mit nachhaltiger Mode gekommen?
Ich arbeite seit fast 20 Jahren in der Textilindustrie und da kommt man unweigerlich an den Punkt, wo man sich fragt, wo wird das hergestellt, von wem und wie? Wenn man sich also den Luxus leisten möchte seine Zeit mit Shopping zu verbringen, dann sollte man wenigstens Produkte kaufen, die von Leuten hergestellt wurden, die darunter nicht gelitten haben und die auch der Umwelt nicht schaden. Solange man auf Kosten von anderen konsumiert ist das einfach nicht in Ordnung.
Was empfiehlst du?
Man sieht, dass Trends immer wiederkommen. Gebrauchte 501 Jeans aus den 90iger Jahren werden zum Beispiel höher gehandelt als neue Hosen von Primark, Zara oder H&M. Secondhand ist ein großer Trend. Dann gibt’s Repair-Shop-Konzepte wie von Nudie Jeans. Dort werden Jeans immer wieder geflickt. Am Ende ist jede Hose ein Unikat. Die Leute möchten schließlich was Individuelles. Authentische Abnutzungserscheinungen sind etwas ganz anderes als maschinell hergestellte. Und den Unterschied sieht man natürlich auch. Ich kann jedem nur raten sich nicht im Billigsektor was zu kaufen. Mein Opa hat immer gesagt, „Ich bin zu arm um mir billiges zu leisten, denn wer billig kauft, kauft zweimal“. Ich kaufe mir also lieber eine vernünftige Jeans, dann habe ich auch ein gutes Stück, das ich, wenn ich möchte, auch nochmal weitergeben kann. Die Konsumenten können hier viel Druck erzeugen und die Unternehmen zu mehr Transparenz anhalten. Bisher sind es vor allem die kleinen Marken, die Verantwortung übernehmen. Gewinnmaximierung zu Lasten von Mensch und Umwelt ist unmoralisch und alles andere als ethisch vertretbar. Die Zukunft heißt Gemeinwohlökonomie und nicht Renditensteigerung um jeden Preis.
Ich liebe meine Jeans und, da ich noch in meine Hosen passe, die ich vor vielen Jahren gekauft habe, habe ich doch einige im Schrank. Meine beiden Lieblingsjeans sind Secondhand. Eine klassische 501 aus dem Nowherevintage Store in Innsbruck und eine Mom-Jeans aus New York, die zunächst etwas zu groß und unförmig war, aber nun, nach dem Handanlegen der Schneiderin, wie angegossen sitzt. Wie ihr wisst, bin ich ein großer Fan von Secondhand. Wenn es aber eine neue Jeans sein soll, dann am besten eine möglichst gut produzierte. Dazu hier noch Kays Auswahl an tollen Marken-Empfehlungen:
F-abric von freitag: Die Kollektion ist ohne Baumwolle und sofort kompostierbar und wird im Umkreis von Zürich gefertigt und gesourced – alles ganz transparent auf der Webseite. Jeder, der möchte, könnte es sofort nachmachen.
Wunderwerk: Momentan die saubersten Jeans am Markt und die mit am wenigsten Wasser auskommen.
Mud Jeans: 100 % Recycled Denim in Planung und ein Leasing-System zur Rücknahme entwickelt.
Tomorrow Denim: Fashion Denim for Women aus Copenhagen.
Nudie Jeans: Quasi die Urväter von Organic Denim im großen Stil und kostenlosen Repairing-Ateliers in den eigenen Shops, eigenem Secondhand-Angebot und dem Denim Maniac Program mit Teppichen und Kissen usw. aus recyceltem Denim.
Armedangels: mit der publikumswirksamen Detox-Kampagne.
Fotos:
(1) Mud Jeans – new denim tribe;
(2) Kay Alexander Plonka: Hoodie & T-shirt > Ecoalf; Hose > 3 by 1 made in New York von Denim-Ikone Scott Morrison – ist aber eine Chino;
(3 + 4 nebeneinander) Wunderwerk;
(5) Susanne Barta: Bluse > Secondhand/Kleopatra; Rolli > CORA happywear, Jeans > Secondhand/Nowherevintage; Socken > ARKET; Schuhe > alt
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