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April 24, 2024

Goodbye eyd

Susanne Barta

Heute ist Rana Plaza Gedenktag. Am 24. April vor 11 Jahren stürzte die Textilfabrik Rana Plaza in Dhaka, Bangladesch ein. 1.135 Menschen wurden getötet, 2.438 verletzt. Über dieses Ereignis und die Konsequenzen daraus habe ich hier bereits einiges geschrieben – hier zum Beispiel, hier und hier). Weltweit finden jedes Jahr zu dieser Zeit Veranstaltungen statt, auch in Bozen. Mit Fashion For Future haben wir (Brigitte Gritsch/Südtiroler Weltläden, Aart van Bezoojien/Eco-Social Design/Universität Bozen, Verena Dariz/OEW und ich) eine Initiative ins Leben gerufen, die in der Fashion Revolution Week Aufmerksamkeit rund um soziale und ökologische Themen der Textil- und Modeindustrie schafft, aber auch während des Jahres immer wieder aktiv ist. Mehr dazu hier.eyd_2 (c) eydHeute geht’s aber um ein anderes Projekt. Und dazu gibt’s eine schlechte und eine gute Nachricht. Von eyd habe ich euch schon vor längerem erzählt. eyd ist ein Label, das sich mit viel Engagement gegen Menschenhandel einsetzt, Frauen ausbildet und betreut und ihnen so einen neuen Start ermöglicht. Im Sinne von: „Empower your dressmaker“. Eyd hat Partnerwerkstätten in Indien, Nepal und Deutschland (mit-) aufgebaut. Nach fast zehn Jahren hingebungsvoller Arbeit verabschiedet sich das Label nun. Die Nachricht hat mich sehr betroffen gemacht. Denn leider haben in den letzten Monaten und Jahren nicht wenige ambitionierte und zukunftsweisende nachhaltige und faire Fashion-Projekte ihre Tätigkeiten aufgegeben bzw. mussten das tun. Woran das liegt? Vermutlich an einer Reihe von Gründen. Zuviel selbstlose Arbeit? Zuwenig Cashflow? Nach wie vor zu wenig Konsument*innen-Bewusstsein? Darüber habe ich mit Noch-eyd-Geschäftsführerin Friedrike Leitlein gesprochen.eyd_3 (c) eydZuvor aber noch die gute Nachricht: Über 200 Frauen, die Menschenhandel überlebt haben, konnten sich dank eyd und der eyd-Community ein neues Leben aufbauen. Und gegen Menschenhandel kann man sich nach wie vor engagieren und entsprechende Projekte unterstützen, dazu mehr am Ende des Artikels.

Friederike, wieso habt ihr euch entschieden, eyd zu schließen?

Wir haben so viel probiert, am Ende ist es ein Mix aus vielem. Im Newsletter beschreiben wir es mit dem Satz: „Uns sind die Ideen und Ressourcen ausgegangen.“ Es war uns nicht möglich unsere Arbeit kostendeckend weiterzuführen, das hat am Ende zu dieser Entscheidung geführt.eyd_4-5 (c) eydWas hätte es gebraucht?

Wenn ich das wüsste, hätten wir es gemacht ;) . Über diese Frage haben wir uns in den letzten Jahren auch immer wieder den Kopf zerbrochen. Wir haben viel probiert, kamen aber immer wieder an Grenzen. Vielleicht hätten wir am Ende einfach mehr Energie, Geld und Ideen gebraucht. 

Ihr habt Partnerwerkstätten in Indien, Nepal und Deutschland mitaufgebaut. Wie geht’s dort weiter?

In den letzten Jahren haben wir nur noch mit unseren Partnern in Indien zusammengearbeitet. Und hier ist es bisher nicht klar, wie und ob es weitergeht. Die beiden Leiter*innen dort sind so hoffnungsvolle Menschen, sie wünschen sich ganz fest ein Wunder.eyd_6 (c) eydNach der Pandemie schien es kurz so, als ob es ein Innehalten und Nachdenken gäbe. Leider ist es bei vielen schnell wieder in Überkonsum gekippt. Anders sind die ständig steigenden Wachstums-Zahlen vor allem der (Ultra-) Fast Fashion Brands nicht zu erklären. Siehst du dennoch ein langsames Umdenken bei Konsument*innen?

Ich sehe auf jeden Fall ein Umdenken. Unsere Kund*innen machen mir Mut und schenken mir Hoffnung. Es gibt dann doch viele Menschen, die das Gute sehen und bereit sind mehr dafür zu bezahlen. Es berührt mich bis zum Ende, dass wir so viele treue Fans haben.

Menschenhandel ist ein globales Problem. Gibt es noch zu wenig Sichtbarkeit für das Thema?

Ich denke es ist total sichtbar, nur unsere Herzen scheinen es nicht auszuhalten die Augen dafür zu öffnen. Es gibt nichts Billiges auf dieser Welt, wenn ich nicht dafür bezahle, dann bezahlt eine andere Person dafür. Dieser Wunsch, dass es „günstige Preise gibt“, ist wie ein zu schönes Märchen, das ich selbst auch gerne glauben würde. Natürlich gibt es auch viel Menschenhandel, der unsichtbar ist für einen Teil von uns. Wir sehen nicht, wie minderjährige Mädchen verkauft und zu sexueller Ausbeutung gezwungen werden. Dennoch wissen wir, dass es das gibt. eyd_7-8 (c) susanne bartaMit eyd hat die Slow/Sustainable/Fair Fashion Community ein Vorreiter-Projekt verloren. Wie könnten solche Projekte eine Zukunft haben?

Ich denke eyd hat und hatte eine Zukunft, 10 Jahre ist eine richtig lange Zeit. Wer weiß, was für Früchte wir noch ernten dürfen? Ich denke, es braucht einen Anfang, Mut und Menschen, die gemeinsam daran glauben. Unsere Gründerin hat mal gesagt, „ein Funke reicht um ein Feuer zu entfachen“, also lasst eure Funken raus in die Welt.

Wie geht’s für euch persönlich weiter?

Ganz unterschiedlich. Ich bin schwanger und ab Juli erst mal mit einem neuen Wesen beschäftigt. Unsere Gründerin ist Juristin und wird sich wieder der Gerechtigkeit und ihrer juristischen Laufbahn widmen. Einige sind zu einer anderen tollen Hilfsorganisation in Stuttgart gegangen.eyd_9 (c) susanne bartaIch wünsche dem engagierten eyd-Team alles, alles Gute. Und der indischen Partnerorganisation, dass es dort weitergehen möge. Wenn ihr eyd noch auf seiner letzten Etappe unterstützen möchtet, kauft das Buch von eyd-Gründerin Nathalie Schaller „Der Stoff, aus dem die Freiheit ist“, in dem Nathalie die spannende Geschichte ihres humanitären Modelabels erzählt. Oder unterstützt den letzten eyd-Sale, noch bis 30. April 2024 könnt ihr eyd-Produkte erwerben. Ich habe einige Notizbücher und T-Shirts bestellt. Wer sich gegen Menschenhandel engagieren bzw. Projekte, die das tun, unterstützen möchte, empfiehlt eyd: „Lass deine Zeit, deine Energie und dein Geld (wenn du kannst) weiter oder neu fließen, z. B. in die International Justice Mission kurz IJM oder The Justice Project oder ArtHelps.“

Gemeinsam können wir etwas verändern. 

Fotos: (16) © Eyd; (79) © Susanne Barta

>> Supported by CORA happywear (M), Kauri Store (M), Oberalp Group (XL), Oscalito (L) und meiner Freundin Kristin << 

Wenn ihr diesen Blog auch unterstützen möchtet, gibt‘s hier alle Infos.

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